Das Sägewerk. AnonymЧитать онлайн книгу.
knochigen Körper ziemlich überraschend kommen, wenn man mich nicht kennt. Er blickt mich spöttisch an: »Ganz schön kräftig, der Junge!« Im Laufe der Zeit ruft man mich immer öfter, wenn irgendeine schwere Arbeit ansteht. Ich tue mich mit Gauthier zusammen, er ist der einzige korrekte Typ im Werk. Ich würde gerne mit ihm an der Bandsäge arbeiten und Jules ersetzen. Schon länger denke ich darüber nach, Pressurot zu bitten, auf Stundenlohnbasis zu arbeiten, dann würde ich mehr verdienen. Doch das ist schwierig. Vor allem, weil in seinem simplen Hirn die Kistenbauer diejenigen sind, die produzieren, während die Stundenlohnarbeiter nur Geld verschlingen.
Eines Tages kommt es zwischen uns zu einem heftigen Streit um den Kistenlohn für einen großen Auftrag. Ich habe mich mit den anderen Kistenbauern darauf geeinigt, einen höheren Lohn zu verlangen als den von ihm veranschlagten. Wir schreien beide: »Ich will vierzehn Francs pro Kiste!« »Zwölf, mehr nicht, verdammt nochmal!« Ich trete auf ihn zu: »Wir verdienen nicht genug zum Leben! Also, vierzehn, oder wir waren alle das letzte Mal hier!« »Saubande, wollt ihr das Werk ruinieren, ihr miesen Hunde? Dreizehn, mein letztes Wort.« »Also gut.« Ich nehme meine Jacke und hebe meinen Hammer auf. Alle tun es mir nach, niemand kneift – ich habe Bammel … »Bleibt stehen, ihr Arschlöcher! Ich geb’s euch! Wollt ihr mich fertigmachen, ist es das, was ihr wollt? Eine Schande ist das, Scheiße, verdammt noch mal …«
Er ist geschlagen. Für uns ist es ein schöner Sieg. Die Stundenlohnarbeiter stehen wortlos und erstaunt in einem Eck. Doch dann gewinnt Pressurot noch einmal die Oberhand und brüllt mit hochrotem Kopf: »Ihr elenden Drecksäcke wollt mir hier also sagen, wo es langgeht? Na gut, niemand wird auch nur einen Tropfen mehr trinken. Der Erste, den ich beim Saufen erwische, fliegt, kapiert? Ihr werdet schon noch sehen, wer hier das Sagen hat!«
Alle grinsen. Pressurot, der seine Arbeitergewohnheiten beibehalten hat, wird der Erste sein, der während der Arbeit wieder saufen wird und dann irgendwas verbockt. Er zieht sich seine Jacke über und geht wütend hinaus. Die anderen umringen mich. Bibi sagt zu mir: »Mutig, mutig!« Ich antworte nichts und denke mir nur, dass er eines Tages noch sehen wird, was passiert, wenn man mir blöd kommt.
Die Arbeit geht weiter. Der Winter geht langsam dem Ende entgegen. Immer wieder streite ich mich mit Pressurot, weil er dauernd die Lohnauszahlung verschiebt. Es läuft folgendermaßen ab: Sobald er mir am Zahltag einen guten Morgen wünscht, gehe ich ihn augenblicklich an: »Wie sieht’s aus?« »Wie sieht was aus?« Er tut überrascht, der Mistkerl, dabei weiß er sehr genau, wovon ich spreche. Ich schreie ihn an: »Der Lohn!« Seine Reaktion ist unvergleichlich. Er hebt die Arme Richtung Himmel, mal flehend, dann wieder unnachgiebig: »Ich bin blank, blitzeblank! Ich kann nicht! Ich kann mich doch auch nicht von Luft ernähren! Am Donnerstag gibt’s den Lohn, vorher nicht, Scheiße nochmal!« Die Szene wiederholt sich drei- oder viermal im Laufe des Tages. Ich drohe ihm damit, abzuhauen. Ich weiß, dass ich ihn damit in der Hand habe. Ich arbeite sehr viel und bringe ihm Gewinn. Wenn Pressurot mit irgendwas Ärger hat oder es eine schwere Aufgabe gibt, dann gibt er sie oft an mich weiter: »Du bist doch so schlau, mach mal das, rechne mal die Festmeter davon aus et cetera.«
Aber ich bestehe darauf, dass er mich pünktlich auszahlt. Wenn ich ihm genug auf die Nerven gegangen bin, ruft er mich nach draußen und gibt mir die Kohle und behauptet, dass ich meine eigene Mutter verkaufen würde. Er hat Recht. Aber so wie die Dinge stehen, kann ich es mir nicht leisten, ihm lohnmäßig entgegenzukommen. Es ist ein permanenter Kampf. Wie Bibi sagt: »Man muss um seine Brötchen kämpfen.« Eines Tages sage ich ihm nach einem Streit (wegen eines gefälschten Lohnzettels), dass ich in der Stundenlohnfraktion arbeiten will, ansonsten hat er mich das letzte Mal gesehen: Es ist März, also könnte ich mir genauso gut eine Arbeit suchen, die weiter von Saint-Dyé entfernt ist. Er kratzt sich am Kopf: »Also gut, du wirst ablängen, ich gebe dir fünfundsechzig Francs die Stunde.«
Dieser Sauhund! Ganz alleine ablängen mit der schweren Motorsäge, und das auf einem Gelände, das sich durch das Tauwetter in ein einziges Schlammloch verwandelt hat, das ist die härteste Arbeit. Normalerweise wird das von zwei Leuten gemacht. Wenn er mir wenigstens ein doppeltes Gehalt zahlen würde! Aber keine Frage. Ich war so leichtsinnig, ihm zu zeigen, dass ich stark bin, das sollte man niemals tun. Man sollte immer eine ausreichende Spanne lassen zwischen dem, was man tut, und dem, was man tun könnte. In diesem Beruf ist das der einzige Weg, sich nicht kaputtzumachen.
