Butler Parker Staffel 12 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Dame fort. »Zieren Sie sich nicht unnötig, Mr. Parker!«
»Sehr wohl, Mylady.« Parker räusperte sich. »Die Verbringung des Hotelschiffes hierher nach Panrose wird nach den jüngsten Auskünften etwa zwei Wochen in Anspruch nehmen. Die Hotelkabinen bedürfen noch einer Überholung.«
Lady Simpson war nur für Sekundenbruchteile irritiert, dann aber hatte sie begriffen. Parker schien zu befürchten, daß man sie abhörte. Er mußte irgendeine Entdeckung in dieser Richtung gemacht haben.
»In anderthalb Wochen ist die ›Eleusis‹ hier«, entschied sie also geistesgegenwärtig, »rufen Sie sofort Portsmouth an, Mr. Parker!«
»Sehr wohl, Mylady.« Parker zeigte kein Erstaunen über die Reaktion seiner Herrin. Er wußte aus Erfahrung, wie schnell sie sich auf neue Situationen einzustellen vermochte. Das machte die Zusammenarbeit mit ihr immer wieder so erfreulich.
»Rufen Sie an«, raunzte sie, »ich möchte wissen, woran ich bin.«
Parker erhob sich, deutete eine knappe Verbeugung an und verließ die Terrasse. Lady Simpson hütete sich, ihre nähere Umgebung mit neugierigen Blicken zu erforschen. Sie widmete sich den Speckeiern und trank Tee. Sie nahm sich Zeit und wartete darauf, daß ihr Butler in Aktion trat.
*
Der alte Mann saß auf einem klapprigen Fahrrad und strampelte die Straße hinunter.
Er trug einen fleckigen Malerkittel und hatte eine Art Papierhelm auf dem Kopf, der ebenfalls mit Farbe bekleckert war. Auf der Nase des vielleicht fünfzig Jahre alten Mannes thronte eine altertümliche Nickelbrille. Unter der Nase befand sich ein grauer Schnauzbart.
Dieser Mann näherte sich dem parkenden Kastenlieferwagen. Ausgerechnet hier sprang ihm die Kette vom Rad, weshalb der Mann ein wenig das Gleichgewicht und auch die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor. Er stieß mit dem Vorderrad gegen den Wagen, fluchte ausgiebig, und stieg dann steifbeinig vom Sattel. Er lehnte seinen Drahtesel ungeniert gegen das fremde Fahrzeug und musterte umständlich die kleine Panne.
»Hau ab, Mann«, fauchte ihn der junge Mann an, der die hintere Wagentür spaltbreit geöffnet hatte, »verschramm mir bloß nicht den Wagen!«
»Grünschnabel«, antwortete der Maler verächtlich, »schlaf dich woanders aus.«
Der Schnauzbart stand günstig. Er konnte durch den schmalen Spalt in den Wagen sehen. Der Grünschnabel war nicht allein in dem Kastenaufbau. Noch zwei weitere Männer standen vor einem Gestell aus Metallschienen und hantierten mit seltsam aussehenden Gerätschaften.
»Feiert wohl ’ne Party, wie?« erkundigte sich der Schnauzbart anzüglich.
»Hau ab, bevor ich wütend werden.« Der junge Mann wollte die Tür zuziehen, als der Maler mit seinem Zeigefinger nach oben zum Wagendach zeigte.
»Was ist denn das?« fragte der Schnauzbart und erreichte damit, daß der junge Mann prompt dem ausgestreckten Zeigefinger folgte und nach oben sah.
Er bekam nicht mit, daß er einem raffinierten Ablenkungsmanöver zum Opfer fiel. Während der junge Mann nach oben sah, praktizierte der Maler blitzschnell eine runde Metallkapsel durch den Türspalt in den Wagen. Diese Kapsel war kaum größer als ein Ei, aber sie schien es in sich zu haben.
Die Tür schnappte zu.
Der Schnauzbärtige hatte bereits einen flachen Holzkeil in der rechten Hand und trieb ihn in den unteren Türspalt. Dann setzte er sich auf sein Fahrrad und rollte weiter die Straße hinunter. An der nächsten Ecke blieb er stehen und beobachtete den Wagen.
In ihm tat sich einiges.
Aus den oberen, schmälen Lüftungsschlitzen quoll plötzlich grauer Rauch. Fast gleichzeitig damit geriet der Lieferwagen in leichte Schwankungen. Die Insassen im Kastenaufbau schienen tatsächlich eine wilde Tanzparty zu veranstalten. Der Kastenaufbau geriet in immer heftiger werdende Schwingungen, worauf sich verständlicherweise die ersten neugierigen Zuschauer einfanden, die sich diese swingenden Bewegungen nicht recht zu erklären vermochten.
