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Neun ungewöhnliche Krimis Juni 2019. Pete HackettЧитать онлайн книгу.

Neun ungewöhnliche Krimis Juni 2019 - Pete Hackett


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der Herzog die auseinandergefallene Frisur betrachtete, wurde Luise von Hertefeld bewusst, in welchem Zustand sich die unvollendete Frisur befinden musste. Erschrocken fuhren ihre Hände nach oben, aber Herzog Carl Wilhelm Ferdinand zog sie erneut lächelnd an sich.

      „Madame – Euer Anblick verzaubert mir stets den Tag – lasst es so, wie es ist. In diesem Moment möchte ich selbst Eure Zofe sein.“

      Die Erste Hofdame hatte ihren Zofen hinter dem Rücken des Herzogs ein Zeichen gegeben, aber das war nicht mehr nötig. Mit einer tiefen Verbeugung standen sie bereits in der Tür und ließen im nächsten Moment das Paar allein, gerade rechtzeitig, als der Herzog erneut den Arm um seine Mätresse legte und sie zu sich heranzog.

      Mit einem leisen Seufzer ließ sich Madame in seine Arme sinken und erwiderte gleich darauf seinen Kuss auf leidenschaftliche Weise. So war ihr heutiger Tag doch noch gerettet, dachte sie, als die kräftigen Hände an ihrem Rücken entlangstrichen und die Kleiderhaken lösten.

      15.

      Der große Saal war angefüllt mit Menschen, die alle durcheinanderredeten. Das mächtige Stimmengewirr erfüllte die abgestandene Luft, die ein Gemisch aus Schweiß, Puder und undefinierbaren Gerüchen bildete. Gelehrte der Braunschweiger Institute, sowohl vom Collegium Carolinum wie vom Anatomischen Institut, aber auch zahlreiche Höflinge, adlige Nichtstuer und Neugierige drängten sich um einen Tisch mit allerlei Gerätschaften, Materialproben verschiedener Steine und Erden, dazu Formen, teils geschlossen, teils geöffnet, Porzellanbrände in verschiedenen Stadien und einiges mehr, das sich dem neugierigen Auge nicht sofort erschloss.

      Als einer der letzten Gäste traf Leutnant Friedrich Oberbeck ein. Schon auf dem Gang hatte er das gewaltige Stimmengebraus wahrgenommen, und als sein Auge suchend über die versammelte Menge schweifte, stellte er fest, dass sich nicht nur der gesamte Hof eingefunden hatte, sondern offenbar auch zahlreiche Honoratioren der Stadt und Mitglieder des Rates.

      Oberbeck stellte sich in der Nähe des Einganges so, dass er alles überschauen konnte. Schlagartig trat Ruhe ein, als sich eine Nebentür öffnete und der Graf von St. Germain, auffällig und sehr modisch gekleidet wie immer, eintrat. So auffallend war die plötzliche Stille, dass man jeden der Schritte des Grafen wie Donnerschläge vernahm, als er jetzt mit weit ausgreifenden, schnellen Schritten den Raum durchmaß.

      Dabei warf er nach allen Seiten freundliche Blicke, eilte hinter den langen Tisch und widmete sich dort seinen Geräten. Leise setzten diesmal die Gespräche wieder ein, verstummten aber erneut, als sich eine andere Tür öffnete und Herzog Carl Wilhelm Ferdinand in Begleitung seines Kammerherrn den Saal betrat. Ihnen folgte in kurzem Abstand, schon arg gebückt und auf einen Stock gestützt, Johann Georg von Langen, nicht nur Forst- und Oberjägermeister des Herzogs, sondern auch der eigentliche „Vater des Porzellans aus Fürstenberg“, wie ihn der Herzog gern nannte.

      Johann Georg von Langen war es nicht nur geglückt, hinter das Geheimnis der Porzellanherstellung zu kommen, sondern darüber hinaus bewies er mit dem Bau des ersten Brennofens in Fürstenberg an der Weser seine Kenntnis bei der Porzellanherstellung. In den Jahren 1747 bis 1753 verbesserte er seine Verfahren noch wesentlich und lieferte in dieser Zeit das erste Porzellan aus der neuen Manufaktur. Und noch immer galt darüber hinaus sein Interesse dem Wald. Seine Denkschrift von 1755 wies darauf hin, dass neben einer gemischten Anpflanzung von Bäumen insbesondere die Fichten zu setzen wären. Auch um den Kartoffelanbau im Harz hatte sich der jetzt greise von Langen verdient gemacht und stand daher auch im hohen Alter noch immer in allerhöchster Gunst beim Herzog.

