Mein Herz ist aus Stein. Michaela LindingerЧитать онлайн книгу.
infiziert war und der kaiserlichen Freundin beim Dampfen Gesellschaft leisten sollte. Der Plan wurde nicht realisiert, denn Franz Joseph blieb stur und äußerte sich sehr missbilligend über die »zwei Badekabinen, (…) in welchen Ihr geröstet oder abgebrannt werden sollt«.
Die Elektrizität in der Villa erlebte Elisabeth nicht mehr. Sie hielt erst 1911 Einzug in Franz Josephs Räumen. Zumindest die Straße zur Hermesvilla war eine der ersten in Wien, die elektrisch beleuchtet war. Die Terrassen erstrahlten nach Einbruch der Dunkelheit im Licht von 120 Lampen – doch in den Schlafzimmern des Herrscherpaares gab es keine Luster, einerseits um die Gemälde nicht zu beeinträchtigen, aber auch aus Sparsamkeit. Die Beheizung des zweigeschoßigen Baues erfolgte über Kohle- und Holzöfen und einen zentralen Heizkessel im Keller, welcher heute noch besichtigt werden kann und in seiner Funktionsweise antiken Fußbodenheizungen nicht unähnlich ist. Die Hermesvilla verfügte über eine der ersten Zentralheizungen in Wien.
»Und jeder Mai hat uns vereint«
Die Gegend war gut geeignet für exzessiv ausgedehnte Spaziermärsche, wie Elisabeth sie liebte. Auch der Park, der die Hermesvilla umgibt, wurde so angelegt und gestaltet, wie es jenen Vorstellungen entsprach, die der Bauherr von seiner Frau hatte. Südländische Nadelhölzer wie Zerreichen und Zedern dominieren hier, sie wurden aus mediterranen Zonen importiert und rund um das Gebäude angepflanzt, der Übergang in die Wienerwald-Landschaft ist fließend gestaltet. Elisabeth hätte vermutlich die einheimischen Baumarten belassen. Sie schätzte die Vegetation des Mittelmeerraums, doch eben an Ort und Stelle.
Wohl kann die Hermesvilla als eine Art »Reservat« aufgefasst werden. Sie spiegelt das gestörte persönliche Verhältnis zwischen dem Herrscherpaar wider und ist eine ritterliche Huldigung in architektonischer Form, eine Hommage, welche die Wahrung eines Respektabstands geradezu herausfordert. Das Haus, das dem Typus der Villa Suburbana folgt und zwei Millionen Gulden gekostet hatte, gehörte der Kaiserin. Franz Joseph kam nur zu Besuch.
Am 24. Mai 1886 besichtigten Gastgeberin und Gast erstmals zusammen die soeben fertiggestellte Villa. Elisabeth zeigte sich reserviert. Später, als die Gicht ihr immer stärkere Schmerzen bereitete, klagte sie wiederholt über Kälte und Feuchtigkeit im Haus. Kaiser Franz Joseph reagierte, wie so oft, betreten und sah sich in seiner guten Absicht enttäuscht. »Ich werde mich immer fürchten, alles zu verderben«, klagte er. Keinesfalls dachte Elisabeth daran, die Hermesvilla als Altersheim zu verwenden. Erst im nächsten Mai, 1887, kehrte sie wieder und nahm gemeinsam mit der 19-jährigen Valerie für einige Wochen Wohnung in Lainz. Sie (Titania) wurde schon von Franz Joseph (Oberon) erwartet:
Oberon steht am Portale;
Und wie er nun nach der langen
Trennung freundlichst sie empfangen
Schreiten sie zum Marmorsaale.
Damit war der große zentrale Raum im Erdgeschoß, die Sala Terrena, gemeint, in dem Familiendiners eingenommen wurden. Die Dekorationen der Wände und der Decke bestehen aus Marmor und Scagliola (gipsgebundener Kunstmarmor, »Stuckmarmor«), das Mittelfeld des Plafonds stammt von Viktor Tilgner: Es zeigt Aurora, die Göttin der Morgenröte. Sie schwebt vor dem Wagen des Sommers durch die Lüfte. Derselbe Künstler schuf auch den figuralen Schmuck der als Rocaille-Grotten gestalteten Wandbrunnen, die dem Einkühlen der Getränke dienten:
14 Der Speisesaal der Hermesvilla mit einer »Rocaillegrotte« zum Kühlen der Getränke. Früher sprudelte kaltes Wasser aus den Fontänen.
Frisch und klar in jeder Ecke
Plätschern kühlende Fontänen,
Die ihr Silberlicht entlehnen
Von den Lüstern an der Decke (…)
Zwischen Silber im Krystalle
Duften Blumen auf dem Tische;
Kaltes Wildpret, Meeresfische,
Steh’n bereit zum Abendmahle.