Zudem war jetzt im geschlossenen Aufbau ein Husten und Niesen zu hören. Fäuste trommelten von innen gegen die Tür, die aufgedrückt werden sollte. Doch da gab es einen kleinen Holzkeil, der sich diesen Absichten energisch widersetzte. Die Tür ließ sich nicht öffnen.
Die zurückhaltenden Zuschauer – immerhin handelte es sich um Briten – diskutierten diskret diese seltsame Erscheinung, hüteten sich jedoch, aufdringlich zu werden. In die privaten Dinge seiner Mitmenschen mischte man sich tunlichst nicht ein. Dann kam allerdings einer der distanzierten Beobachter auf den Gedanken, es könne sich vielleicht um einen Brand handeln. Er rief die Umstehenden zu einer spontanen Hilfsaktion auf und fand geneigte Ohren.
Einige Männer rissen und zerrten an der hinteren Wagentür, die sich jedoch nach wie vor nicht öffnen ließ. Man übersah den hinderlichen Holzkeil, der die Tür blockierte. Doch wo starke Kräfte sinnvoll walten, konnte der Holzkeil sich auf die Dauer nicht halten. Plötzlich wölbte die Tür sich vor und … sprang aus ihren Scharnieren.
Die hilfsbereiten Zuschauer wurden auf die Straße geschleudert und von drei jungen Männern angesprungen, die aus dem qualmenden Wagen hechteten. Sie weinten dicke Tränen, niesten ununterbrochen und waren nicht ganz bei der Sache.
Die Rauchwolke zog aus dem Wagen ab und hüllte die Zuschauer ein. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis auch sie aus der Fassung gerieten und aus lauter Sympathie mitweinten.
»Tränengas«, schluchzte der Passant, der an einen Brand gedacht hatte. Dem Mann war, wenn auch spät, ein Licht aufgegangen.
*
»Ganz passabel«, räumte Agatha Simpson widerwillig ein, als ihr Butler wieder neben ihr am Frühstückstisch auftauchte. »Hoffentlich hat das ganze Theater sich gelohnt.«
»Im Kastenaufbau des kleinen Lieferwagens befanden sich Richtmikrofone, Tonbandgeräte und Filmkameras«, berichtete Parker gemessen. Er hatte sich rückverwandelt und erinnerte in nichts mehr an den schnauzbärtigen Maler, den er eben noch dargestellt hatte.
Josuah Parker beherrschte die Kunst der Maske bis zur Perfektion. Er brauchte nur wenige Hilfsmittel, um in einen völlig anderen Menschen hineinzuschlüpfen. Die Utensilien für diese Verwandlungskünste befanden sich in seinem privaten Koffer und sahen im Grund völlig unverdächtig aus. Selbst ein aufmerksamer Beobachter hätte sie kaum als Requisiten für Verwandlungskünste identifizieren können.
»Wir werden also beobachtet«, stellte Agatha Simpson fest. »Finden Sie das nicht recht eigenartig?«
»In der Tat, Mylady«, antwortete Parker gemessen. »Die beiden maskierten Männer der vergangenen Nacht sind unter Umständen auf Mylady und meine bescheidene Wenigkeit aufmerksam geworden!«
»Aber die sind inzwischen tot!«
»Darauf wollte ich mir gerade erlauben zu verweisen, Mylady.«
»Wer ist also hinter uns her, Mr. Parker? Ich erwarte eine plausible Erklärung von Ihnen.«
»Es bieten sich da einige Möglichkeiten an, Mylady.«
»Geht es, daß ich sie heute noch erfahre?« Agatha Simpson sah Parker wieder mal grimmig an.
»Die beiden Verblichenen könnten noch vor ihrem Hinscheiden eine Nachricht per Funk abgesetzt haben, Mylady.«
»Das ist erst eine Möglichkeit, Mr. Parker.« Sie sah ihn streng an.
»Die beiden Verblichenen sind unter Umständen nicht allein gewesen. Sie könnten Helfershelfer an der Steilküste gehabt haben, die von Myladys Existenz wissen.«
»Das war eine zweite Möglichkeit.«
»Meine dritte Version, Mylady, besagt, daß es vielleicht mit einer völlig anderen, möglicherweise konkurrierenden Gruppe zu tun hat.«
»Wie kommen Sie denn darauf, Mr. Parker?«
»Mylady werden sich daran erinnern, daß der Jeep mit den beiden Maskierten offensichtlich