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Ndura. Sohn Des Urwalds. Javier Salazar CalleЧитать онлайн книгу.

Ndura. Sohn Des Urwalds - Javier Salazar Calle


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      WIE DIESE ERSTAUNLICHE GESCHICHTE BEGANN

       Ich sah auf die Uhr. Unser Rückflug nach Spanien ging in zwei Stunden. Alex, Juan und ich waren schon im duty-free-Bereich des Flughafens von Windhoek. Wir hauten das letzte Geld in Landeswährung auf den Kopf und kauften bei der Gelegenheit die letzten Geschenke, die man sich immer bis zum Schluss aufsparte. Wir hatten schon etwas gegessen und nun blieb uns nur noch der Einkaufsbummel. Für meinen Vater kaufte ich ein Taschenmesser mit einem Holzgriff, der in Form des Landesnamens Namibia geschnitzt war, und für alle anderen besorgte ich verschiedene kunstvoll geschnitzten Tierfiguren aus Holz. Für meine Freundin Elena hatte ich eine wunderschöne Giraffe, die in einem typischen Dorf der afrikanischen Savanne handgeschnitzte worden war, ausgesucht. Alex kaufte sich ein Blasrohr und viele Pfeile. Er wollte damit auf die Dartscheibe schießen, um das Spiel zu variieren und ihm dadurch einen, sagen wir mal, volkstümlicheren Anstrich zu geben. Eine Stunde lang schlenderten wir hierhin und dorthin, den Rucksack auf der Schulter und genossen die letzten Momente in diesem Land, das sich für uns als so exotisch herausgestellt hatte. Bis man uns zum Boarding aufrief. Da wir unser Gepäck schon aufgegeben hatten, gingen wir direkt zum entsprechenden Gate und saßen schnell auf unseren Plätzen in einer alten viermotorigen Propellermaschine, nicht ohne vorher noch ein paar Fotos davon gemacht zu haben. Unsere vierzehntägige Safari im Geländewagen durch die raue afrikanische Savanne ging ihrem Ende zu und obwohl uns dieses Land fehlen würde, freuten wir uns schon auf eine warme Dusche und ein anständiges Essen nach spanischer Art. Tatsächlich war es Schade zum jetzigen Zeitpunkt abzureisen, denn man hatte uns gesagt, dass es in einigen Tagen eine der beeindruckendsten Sonnenfinsternisse der letzten Jahrzehnte geben würde und dass man sie in dem Teil Afrikas, in dem wir uns befanden, am deutlichsten sehen könnte.

       Ich war der draufgängerischste und abenteuerlustigste von uns dreien und am Ende hatte ich sie soweit eingewickelt, dass sie bereit waren mit mir hierherzukommen, es ist eine Sache den Geist eines Abenteurers zu haben und eine andere, allein zu reisen. Anfangs widerstrebte es ihnen, ihre Pläne für einen entspannten Urlaub in Norditalien gegen eine offensichtlich unbequeme Fotosafari einzutauschen, an einem Ort mit ganztägigen Temperaturen über 40°C und ohne Schatten, in den man flüchten konnte. Nach dem sie diese Erfahrung gemacht hatten, bereuten sie es überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, sie würden es, ohne nachzudenken wiederholen. Die Maschine würde uns mehr als tausend Kilometer nach Norden bringen bis zum nächsten internationalen Flughafen, wo wir Anschluss an die modernen und bequemen europäischen Fluglinien hätten, um nach Hause zurückzukehren.

       Nach dem Start des Flugzeugs sahen wir uns auf Alex Digitalkamera die Fotos von der Reise an. Da war ein urkomisches Foto von Alex und Juan, die entsetzt vor einem schlecht gelaunten Gnu wegrannten, das sie auf die Hörner nehmen wollte. Während sie sich die Fotos zu Ende ansahen, lachten und in Erinnerungen schwelgten, schaute ich in Gedanken versunken aus dem Fenster und sah den Wolken zu, die an uns vorbeizogen. Ich genoss es, mit meinen beiden besten Freunden, die ich seit unserer Schulzeit kannte, von diesem wunderbaren Abenteuer in einem unglaublichen Land nach Hause zurückzukommen. Es war, als wären wir in einer dieser Nation Geographic Reportagen gewesen, die ich mir so gerne beim Essen im Fernsehen ansah. Eine Safari im Geländewagen inmitten der wilden afrikanischen Savanne, auf den Spuren der großen Gnuwanderungen, bei der wir Elefantenherden fotografiert oder beeindruckende Löwen in wenigen Metern Entfernung gesehen hatten. Wir hatten kämpfende Nilpferde gesehen, lauernde Krokodile auf der Suche nach Beute, nach Aas gierende Hyänen, Geier, die über irgendeinem Kadaver kreisten, einige fremdartige Reptilien, alle möglichen Arten von Insekten. Wir hatten in Zelten inmitten des Nirgendwo übernachtet, im Schein des Lagerfeuers unter einem klaren sternenübersäten Himmel zu Abend gegessen… eine wunderbare Erfahrung. Vor allen Dingen der Blick auf den Etosha Nationalpark.