Trotzdem nehme ich an. Meine Werkzeuge sind ab sofort Motorsäge, Axt, Wendehaken und Sapie. Ich wollte eine Arbeit, für die man kräftig sein muss, die habe ich jetzt.
Am nächsten Tag stehe ich vor zehn Kubikmetern Rundholz. Es geht darum, die Stämme mit dem Wendehaken auseinanderzubringen und sie dann abzulängen. Der Kampf beginnt. Frieren ist ab jetzt kein Thema mehr. Mitten im März arbeite ich oberkörperfrei, sobald es das Wetter erlaubt. Beim geringsten Strahl der blassen Sonne läuft mir der Schweiß in Strömen hinunter. Schöne Scheiße! Zum ersten Mal fühle ich das erdrückende Gewicht eines Holzblocks, wenn ich unter dem Wendehaken bin. Entweder es rollt, oder man wird darunter begraben. Manchmal wird es Pressurot angst und bange, wenn er sieht, wie ich mich unter einem sehr großen Block abmühe. Das mag ich.
Wenn ein ganzer Stamm gewendet werden muss, rufe ich alle Männer, und dann wird ordentlich geschwitzt. Bei solchen gefährlichen Arbeiten stellt sich schnell heraus, wer ein Drückeberger und Angsthase ist. Wenn zwei von fünf Männern plötzlich loslassen und ihre Wendehaken lösen, dann werden die drei Übriggebliebenen erdrückt, denn wenn man einen Stiel auf der Schulter hat, auf dem ein Gewicht von ungefähr einhundertfünfzig Kilo liegt, dann kommt man darunter nicht mehr weg: Der Stamm muss sich drehen, wenn nicht … Pech gehabt. Keine hektischen Bewegungen, außerdem sollte man es nicht verbocken, wenn man sagt: »Ich hab’ ihn«, und so schnell wie möglich wieder unter den Stamm kommen, wenn ihn die Kollegen auf der Schulter haben.
Jules traue ich kein bisschen: Er hat Angst, sich zu verletzen, also tut er nur so, als würde er stemmen. Wenn wir das Rundholz auseinanderbringen und es vom Polter rollt, rennt er wie ein Blöder davon. Es ist aber nicht ratsam, den Kopf zu verlieren. Man muss auf jeden Schritt achten und darf erst im letzten Moment loslassen, nicht vorher.
Würde es jeder so machen wie er, gäbe es jedes Mal Tote.
Manchmal stemme ich so fest gegen den Wendehaken, dass ich eine Art Blutschleier vor den Augen habe. Die Sägewerker (die echten, nicht die bei Pressurot) nennen das »Schleierblick«. Einige Male habe ich gesehen, dass vier Männer eine volle Stunde brauchten, um einen Pappelstamm vom Polter zu lassen. Einmal, während einer besonders schweren Aktion, strengt sich René, ein echter Koloss (einer der Kistenbauer), so sehr an, dass er sich in die Hose scheißt (ungelogen). Nach solchen Einsätzen zittere ich zwei oder drei Stunden lang. Ich habe keine Kraft mehr für den Rest des Tages. Trotzdem geht es weiter, man muss weiter ackern und das Holz ablängen, das die verdammte Bandsäge innerhalb kürzester Zeit verarbeitet. Die ersten Abende zittern mir nach meiner neuen Arbeit die Knie und die Hände so sehr, dass ich es kaum schaffe, meine Suppe zu essen. Dennoch arbeite ich weiterhin wie ein Kuli, denn ich will es mir weiterhin erlauben können, meinen Mund aufzumachen, und ich will auch weiterhin ein »gutes Gehalt« verdienen. An manchen Abenden bin ich so fertig, dass ich mich ernsthaft frage, wie ich aufs Fahrrad kommen soll!
Dabei ist der Abend noch gar nichts im Vergleich zum Morgen: Wer schon einmal gearbeitet hat, weiß, was ich meine. Diese Mattigkeit am Morgen, die so groß ist, dass man sich fragt, wie man aus dem Bett kommen soll, mit steifen Gelenken, zum Umfallen müde, mit weichen Beinen und einem Körper, in dem jeder Muskel schmerzt und das ganze Fleisch um Gnade fleht!
Ich dachte, eine Ahnung von der größtmöglichen Erschöpfung zu haben, doch das war noch nicht der Fall (erst ein Jahr später werde ich in der Sologne bei einem erbarmungslosen Aufbau eines Sägewerks meine Grenzen kennenlernen und dann auch krank werden). Obwohl ich mir am Morgen wie ein Rheumatiker die Hose anziehe, gebe ich nicht auf. Langsam bekomme ich Respekt vor den alten Arbeitern. Was mir am meisten zu schaffen macht, sind nicht die Strapazen, wenn man das Letzte aus sich herausholt: Es ist die immer gleiche Arbeit, die jeden Tag monotoner wird. Langsam verstehe ich Bibi, wenn er sagt, dass er in der Zeit, als er in seiner Jugend im Sägewerk arbeitete, »allein beim Anblick der ganzen Scheiße schon am Morgen die Schnauze so was von voll« hatte. Wenn du wüsstest, wie sehr ich das jetzt