Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete HackettЧитать онлайн книгу.
»Es ist wohl so«, übernahm es Whitlock, die Antwort zu geben. »Sicher wurde schon unsere Annäherung an das Gebiet südlich der Plains of Saint Augustine beobachtet.« Er ließ seinen Blick in die Runde schweifen. Die Ebene wurde von hochragenden Bergen begrenzt, es gab Schluchten und Risse. »Irgendwo vor uns wird etwas vorbereitet«, sagte Whitlock. »Ich kann die Apachen geradezu riechen.«
»Wir reiten weiter!«, gebot der Major.
»Eskadron, Marsch!«, rief Whitlock.
Die Patrouille setzte sich in Bewegung.
Der Scout ritt wieder voraus und verschwand bald aus dem Blickfeld Whitlocks. Dieser sicherte unablässig um sich. Seine Augen waren in ständiger Bewegung. Er verspürte Anspannung und ein seltsames Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Als Whitlock sagte, dass er die Rothäute geradezu riechen konnte, so war das keine Metapher. Die Apachen gerbten das Leder mit Tran und Urin, und diesen Geruch verströmten die Krieger. Und wenn der Wind richtig stand...
Sie erreichten die Stelle, an der der tote Scout am Baum hing. Einer der jungen Soldaten wurde ganz grün im Gesicht, er sprang ab, lief zu einem Felsen und übergab sich.
»Wir müssen ihn begraben«, sagte der Lieutenant.
»Ja. Es ist unsere Christenpflicht«, pflichtete der Major bei.
Whitlock gab vier Soldaten den Befehl, ein Grab auszuheben. Den anderen gebot er, abzusitzen und in die Runde zu sichern. Springfield-Karabiner wurden durchgeladen. Die Soldaten verteilten sich. Nichts geschah. Der Major sprach ein Gebet am offenen Grab des Kundschafters, dann schaufelten die vier Kavalleristen den trockenen Sand auf ihn und bedeckten den Hügel mit Steinen, damit wilde Tiere den Leichnam nicht wieder herausscharrten.
Blutsaugende Fliegen, angezogen vom süßlichen Schweißgeruch, setzten Pferden und Reitern zu. Im Sand glitzerten winzige Kristalle. Es handelte sich um Glimmerschiefer, der im Laufe der Jahrmillionen verrottet und zerfallen war. Es war ein schönes Land, aber auch ein gefährliches Land. Hinter jedem Hügel konnte Gefahr lauern, der Tod war allgegenwärtig.
Sie zogen weiter und erreichten die niedergebrannte Ranch. Die Menschen waren in den Häusern verbrannt. Der laue Wind wirbelte Asche in die Höhe und trug sie mit sich. Die Blicke schweiften hinweg über diese Stätte des Todes. In den Zügen der Männer drückten sich tiefer Ernst und maßloses Grauen aus. Aber längst nicht jeder schob den Apachen die Schuld zu. Sie wehrten sich wie in die Enge gedrängte Raubtiere. Die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation, ihre Ausweglosigkeit war es, die sie gefährlich und unberechenbar machte.
Der Major war abgesessen und ging hin und her. Der Staub im Hof war von Hufen und Füßen aufgewühlt. Abgesehen von den Kavalleristen und ihren Pferden vermittelten nur noch einige Hühner Leben.
Lieutenant Whitlock ritt zu der Stelle, wo die Spur der gestohlenen Pferde und der unbeschlagenen Mustangs nach Südwesten führte. Einer der Scouts befand sich bei ihm. »Folge der Spur«, sagte Whitlock. »Folge ihr bis zu ihrem Ende, komm zurück und führe uns.«
Der Scout nickte und ruckte im Sattel. Sein Pferd ging an. Im Schritttempo verschwand er zwischen den Felsen.
Es dauerte etwa eine Stunde, dann stiegen im Südwesten Rauchzeichen zum Himmel. Zuerst war es nur eine Rauchsäule. Sie wurde jäh unterbrochen, um sich dann erneut zu erheben. Der Rauch ballte sich am Himmel und trieb träge nach Osten.
»Was sagen diese Zeichen?«, fragte Whitlock den anderen Scout, der zurückgeblieben war.
»Ein Späher teilt dem Haupttrupp mit, dass jemand auf seiner Spur reitet. Big Bird werden wir wohl nicht mehr sehen.«
Whitlock schaute betroffen. Wenn der Scout ums Leben kam, dann hatte er ihn in den Tod geschickt. Er schalt sich einen Narren, und er versuchte sich zu beruhigen. Du musst dir keine Vorwürfe machen, zog es durch seinen Verstand. Es ist sein Job. Wenn wir hier umkommen, macht sich Colonel McIntosh sicher auch keine Vorwürfe.
