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Staat(sordnung), Entwicklung und Demokratie. Andreas KislingerЧитать онлайн книгу.

Staat(sordnung), Entwicklung und Demokratie - Andreas Kislinger


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fast beliebige Einheit. BÜHL (1970, S. 178f) sieht den Nationalstaat nicht als ethnische oder durch die gleiche Kultur oder Sprache gekennzeichnete Abstammungseinheit, das Volkstum ist dabei ein nachträglich zugeordnetes und zuerkanntes Konstrukt:

      "[D]ie Nation [ist] weder als ethnische Einheit, als eine durch die gleiche Rasse, die gleiche Sprache oder die gleiche Kultur [oder Religion] gekennzeichnete Abstammungsgemeinschaft(*), noch als...[volkstümliche]...Einheit...zu verstehen."

      Die Definition von Bühl ist ausschließend, negativ und schafft Raum für Kriterien, die positiv definierbar sind. Der Begriffsinhalt von `Nation' wird (auch umgangssprachlich betrachtet) sehr wohl mit einem Volk gleichgesetzt, das durch gleiche Abstammung, gleiche Sprache und gleiche Wurzeln gekennzeichnet ist. Das zeigt, dass die negative Definition darauf verweist, dass die positiven Kriterien zumindest auf einer Nicht-Ausschließlichkeit, das heißt, nur 'unter anderem' auf den oben genannten Variablen beruhen.

      Zum Teil übereinstimmend mit letzterem Zitat definiert auch WIKIPEDIA ('Nationalstaat') den Nationalstaat als Konstrukt, deren Einzelelemente in keinem Staat vollständig verwirklicht sind, und damit nicht sinnvollerweise als in sich schlüssig-geschlossene Voraussetzung für den Staat herangezogen werden können:

      "Ein Nationalstaat(*) ist ein Staatsmodell,... das auf der Idee und Souveränität der Nation beruht. Sprachliche, kulturelle oder ethnische Homogenität wurden zwar im Diskurs um die Nation oft als Voraussetzung des Nationalstaates benannt, sind aber in der Realität nirgends vollständig verwirklicht. Die Ideen der Nation und des Nationalstaats werden auch als Konstrukte bezeichnet."

      Eine integrierende Definition könnte und müsste somit davon ausgehen, dass die Zusammensetzung des Nationalstaates im Zufall der Geschichtlichkeit sozialer, territorialer Prozesse begründet liegt, dessen Beschaffenheit also hauptsächlich geschichtlich zu erklären und zu begreifen ist.

      Das Ergebnis der Geschichte sind für bestimmte geografische Bevölkerungsverteilungen charakteristische Merkmalskonstellationen: Eine Nation ist durch die Bündelung der Abstammungsgemeinschaft, Sprache und Kultur mehrerer miteinander auf jeweils charakteristische Weise verknüpfter Volksgruppen gekennzeichnet. Die Nation ist also nicht im Singular, sondern im Plural als Zusammenstellung mehrerer Großgruppen zu definieren, Bühls erstes Zitat (1970 S. 178f) befördert ein Plädoyer gegen eine grobe Vereinfachung von Nation(alstaat).

      Der historische Werdegang des territorialen Staatswesens zeigt bei vielen heutigen Staaten, dass die räumliche Ausdehnung sich in einem permanenten Wandel aufgrund kriegerisch ausgetragener Herrschaftsprozesse befand und wieder befinden wird können, die sich zwischen den umliegenden Staatsverbänden und dem jeweils betrachteten Staat und dessen Aufkommen territorial sich äußernder Macht- und Geltungsansprüche zeigen.

      Der rechtliche Aspekt, der für die Bildung von Nationen zentral ist, betrifft das und bezieht sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, als ein wichtiges Grundrecht des Völkerrechts und im Völkerrecht.

      WIKIPEDIA definiert das im weiteren Verlauf auf nationale Grenzen bezogene Selbstbestimmungsrecht (`Selbstbestimmungsrecht der Völker'), das die Vorrechte von Herrscherdynastien aufbrechen und zugunsten einer durch Krieg und Revolution errungenen Volkssouveränität überwinden konnte:

      "Im späten 18. Jahrhundert wurde das Selbstbestimmungsrecht der Völker als 'Volkssouveränität' formuliert und errang in der Französischen Revolution und im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg den Sieg über das bis dahin als gültig anerkannte dynastische Prinzip."

