Moonlight Romance Staffel 3 – Romantic Thriller. Scarlet WilsonЧитать онлайн книгу.
Als Kelly die Strandbude sah, blieb sie stehen.
War es nicht verrückt, zu einem Mann zu laufen, der keine drei Worte sprach, der mürrisch war?
Es war eine verrückte Idee gewesen, als ihr das bewusst wurde, machte sie eine Kehrtwendung, lief ein paar Schritte zurück.
Das war es auch nicht.
Rosalind hatte keine Zeit. Sie konnte sie jetzt unmöglich mit der Neuigkeit behelligen, dass sie diesen Grabstein am Strand gefunden hatte.
Es wurden ganz andere Sachen angeschwemmt.
Rosalind hatte ihr von großen Wrackteilen eines Schiffes erzählt, das ganz woanders untergegangen war. Und das hatte sie ziemlich leidenschaftslos erzählt, eigentlich nur, um zu demonstrieren, was alles möglich war.
Vielleicht würde sie der Tatsache dieser Übereinstimmungen überhaupt keine Bedeutung beimessen und es als etwas nicht Außergewöhnliches registrieren, während sie selbst sich direkt damit identifizierte.
Als ihr das bewusst wurde, und sie sich fragen musste, ob sie da jetzt nicht überreagierte, konnte sie nicht weiterlaufen, also erneut eine Kehrtwendung, wieder zurück in Richtung Blackham Market, Richtung Strandbude.
Weil das Wetter so schön war, hatten sich ein paar Touristen eingefunden, die draußen auf der Terrasse saßen und, obwohl es noch so früh war, Bier tranken und dabei gut gelaunt waren. Ob wegen des Biers oder einfach nur, weil sie Urlaub hatten, konnte Kelly nicht sagen, und es interessierte sie, ehrlich gesagt, auch nicht.
Sie freute sich für Jonathan, der gewiss jeden Umsatz brauchen konnte, um für den Winter, in dem der Strand öde und verlassen war, vorzusorgen.
Sie grüßte freundlich, lehnte den ihr spontan angebotenen Platz ab und ging in die Strandbude hinein.
Jonathan hantierte an seinem Grill herum, es konnte durchaus sein, dass die Gäste jetzt schon etwas von dem köstlichem gegrilltem Lachs essen wollten, den er im Angebot hatte und für dessen delikate Zubereitung er bekannt war.
Als er Kelly erblickte, kam er um die Theke herum, nachdem er vorher nach einer Flasche gegriffen und etwas in ein Glas geschüttet hatte.
Kelly saß, wie immer, an ihrem Stammplatz am Panoramafenster, doch diesmal sah sie nicht hinaus, sondern ihm entgegen, weil sie sich fragte, ob sie ihm wirklich erzählen sollte, was sie gesehen hatte.
Jonathan blieb vor ihrem Tisch stehen, stellte das Glas vor sie hin, mit den Worten: »Das brauchen Sie jetzt.«
»Was ist das?«, wollte sie wissen, und er antwortete, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt: »Whisky.«
Whisky? Es war nicht so, dass sie den niemals trank. Aber morgens? Das war noch niemals vorgekommen.
Er bemerkte ihren irritierten Gesichtsausdruck. »Trinken Sie«, wiederholte er seine Aufforderung, »es ist etwas geschehen, was Sie aus der Bahn gebracht hat. Aber es war unausweichlich. Seinem Schicksal entgeht man nicht, und wenn Sie …«
Er brach seinen Satz ab, weil die fröhliche Runde von der Terrasse mehr Bier haben wollte, und einer von ihnen wollte wissen, wann man denn wohl mit dem Lachs rechnen könne.
Geschäft war Geschäft.
Jonathan trollte sich, und Kelly blickte ihm vollkommen perplex hinterher.
Was war das jetzt gewesen? War er ein Hellseher? Er konnte doch unmöglich von dem Grabstein wissen, und sie hatte sich, ehe sie die Strandbude betreten hatte, zusammengerissen und vollkommen unter Kontrolle gehabt.
Äußerlich gesehen war alles gewesen wie immer. Was meinte er mit unausweichlich? Woher wusste er, dass etwas sie aus der Bahn gebracht hatte, was ja auch stimmte. Und dann seine Worte seinem Schicksal entgeht man nicht … Das alles war ziemlich mysteriös.
Kelly ärgerte sich. Meistens war sie der einzige Gast, wenn sie morgens hierher kam. Warum, zum Teufel, musste ausgerechnet heute diese trinkfreudige Gesellschaft hier herumsitzen, warum ausgerechnet hier und ausgerechnet jetzt?