Der Versuch misslang. Es beruhigte ihn nicht. Whitlock fand das alles plötzlich so sinnlos, so überflüssig. Das Land ertrinkt im Blut seiner Menschen, durchfuhr es ihn voll Verbitterung. Und die Armee schürt den Hass noch. Alles nur wegen der unstillbaren Habgier einiger weißer Männer, die den Indianern die Luft nicht gönnen, die sie atmen.
Whitlock beobachtete die Rauchsignale. Soeben wurde die dunkle Rauchsäule wieder unterbrochen. Der Späher hatte grünes Laub in die Flammen geworfen, darum war der Rauch fast schwarz. Immer wieder schickte er seine Signale zum Himmel. Whitlock ahnte, dass das Kommunikationssystem in der Wüste vorzüglich funktionierte. Tatsächlich stiegen bald in der Ferne ebenfalls Rauchzeichen zum Himmel. Das Feuer brannte auf der Kuppe eines Felsens. Senkrecht stiegen die Rauchbahnen empor...
*
Whitlock begab sich zum Major. »Sie haben unseren Scout entdeckt.« Er deutete mit einer matten Geste seiner Linken nach Südwesten. »Seine Chancen sind die eines Schneeballs in der Hölle. Wir sollten nicht auf seine Rückkehr warten, Sir, sondern aufbrechen. Noch ist die Fährte frisch.«
»In Ordnung, Lieutenant. Lassen Sie das Camp abbrechen und die Männer aufsitzen.«
Eine Viertelstunde später waren sie auf dem Weg. Die Geräusche, die sie verursachten, rollten vor ihnen her. Wo der Boden sandig war, konnte man die Spur, die die räuberischen Indianer gelegt hatten, deutlich sehen. Aber auch auf felsigem Untergrund gab es immer wieder Hinweise wie Pferdedung, Kratzspuren, losgetretene Steine und Pferdehaare, die an dornigen Büschen hängen geblieben waren...
Der letzte der drei Scouts ritt voraus. Es ging durch einen Canyon, dessen Wände senkrecht nach oben stiegen. Oben schienen sich die Felsen zu vereinen. Staub wehte über die Ränder, leises Prasseln erfüllte die Luft. Die Luft schien stillzustehen, nur aus Seitenschluchten strömte den Reitern kühle Luft entgegen. Zwischen den Felsen wurden die Geräusche von den Echos verstärkt und muteten besonders intensiv an. Von einem vorspringenden Felsen tropfte Wasser und färbte den Sand am Boden dunkel. Es war wie ein steinernes Grab des Schweigens, das sie durchritten. Stellenweise war die Schlucht fast hundert Yards breit, dann verengte sie sich wieder und war gerade so breit, dass drei Reiter nebeneinander durchkamen.
Der geeignete Platz für einen Überfall.
Dort, wo die Schlucht endete, fanden sie den Scout, den der Lieutenant losgeschickt hatte. Er war tot und skalpiert. Sein Körper war mit Pfeilen gespickt. Neben ihm steckte eine Kriegslanze im Boden. Myriaden von kleinen Mücken saßen auf dem Leichnam oder umschwärmten ihn.
Whitlocks Kehle war salztrocken. Er hatte das Gefühl, von einer unsichtbaren Faust gewürgt zu werden. Sein Befehl hatte den Mann in den Tod geschickt. Mit Indianern, die der Armee dienten, gingen die aufrührerischen Apachen besonders grausam um.
Vor ihren Blicken lag ein staubiger Talkessel. Einige Kakteen und Hickorys sowie Korkeichen erhoben sich. Rundum gab es Felsen und Hügel. Die Sonne gleißte. Der Major ließ absitzen. Der Scout wurde begraben. Dann ritt die Patrouille in den Kessel hinein. Er hatte einen Durchmesser von etwa dreihundert Yards. Jeder der Soldaten war ein Bündel angespannter Aufmerksamkeit. Die Nerven waren zum Zerreißen angespannt, die Anspannung vertiefte die Linien in den Gesichtern. Sie präsentierten sich den Apachen wie auf einem Schießstand. Rundum schien das Land tot und leer zu sein. Aber sie gaben sich keinen Illusionen hin. Die Ruhe war nicht echt, sie war gefährlich und trügerisch. Die Apachen würden sich erst sehen lassen, wenn es zu spät war und es kein Zurück mehr gab.
Und dann kamen sie.
Die Kavalleristen befanden sich mitten in dem Kessel. Die Apachen griffen von allen Seiten an. Ihr schrilles Geschrei erhob sich zum Himmel und vermischte sich mit dem Trommeln des Hufschlages.
»Absitzen! Rundumsicherung! Benutzt die Pferde als Deckung. Und vergeudet keine Munition!«
Gellend kamen die Befehle. Das Entsetzen fuhr den Männern in die Knochen. Der eine oder andere verspürte Gänsehaut.