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Digitaler Faschismus. Holger MarcksЧитать онлайн книгу.

Digitaler Faschismus - Holger Marcks


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      © Duden 2020

      Bibliographisches Institut GmbH, Mecklenburgische Straße 53, 14197 Berlin

      Redaktion Dr. Ludger Ikas

      Herstellung Alfred Trinnes

      Layout Schimmelpenninck.Gestaltung, Berlin

      Satz L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde

      Umschlaggestaltung sauerhöfer design, Neustadt

      E-Book-Herstellung und Auslieferung readbox publishing GmbH, Dortmund, www.readbox.net

      ISBN 978-3-411-91322-0 (E-Book)

      ISBN 978-3-411 -74726-9 (Buch)

       www.duden.de

      Inhalt

      1 It’s a Match!

       Über die Liaison von Rechtsextremismus und sozialen Medien

      2 Das Comeback der Ultranationalen

       Ein Wegweiser zum digitalen Faschismus

       Das Netz, die Demokratie und die extreme Rechte

       Rechtsextreme Bedrohungsmythen im digitalen Kontext

      3 Das rechte Panikorchester

       Oder: Wie die sozialen Medien Ängste verstärken

       Die Technik des dramatischen Erzählens

       Die digitale Vermittlung von Angst

      4 Das rechte Spiel mit der Wahrheit

       Oder: Wie die sozialen Medien zur Verwirrung beitragen

       Die Technik des Gaslightings

       Die digitale Konjunktur von Bullshit

      5 Das Geschrei einer rechten Minderheit

       Oder: Wie die sozialen Medien den Volkswillen verzerren

       Die Technik der metrischen Manipulation

       Die digitale Metrik politischer Diskurse

      6 Das neue Hemd der Ultranationalen

       Wie sich digitaler Faschismus formiert

       Digitale Hasskulturen als Transmissionsriemen

       Die Führung des führerlosen Widerstands

      7 Das erneuerte Paradox der Toleranz

       Auswege aus dem digitalen Faschismus

       Die Grenzen der demokratischen Gegenrede

       Von der Selbstregulation zur politischen Regulation

      8 Dilemma ohne Ende?

       Ein Schlusswort mit Ausblick

      Postskriptum

      Anmerkungen

       Autorenvita

       Zum Buch

      1 It’s a Match!

      Es sei die »größte Propagandamaschine der Geschichte«, die da eine Handvoll Internetkonzerne mit den sozialen Medien in die Welt gesetzt hätten. Das behauptete der britische Komiker Sacha Baron Cohen Ende 2019 in einer Rede vor der Anti-Defamation League (ADL), einer US-amerikanischen Organisation, die sich gegen Antisemitismus engagiert.1 Diese Worte waren keineswegs spaßhaft gemeint, wie man es von den Auftritten Baron Cohens gewohnt ist. Vielmehr trat er vor der ADL als besorgter Zeitdiagnostiker auf, dessen Botschaften es in sich hatten. »Hätte es Facebook in den 1930er-Jahren gegeben«, so eine weitere Aussage, »hätte es Hitler für seine Lösung der Judenfrage werben lassen.« Das klingt nach einer steilen These, die man intuitiv als Übertreibung wahrnimmt, kommt sie doch aus dem Munde einer Person, die gerne solch überzeichnete Kunstfiguren wie Borat oder Brüno mimt. Hält man sich aber die – noch im Juni 2020 bekräftigte – Position von Facebook-Chef Mark Zuckerberg vor Augen, dass soziale Medien »nicht die Schiedsrichter der Wahrheit« seien, sich also aus dem politischen Wettstreit heraushalten sollten, dann kommt man nicht umhin festzustellen: Der Komiker hat recht. Denn nichts anderes bedeutet es, wenn die größte Interaktionsplattform aller Zeiten sich zu Problemen des politischen Wettstreits quasi prinzipienlos verhält: Dann dürfen eben auch die größten Manipulatoren ungehindert ihre Technologie zur Massenkommunikation nutzen.

      Vor wenigen Jahren hätte Baron Cohens viel beachtete Rede sicherlich noch als böse Polemik gegolten. Heute aber trifft sie den Nerv eines Unbehagens, das viele Demokraten teilen. Denn während das Internet noch in den 1990er-Jahren als Instrument zur Erweiterung der Meinungsfreiheit empfunden wurde, gilt es heute als Hort von Hass und Hetze, der offene Gesellschaften auf eine Belastungsprobe stellt. An vorderster Linie mit dabei: rechtsextreme Einpeitscher. Sie machen besonders eifrig Gebrauch von der Freiheit, die sich durch die Nichteinmischung eines Zuckerbergs bietet, und preschen mit unlauteren Mitteln voran, um ihre krumme Version der Wahrheit im politischen Wettstreit durchzusetzen. Zwar nutzen rechtsextreme Akteure digitale Technologien schon, seit es diese gibt, doch blieb die Wirkung ihrer Online-Handlungen lange überschaubar. Erst mit der Verbreitung der sozialen Medien, die ganz neue Interaktionselemente boten – kombiniert mit der Möglichkeit der Massenkommunikation –, konnten sie in eine neue Phase erfolgreicher Mobilisierung eintreten. Dabei nutzen sie die erweiterte Meinungsfreiheit nicht nur, um ihre illiberalen Ansichten zu streuen, sondern auch, um sich besser zu koordinieren. Inzwischen lässt sich immer klarer sehen, dass die sozialen Medien einen Resonanz- und Vernetzungsraum darstellen, von dem die extreme Rechte in besonderem Maße profitiert. Und immer stärker regt sich sogar der Verdacht, dass sie den Rechtsextremismus erst so richtig in Fahrt bringen.

      Tatsächlich eilte die extreme Rechte im vergangenen Jahrzehnt von Erfolg zu Erfolg. Nicht nur hierzulande. In vielen Ländern hat sie bei regionalen und nationalen Wahlen deutlich zugelegt. In manchen – wie Ungarn, Brasilien und Italien – spielt sie sogar eine machtpolitische Rolle. Auch haben rechtsextreme Gewalttaten vielerorts stark zugenommen, sodass manche Konfliktforscher sogar schon von einer »neuen Welle des Rechtsterrorismus« sprechen.2 Die Gefahr, die für die Demokratie in Deutschland von rechts ausgeht, hat spätestens mit den Anschlägen von Halle und Hanau auch offiziell den Islamismus als »größte Bedrohung in unserem Land« abgelöst, wie Innenminister Horst Seehofer Anfang 2020 verlauten ließ.3 Das zeigt sich auch in einer wachsenden Zahl von Studien, Büchern und Forschungsprojekten, die sich mit rechter Radikalisierung und Gewalt befassen. Gleichzeitig haben auch die zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Rechtsextremismus zugenommen, so wie auch die Sicherheitsbehörden in diesem Bereich aufrüsten. Und stets dabei im Brennpunkt: das Internet und die sozialen Medien. Diese sind so nicht nur zu einem politischen Kampffeld geworden, in das Demokraten »digitale Bürgerrechtler« und Verfassungsschützer »virtuelle Agenten« entsenden,


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