Sie starrte auf das Glas, aus dem der Whisky honigfarben funkelte.
Sollte sein? Nein. Wenn sie jetzt von diesem Whisky trank, würde sie vermutlich den Rest des Tages knicken können. Kelly war hin- und hergerissen. Ja? Nein? Ach, was sollte es.
Jonathan musste sich etwas dabei gedacht haben, ihr den Whisky auf den Tisch zu stellen.
Sie hatte kein Programm für den Verlauf des Tages gemacht, und durch den Fund des alten Grabsteins an einem höchst ungewöhnlichem Ort dafür, war sie ganz schön durch den Wind, und Jonathans Worte hatten ihre Verfassung auch nicht verbessert, ganz im Gegenteil.
Kelly griff nach dem Glas, trank einen kleinen Schluck. Der Whisky brannte in ihrer Kehle, doch danach breitete sich wohlige Wärme in ihr aus, sie spürte, wie sie sich entspannte. Sie nippte ein zweites Mal, dann schob sie das Glas von sich weg, beobachtete den alten, hageren Mann, wie er in aller Ruhe eine weitere Runde des dunklen Starkbiers nach draußen brachte, diesmal in größeren Gläsern. Danach nahm er den Lachs vom Grill, der nicht nur köstlich aussah, sondern auch so gut roch, dass einem das Wasser im Munde zusammenlaufen konnte.
Er brachte den Lachs ebenfalls hinaus, was mit einem lauten Hallo begrüßt wurde. Es war eine höchst merkwürdige Situation, zumindest empfand Kelly das so. Dort die fröhlichen Menschen, und sie hier drinnen mit ihren aufgescheuchten Gedanken.
Sie bekam mit, wie Jonathan mit sehr autoritärer Stimme sagte, dass er erst einmal nicht gestört werden wollte und er wieder hinauskäme, wenn es weitergehen könne.
Dann wandte er sich ab, schloss die Tür hinter sich, kam an Kellys Tisch, setzte sich.
Kelly hatte auf einmal das Gefühl, dass es richtig gewesen war, hierher zu kommen. Und das lag nicht an den vorher von ihm gemachten Äußerungen.
Zwischen ihnen war auf einmal eine unglaubliche Vertrautheit, die es auch vorher schon gegeben haben mochte, ihr nur nicht bewusst gewesen war.
Er blickte sie lange an. Es war kein unbehagliches Schweigen.
»Ich habe es geträumt, dass etwas geschehen würde, etwas, was Ihr Leben grundlegend verändert. Genauso, wie ich wusste, dass Ihr Weg hierhin führen musste, als ich Sie zum ersten Male sah.«
Das musste Kelly erst einmal verdauen, und jetzt wünschte sie sich, sie hätte Rosalind ausfragen sollen, nachdem die ein paar vage Andeutungen über Jonathan gemacht hatte.
Wer war er? Besaß er übersinnliche Fähigkeiten, oder deutete sie etwas in ihn hinein, weil sie es so haben wollte, nachdem das mit dem altem Grabstein geschehen war?
Das konnte sie nur herausfinden, indem sie seine Worte hinterfragte, auch wenn ihr ein wenig unbehaglich dabei war.
Er blickte sie wieder lange an, dann sagte er: »Ich bin kein Hellseher, sondern ein intuitiver Mensch, und ich träume, wenn ich einer verwandten Seele begegne …, wir zwei … Sie und ich …, wir kennen uns schon sehr lange …, aus einem früheren Leben …, nun ist es an der Zeit …«
Er brach seinen Satz ab, seine Gedanken waren ganz weit weg. Kelly wagte kaum zu atmen.
Wäre das mit dem Grabstein nicht passiert, würde sie das, was er gesagt hatte, als spinnert abtun. Doch so einfach war es nicht.
Er hatte ihr noch keine Frage gestellt, hatte noch nichts Konkretes gesagt.
Sie hatte auf einmal das Bedürfnis, ihm zu erzählen, was ihr widerfahren war. Hatte er ihr eigentlich zugehört? Seine Haltung war unverändert, sein Blick verlor sich noch immer im Nirgendwo.
Umso überraschter war Kelly, als er sagte: »Vor einigen Jahren gab es hier in der Gegend eine schreckliche Sturmflut, die alles, was unterhalb der Klippen lag, mit sich riss, Dörfer, Anwesen. Auch der alte Friedhof von Dorsey wurde samt Kapelle niedergewalzt. Es ist nichts übrig geblieben. Der Grabstein muss ein Überbleibsel jener Katastrophe sein.«
Das