Danke für Ihr Verständnis. Andreas von SchubertЧитать онлайн книгу.
sind ausschließlich Mittel zum Zweck der Realisierung persönlicher Ziele, aber nicht Selbstzweck.
Das nutzengeleitete Kalkül geht dabei folgendermaßen: Brauche ich andere Menschen, um meine Ziele zu realisieren? Wenn nein, dann tue ich nur, was mir nützt, unabhängig davon, was andere davon halten. Dieses Kalkül ist typisch für Mitarbeiter, die in beruflichen Stationen jeweils nur ein bis zwei Jahre bleiben und parallel dazu bereits den nächsten Karriereschritt vorbereiten. Auch diese Menschen brauchen selbstverständlich die Kooperation anderer, aber sie finden immer Mittel und Wege, deren Unterstützung beispielsweise mit Hilfe von Versprechungen zu erhalten, wohl wissend, dass sie auf Grund ihrer kurzen Verweildauer mit großer Wahrscheinlichkeit die Versprechen nicht mehr werden einlösen müssen. Typisch hierfür sind mittlere Führungskräfte, die ihren Mitarbeitern im Gegenzug für überdurchschnittlichen Einsatz eine attraktive Karriereentwicklung versprechen, dann aber »vergessen«, dieses Versprechen ihrem Nachfolger mit auf den Weg zu geben, der sich dann prompt nicht daran gebunden fühlt.
Interessant ist nun, inwieweit das Solidaritäts- und das Integritätsprinzip bei der Realisierung des eigenen Nutzens helfen können. Denn sowohl bei solidarischem als auch bei integrem Verhalten steht nicht das ICH, sondern das DU im Vordergrund. Und damit ist die Gefahr groß, dass bei dieser Art der Interaktion mit anderen die eigenen Ziele aus dem Blickfeld geraten.
Zunächst zum Anspruch, trotz eigennütziger Motive solidarisch mit anderen Personen zu sein: Für das Unternehmen mit seiner arbeitsteiligen Organisationsstruktur ist Solidarität unter Kollegen und das daraus ableitbare gemeinschaftliche Handeln unbedingt notwendig. Für den einzelnen Mitarbeiter hat es aber bei weitem nicht den gleichen Stellenwert. Solidarität mit Kollegen ist für den einzelnen Mitarbeiter nur vorstellbar, wenn es ihm persönlich nützt. Die Nützlichkeit von solidarischem, gemeinschaftlichem Handeln ist für die betreffende Person aber keineswegs so selbstverständlich wie für das Unternehmen. Das zeigt auch das zuvor genannte Beispiel der Führungskräfte, die während ihres Aufstiegs jeweils nur kurz in den verschiedenen Stationen verweilen. Solidarisch-gemeinschaftliches Handeln ist aus Mitarbeitersicht also nicht unbedingt Selbstzweck. Das muss es jedoch auch nicht sein. Es ist vollkommen ausreichend, wenn das Solidaritätsprinzip dem Nutzenprinzip untergeordnet ist und gemeinschaftliches Handeln »nur« eigennützigen Zielen dient. Wichtig ist einzig, dass Solidarität mit anderen Personen im Unternehmen und gemeinschaftliches Handeln dieser Personen überhaupt stattfindet, denn davon hängt in einer arbeitsteiligen Organisationsstruktur der Erfolg des Unternehmens ab. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich für jeden Beteiligten persönlich lohnt.
Wie verhält es sich nun mit dem Integritätsprinzip? Die Einhaltung bestimmter ethischer Werte und moralischer Standards darf nicht davon abhängen, dass dies für einzelne Personen von Vorteil ist. Denn dann wäre ethisches Verhalten im Unternehmen und damit des Unternehmens als solchem dem Zufall überlassen – und mittelfristig damit auch der Erfolg des Unternehmens. Auf der anderen Seite zeigt die Erfahrung jedoch auch, dass ethische und moralische Standards insbesondere dann missachtet werden, wenn der daraus ableitbare Nutzen für die Entscheidungsträger nicht offensichtlich ist. Selbst wenn also das Integritätsprinzip nicht allein dafür da ist, einem persönlichen Nutzen zu dienen, so wird es in der Unternehmenspraxis dennoch nur dann Anwendung finden, wenn es für die handelnden Personen von Vorteil ist.
So unwohl einem bei der Feststellung sein mag: integres Verhalten setzt persönlichen Nutzen aus diesem Verhalten voraus. Das gilt für individuelles Verhalten innerhalb eines Unternehmens ebenso wie für das Verhalten eines Unternehmens als solchem. Beispielsweise wird der Einsatz von Schwarzgeld umso wahrscheinlicher, je unumgänglicher dies für die Realisierung der von der Unternehmensleitung gesetzten persönlichen Ziele der Akteure erscheint. Auch der laxe Umgang mit Umweltrisiken wird umso wahrscheinlicher, je eher dies von den Anteilseignern, Kunden und sonstigen Interessengruppen toleriert, wenn nicht teils sogar aus ökonomischen Gründen begrüßt wird. Ob man diesem Problem nur mit Belohnung bei integrem Verhalten und mit Strafe bei dessen Gegenteil begegnen kann, ist fraglich. Denn generell gilt: integres Verhalten kann von Menschen im Unternehmen oder von Unternehmen als solchen nur erwartet werden, wenn der Vorteil aus derartigem Verhalten für die Beteiligten ebenfalls deutlich gemacht werden kann. So wünschenswert es wäre, Integrität als Selbstzweck zu betrachten; die nutzengeleiteten Grundkonstellationen im Unternehmen können nicht wegdiskutiert werden. Akzeptiert man diese jedoch und bindet sie in das persönliche Handlungskalkül ein, dann wird integres Verhalten in und von Unternehmen durchaus wahrscheinlich; zwar nicht als Selbstzweck, sondern nur wenn es sich lohnt, aber immerhin.