       Im Gegensatz zu dem, was wir bisher gesehen hatten, befand sich unter uns ein einziger riesiger grüner Fleck, wir überquerten gerade die äquatorialen Gebiete. Der Urwald bedeckte alles. Ein endloses üppiges grünes Blattwerk. Etwas in der Art würde unser nächstes Reiseziel sein, eine Bootsreise den Amazonas hinauf mit Aufenthalten, um die vielfältigen Lebensformen der Gegend zu genießen. Wir hatten bereits die Weite der baumlosen Savanne gesehen und jetzt wollte ich das überwältigende Meer aus Bäumen mit seiner unglaublichen Vielfalt an Leben sehen. Sich mit Machetenhieben einen Weg durch den fast unpassierbaren Urwald bahnen, lernen, wie man Nahrung findet, von der Zivilisation vergessene Urvölker treffen, exotische Tiere und Pflanzen sehen… Na gut, das wäre erst im nächsten Jahr, wenn ich es wieder schaffen sollte, meine Freunde zu überzeugen, und wenn nicht, dann wäre Norditalien auch gar nicht schlecht.

       Ein lautes Geräusch, wie eine Explosion, gefolgt von einer heftigen Bewegung des Flugzeugs holte mich aus meinen Träumereien. Die Maschine begann Bocksprünge in der Luft zu machen und plötzlich hatte ich den Eindruck, ich befände mich in einer Achterbahn. Ich fiel mitten im Gang auf den Boden, über eine Frau. Ich stand so gut es ging auf, versuchte nicht wieder zu stürzen und kehrte zu meinem Platz zurück. Von allen Seiten erklangen Panikschreie. Es herrschte ein totales Durcheinander.

      “Feuer, Feuer, sie haben die Tragfläche getroffen!“, rief jemand auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges.

      „Auf der rechten Seite!“, ein anderer Passagier deutete in die Richtung.

       Zuerst wusste ich nicht, was er meinte, aber als ich aus dem Fenster an der rechten Seite sah, konnte ich eine dichte Rauchwolke sehen, die den Himmel verdunkelte als wäre es Nacht, eine tragische Nacht. Das Flugzeug hüpfte immer heftiger. Einige Passagiere begannen zu schreien. Aus dem Lautsprecher erklang die nervöse und kaum verständliche Stimme des Piloten, der uns mitteilte, dass wir eine Notlandung machen würden, weil wir von einer Boden-Luft-Rakete einer kongolesischen Miliz getroffen worden seien, deren Gebiet wir gerade überflogen. Eine Frau bekam einen hysterischen Anfall und man musste sie zwischen zwei Flugbegleiterinnen und einem Mann, der seine Hilfe anbot, setzen und sie festschnallen. Wir drei setzten uns schnell hin, legten die Sicherheitsgurte an und nahmen die Position ein, die uns die Flugbegleiterin beim Einsteigen gezeigt hatte, den Kopf auf den Knien mit Blick auf den wenig beruhigenden Metallboden. Wir hatten Todesangst. Während ich in dieser unbequemen Position verharrte, erinnerte ich mich, dass sie in den Nachrichten von diesen Rebellen berichtet hatten. Sie finanzierten sich durch die Kontrolle einiger Diamanten- oder Coltan-Minen des Kongo. Coltan, ein wertvolles Roherz, das ein für die Fertigung von Handy-Platinen, Microchips oder Bauelemente für Kernkraftwerke unerlässliches Metall enthält. Es handelte sich um eine Art blutigen Bürgerkrieg, in dem alle umliegenden Länder wirtschaftliche und militärische Interessen hatten, der schon mehr als zwanzig Jahre andauerte und der nie zu enden schien.

       Das Gerüttel war so heftig, dass ich immer wieder mit solcher Wucht nach vorne geschleudert wurde, dass der Sicherheitsgurt mir den Magen quetschte, so dass mir die Luft wegblieb und mein Kopf gegen den Sitz vor mir schlug. Ich bemerkte, wie sich die Nase des Flugzeugs nach unten neigte und ein schwindelerregender Sinkflug begann. Der Lärm war ohrenbetäubend, wie von tausend Motoren, die alle gleichzeitig mit voller Kraft arbeiteten. Kurz bevor wir den Boden erreichten, machte der Pilot eine letzte Lautsprecherdurchsage, er würde eine Notlandung auf einer Lichtung, die er entdeckt hatte, versuchen. Wir würden alle beim Aufprall sterben, war das Letzte, was ich dachte. Danach herrschte völlige Verwirrung, laute Geräusche, Stöße, Dunkelheit…

       Als ich wieder zu Bewusstsein, kam hatte ich fürchterliche Kopfschmerzen. Ich hob die Hand an die Stirn und stellte fest, dass sie blutete. Außerdem hatte ich am ganzen Körper Prellungen und Kratzer und vor allen Dingen eine große Schürfwunde und sehr geröteter Haut, dort, wo mich der Sicherheitsgurt zurückgehalten hatte. Ich fuhr mit den Fingern darüber und spürte ein heftiges Brennen, so dass ich die Zähne fest zusammenbeißen musste. Ich sah zu meinen Freunden. Juan schien unter Schock zu stehen, er stieß so etwas wie ein klagendes Wimmern aus und bewegte sich ein bisschen. Alex, … Alex bewegte sich kein bisschen, sein Gesicht, das sonst immer so fröhlich und voller Leben war, war kalkweiß, der Gesichtsausdruck starr, das Blut lief ihm in Strömen vom Nacken. Voller Verzweiflung rief ich seinen Namen, wieder und wieder. Ich berührte sein Gesicht, es


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