      Die Anwesenden erwiesen dem Herzog ihre Referenz, indem sie ihn mit den nach oben gekehrten, offenen Händen und der vorschriftsmäßigen Fußhaltung nebst einem geneigten Haupt erwarteten. Auf ein Zeichen von ihm lösten sich alle aus ihrer erstarrten Haltung, und der Herzog begrüßte die Anwesenden leutselig.

      „Wir haben heute den Grafen von St. Germain zu Gast, der uns versprochen hat, Mittel und Wege zu kennen, um das in Fürstenberg erzeugte Porzellan erheblich in seiner Qualität zu verbessern. An unserer Seite der überaus verdienstvolle Oberjägermeister Johann Georg von Langen, dem wir die Manufaktur überhaupt verdanken. Es wird für uns alle ein historischer Tag werden, wenn wir erleben, wie uns der Graf von St. Germain zeigen wird, dass auch unser Fürstenberger Porzellan die gleiche Qualität wie das aus Meißen erreichen kann. Graf – bitte beginnt mit Eurer Präsentation!“

      Die drei hohen Herren hatten unmittelbar am Tisch Platz genommen und warteten nun ab, was der Gast ihnen bieten würde. Alle drängten sich so dicht heran, wie es nur ging, und vor allem – wie es die Etikette bei Hof erlaubten, denn die Rücksichtnahme auf die Anwesenheit des Herzogs erforderte doch eine geziemende Distanz zum Tisch.

      Der Graf begann nun mit schneller Rede auf die Vorzüge eines reinen, zarten Porzellans einzugehen, pries die Möglichkeiten, die Mutter Natur bot mit ihren reichen Vorräten an Feldspat, Kaolin und Quarz. Danach ging er ausführlicher darauf ein, dass die vorhandenen Stoffe in unterschiedlicher Qualität auftraten und dementsprechend das Endprodukt, also das Porzellan, nur von verschiedener Art sein konnte.

      „Mit anderen Worten, Durchlaucht – es ist nicht möglich, aus jedem Kaolin das beste Porzellan zu gewinnen. Die Alchemie hat längst erbracht, dass die Zusammensetzung der vorhandenen Mineralien eine entscheidende Rolle dabei spielt, ebenso wie die richtige Sinterung. Nicht nur der Zeitpunkt der Schmelze im Brennofen, die Verbindung des Feldspats mit dem Quarz und dem Kaolin, sondern ein harmonisches Zusammenspiel aller Komponenten, als da sind: Mineralreiches Material, richtige Brenntemperatur und glücklich erfolgte Sinterung können ein Produkt allerhöchster Güte erzeugen.“

      Herzog Carl Wilhelm Ferdinand begann, ein wenig unruhig auf seinem weichen Sessel herumzurutschen, und der Graf war klug genug, dieses erste Zeichen richtig zu deuten.

      „Was den hohen Gelehrten des Collegium Carolinum vertraut sein mag, wird uns anderen jedoch eher unwichtig sein. Voilà, hier also das Ergebnis meiner letzten Experimente – ein Porzellan allerfeinster Güte, hergestellt aus Kaolin und Feldspat, so wie es an der Weser vorkommt und in der Manufaktur verarbeitet wird – angereichert mit meiner Mineralienmischung, gebrannt nach meinem verbesserten Verfahren, das selbstverständlich“ – damit verbeugte er sich tief vor von Langen – „auf dem von Euch entwickelten Brennverfahren basiert und von mir nur aufgrund neuester Erkenntnisse, langjähriger Studien und zahlreicher Experimente verbessert wurde. Diese erste Tasse weihe ich natürlich Euch, allergnädigste Durchlaucht, aber das zweite Stück würde ich gern, mit Eurer gütigen Erlaubnis, dem hochverehrten Meister von Langen überreichen.“

      Mit diesen Worten umrundete der Graf den Tisch, verbeugte sich tief vor Herzog Carl Wilhelm Ferdinand und händigte ihm eine schneeweiße Porzellantasse aus. Einen Moment, in dem er zusah, wie der Herzog die Tasse prüfend gegen das Licht hielt und ein breites Lächeln seine Zufriedenheit ausdrückte, wartete er ab. Anschließend überreichte er dem greisen von Langen ein weiteres Exemplar.

      „Erstaunlich, wirklich erstaunlich, und so zart wie ein Engelshaar“, nickte der alte Manufakturgründer, als er die Tasse dicht vor seine Augen hielt und dann bewundernd mit einer Hand über die Form strich. „Das ist die Qualität, wie man sie bislang nur aus Meißen kennt, Durchlaucht.“

      „Ich bin überaus zufrieden, Graf, überaus. Mit dieser Probe habt Ihr meine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Damit steht auch der Finanzierung Eurer Arbeiten nichts mehr im Wege. Im ersten Zuge werden wir Euch die fünfzigtausend Taler anweisen


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