2.3 Opportunistischer Eigennutz: warum auch nicht?
Nutzen ist, was sich lohnt – für den Mitarbeiter aus seiner individuellen Perspektive und für das Unternehmen auf organisationaler Ebene, wobei auch letzteres aus individueller Perspektive betrachtet werden kann, denn »Nutzen für das Unternehmen« ist nichts weiter als eine Umschreibung für den individuellen Nutzen derjenigen, die in der Autokratie des Unternehmens oberste Verfügungsgewalt haben. Wenn man davon spricht, was sich lohnt, dann spricht man also prinzipiell von individuellen Nutzenvorstellungen.
Dennoch lebt ein Unternehmen natürlich maßgeblich von der Bereitschaft aller Mitarbeiter zu integrem und solidarisch-gemeinschaftlichem Handeln; von ihrer Bereitschaft also, eigene Interessen auch mal zugunsten Anderer zurück zu stellen. Wenn Kollegen oder Nachbarabteilungen sich beispielsweise mit der Bitte um Hilfestellung an eine Person als Fachexperten wenden, dann ist es aus Kollegialität normalerweise selbstverständlich, ihnen zu helfen, auch wenn die betreffende Person selbst daraus keinen Nutzen ziehen kann, sondern im Gegenteil Zeit opfert, die ihr bei der Erledigung ihrer eigenen Aufgaben fehlt.
Selbstverständlich ist diese Art altruistischer Unterstützung von Kollegen aber nur, wenn der Wunsch zu helfen Teil des Wertesystems der entsprechenden Person ist, wenn es also ihre Intention ist, hilfreich sein zu können. Andernfalls wäre es unlogisch, eigene Zeit für andere zu opfern.
Einzige Ausnahme von dieser Regel ist Hilfe für Kollegen, weil man sich selbst davon einen zukünftigen Vorteil verspricht. Dann hat die Hilfestellung allerdings einen kalkulierenden Hintergrund. Sie ist nicht mehr altruistisch, sondern auch wiederum eigennützig, weil sie dazu dient, die eigenen Wünsche und Ziele – in diesem Fall hilfreich sein zu wollen – zu realisieren. Für das Unternehmen ist solcher Art »kalkulierender Altruismus« sehr viel wertvoller, als »echter« Altruismus, weil er verlässlicher ist. Auf echten Altruismus der Mitarbeiter zu bauen, ist mit untragbaren Risiken verbunden. Kalkulierender Altruismus hingegen ist nichts anderes als Eigennutz, weil er dazu dient, vorhandene Verhaltensintentionen zu realisieren.
Es ist immer sinnvoll, Mitarbeitern einen Grund zu geben, sich so zu verhalten, wie es für eine funktionierende Zusammenarbeit im Unternehmen notwendig ist. Andererseits sind Mitarbeiter ihrerseits selbstverständlich auch ohne ständige Angebote des Unternehmens in der Pflicht, sich um die unternehmerischen Notwendigkeiten zu bemühen. Die Möglichkeit eingeräumt zu bekommen, seine persönlichen Ziele opportunistisch und eigennützig realisieren zu können, erfordert ein hohes Maß an Verantwortungs- und Leistungsbereitschaft, denn Verhaltensweisen, die dem Unternehmen schaden, sind oft weder unmittelbar sanktionierbar, noch in jedem Fall kontrollierbar.
Um das Risiko von Fehlverhalten zu reduzieren, ist es daher wichtig, das gewünschte Verhalten – wie beispielsweise die angesprochenen kollegialen Unterstützungsleistungen – als Teil der unternehmerischen Prozessabläufe zu offizialisieren und in die Zielvereinbarungen der entsprechenden Mitarbeiter aufzunehmen. Dann kann sich das Unternehmen tatsächlich auf die gewünschte Verhaltensweise seiner Mitarbeiter verlassen. Ziel sollte es sein, eine Organisation aufzubauen, in der sich die verschiedenen Teile der Organisation ihrer internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen bewusst sind und sich entlang dieser innerbetrieblichen Kundenstrukturen selbst steuern. Denn dann ist das Eigeninteresse aller Beteiligten als interne Kunden in den Kooperationsbeziehungen automatisch fest verankert und Führungskräfte müssen sich im operativen Tagesgeschäft kaum mehr einmischen.
Opportunistischer Eigennutz ist die eigentliche Triebfeder allen menschlichen Handels in privatwirtschaftlichen Unternehmen; in Organisationen also, in denen die Menschen nur zusammenkommen, um Ziele, die sie bereits vor Eintritt in die Organisationen deutlich und klar formuliert haben,