      Die politische Definition von 'Volk' grenzt sich dabei nationsbezogen 'vertikal' gegenüber den Herrschaftseliten ab, nicht aber gegenüber anderen Volksgruppen (s.o.):

      "'Volk' ist im Zusammenhang der bürgerlichen Revolutionen als politische Kategorie zu verstehen, die sich in 'vertikaler', das heißt zu den klassischen Herrschaftseliten (Adel, König), nicht aber in 'horizontaler' (im Gegensatz zu anderen ethnischen Volksgruppen) Abgrenzung manifestiert. In diesem Zusammenhang finden wir hier bereits den entscheidenden Unterschied zwischen einer ethnischen und einer politischen Definition des Begriffs 'Nation'(*)."

      BÜHL (1970, S. 178f) beschreibt unterschiedliche gesellschaftliche und politische Entwicklungsphasen und -formen des Staates:

      "Im Hinblick auf die Schichtung bleibt dieser Wandel...im Fortschritt von der Adelsnation(*) zur bürgerlichen Mittelschicht-Nation(*), zur demokratischen und sozialistisch-proletarischen Nation(*) bestehen; im Hinblick auf die Erweiterung des Territoriums bzw. auf die zunehmende Loslösung vom Territorialprinzip stellt er sich als ein Übergang von der Stammes- zur Dorfgemeinschaft und Feudalgesellschaft, vom Stadtstaat zum Nationalstaat und zum übernationalen politischen Verband dar."

      Diese oben ausgeführte Logik von (Staats-)Entwicklung geht von kleinen organisationalen Strukturen und Einheiten aus und, unter Loslösung vom territorialen Prinzip, zu immer größer werdenden, übernationalen Vernetzungen.

      Einer Nation kommt in diesem Schema eine mittlere Dimension zu, die soziale und politische Schichten und Klassen zu einer größeren geografisch-territorialen Einheit verbindet, die kleinere Regionen und Subeinheiten beinhaltet.

      HARTMANN (2011, S. 13) bezieht sich auf den Staatsrechtler JELLINEK (1914), wenn er die Qualität des politischen Staatsgebildes nach drei Kriterien bemisst, was sich als 'drei Elementen Lehre' in der Staatslehre und in der politischen Theorie konstitutiert und durchgesetzt hat:

       Bestimmung des Staatsgebietes,

       Bestimmung des Staatsvolkes und

       die Effektivität der Staatsgewalt.

      Gemäß dem letzten Kriterium geht es um die Durchsetzung(sfähigkeit) der für das Staatsvolk und -gebiet geltenden Rechtsnormen (HARTMANN 2011, S. 13), die die Regierungsspitze und den Staat permanent am Leben halten und mit neuen Gesetzen zu deren Durchsetzung verhilft.

      Der Gegenstand des Staatsorganisationsrechtes umfasst die innere Differenzierung des Staates und den von seinem Organisationsprozess der politischen Willensbildung umrissenen Organisationsprinzip (s.o. S. 14).

      Wie sich Territorial- bzw. Nationalstaaten zusammensetzen und wie sie sich mit nationalstaatlicher Willensbildung, Herausbildung des Gewaltmonopols und anderen Faktoren zu einem staatlichen Gebilde hochzüchten und -stilisieren, ist die Frage, die in diesem Kapitel im Zentrum steht.

      Dabei wird zumeist implizit von der These ausgegangen, dass das jeweilige Staatsgebilde eine erstrebenswerte hochentwickelte Organisationsform sei, nämlich eine Rechts- und Gesellschaftsform und eine bestimmte Form der Anordnung und Konstellation des Sozialen, das ein attraktives staatliches Organisations- und (Über-)Lebensmodell darstellt.

      Und viel seltener wird dabei der Betrachtungsstandpunkt eingenommen, der den staatlichen Werdungsprozess in einer Weise thematisiert, die die Aspekte und Impulse von Unterdrückung und psychologisch ständig wirksamer Abspaltung als Voraussetzung für eine Staatsbildung und -aufrechterhaltung im Mittelpunkt stehen lässt und abbildet.

      Die Verwandtschaftsverbände, die bereits als konstituierend für transnationale Klassen im Mittelalter thematisiert wurden, sieht MANN (1998, S. 48) ausschließlich als nach innen gerichtete Klasse mit vornehmlich nationaler Ausrichtung: Hier treten Klassen bezüglich der Identität des Staates miteinander in Konkurrenz:

      "Klassen können sich in innere Kämpfe um die Identität der Nation verstricken, ihr Nationalgefühl bleibt nach innen gerichtet – für internationale Angelegenheiten sind sie und fühlen sie sich nicht zuständig."

      Da das innerpolitische Kräftemessen der Klassen um die


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