In diesem repräsentativen Raum mit Blick zur Hermesstatue im Garten fand am 28. August 1896 ein zu Ehren des russischen Zarenpaares Nikolaus II. und seiner deutschen Frau Alexandra Fjodorowna (Alix von Hessen-Darmstadt) veranstaltetes Diner statt. Ausnahmsweise kam Elisabeth damit einer jener gesellschaftlichen Verpflichtungen nach, denen sie ansonsten aus dem Weg ging. Sie konnte als Gastgeberin durchaus überzeugen, wie Franz Joseph befriedigt an Kathi Schratt berichtete: »Der russische Besuch ist sehr gut abgelaufen, die Majestäten waren gut aufgelegt (…) besonders beim Blumengeschmückten, sehr gemüthlichen Familien Diner in Lainz.«
Verließ die Kaiserin den heute »Tilgner-Saal« genannten Speiseraum und begab sich in Richtung ihres Wohntrakts im ersten Stock, so passierte sie im Stiegenhaus ihre Lieblingsskultpur von Ernst Herter, den »Sterbenden Achilles«, »an einer sehr schönen Stelle ziemlich gut beleuchtet«, wie der Bildhauer seiner Frau in einem Brief mitteilte. »Überragend ist es, wenn man an ihm vorbei die Treppe hinauf geht und ihn dann plötzlich in einem ihm gegenüber sehr geschickt angebrachten Spiegel wieder sieht«, stellte Herter begeistert fest. Elisabeth hatte von ihrem Großcousin Ludwig II. gelernt. Als Innenausstatter war der »Märchenkönig« konkurrenzlos und wusste genau, wie Licht, Spiegel und andere »hollywoodreife« Utensilien effektvoll eingesetzt werden konnten. Ebenso fand das nach einem Entwurf Hasenauers für den Achilles angefertigte »Postament von dunkelrothem Marmor mit weißen Adern« Herters Zustimmung. Der »Sterbende Achilles« wurde 1890 aus der Hermesvilla nach Korfu übersiedelt, wo er heute in den Gärten des Achilleion alljährlich von Tausenden Touristen bewundert wird.
Die frühsommerlichen Aufenthalte, möglicherweise manchmal als Pflichtbesuche wahrgenommen, spielten sich ein:
Es ruft mir aus den Laubdachästen
Der Kuckuck zu, mein alter Freund;
Wir treffen uns in Ost und Westen,
Und jeder Mai hat uns vereint.
Auch ich will hier so lange weilen
Als jener Fruchtbaum Blüten trägt,
Und in die Ferne einst enteilen,
Wenn er sein Brautkleid abgelegt.
15 Von der Hermesvilla ins Achilleion: Elisabeths Lieblingsskulptur, der »Sterbende Achilles«, hat heute Meerblick.
Ähnlich wie ihre Mutter wurde auch Valerie, immer im Schlepptau Elisabeths, nicht so recht warm mit dem etwas frostigen Domizil im Wald. »Diese Marmorreliefs, die üppigen Teppiche, Kamine in getriebener Bronze, diese zahllosen Engel und Amoretten, das Schnitzwerk an allen Ecken und Enden, dieser manirirte Rokokostil!«, notierte sie in ihr Tagebuch. Erklärend muss man anfügen, dass den Herrschaften der Ringstraßenzeit alles »Verschnörkelte« eben als »Rokoko« gegolten hat.
Obwohl Elisabeth das Bauvorhaben nicht beeinflusste, interessierte sie sich gelegentlich für verschiedene, ihr aus persönlichen Gründen wichtig erscheinende Details. So hingen zum Beispiel alle in ihrem Auftrag für Franz Joseph gemalten Porträts von Katharina Schratt ursprünglich in der Hermesvilla. So gesehen erhält das »Schloss der Träume«, wie Elisabeth das Haus in einem Gedicht bezeichnete, eine ganz andere Bedeutung.
Im Schlafzimmer der Kaiserin steht bis heute ein hochbarockes Prunkbett aus der Zeit von Maria Theresia, das sich ursprünglich in der alten Poststation Strengberg befunden hat. Von gewaltigen Dimensionen, mit heraldischen Emblemen und figuralen Motiven reich dekoriert, entsprach es dem Geschmack der von Makarts Ästhetik beeinflussten Epoche. Benützt wurde es im 19. Jahrhundert wohl nie, denn Elisabeth bevorzugte eine einfache Schlafstatt in der Nähe der Fenster.
Mit dem eigens für sie eingerichteten, im durch die Ausgrabungsfantasien so überaus