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Culturstudien. Wilhelm Heinrich RiehlЧитать онлайн книгу.

Culturstudien - Wilhelm Heinrich Riehl


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zeichnen, da konnten die Künstler von den nächst vorhergegangenen Perioden nichts lernen. Sie mußten zu Studien aus den Werken Dürers und Holbeins, der alten Niederländer und der alten Italiener zurückgreifen, ja auf die kostbaren Miniaturen des Mittelalters, wenn sie recht volksthümlich ächte Figuren und Arabesken für den Kalender erfinden wollten. Denn mögen wir auch in der modernen Volkslitteratur noch so viel Verkehrtes begonnen haben, so sind wir doch wenigstens zu der goldenen Einsicht gekommen, daß für das Volk nur gerade das Beste gut genug sei. In diesem Glauben allein werden wir's erringen, daß unsere Bildungslitteratur und Kunst auch dem Volke wieder näher zu Herzen geht.

      Vor Alters gab es unter dem gemeinen Mann häufig kalenderfeste Leute wie bibelfeste. Denn der litterarische Inhalt des Kalenders, der jetzt ein zufälliger geworden, war früher ein nothwendiger; es gab zwar auch damals viele Kalender, aber nicht vielerlei wie heute; es existirte der einheitliche Begriff eines deutschen Volkskalenders, der jetzt ganz verloren ist. Der gemeine Mann konnte dem Kalenderschreiber genau nachrechnen, ob er Sitten und Bräuche, Aberglauben und Prophezeihungen richtig angegeben und angewandt, ja er wußte selber eigentlich das Meiste von vornherein auswendig, was er alljährlich im Kalender wieder las; den ganzen volksthümlichen Inhalt des Kalenders hatte er im Kopf wie die Bibel und wußte ihn auszulegen für seine persönlichen Verhältnisse: darum war er kalenderfest. Jetzt klagt man bereits, daß in unsern Volkskalendern alles mögliche Gemeinnützige abgehandelt sei, aber die gemeinnützige Belehrung über den Kalender selbst sei allezeit vergessen, während doch die Zeichen und Begriffe des Kalenders von den Wenigsten mehr verstanden würden! So erschien denn auch vor mehreren Jahren in Ulm ein Buch, betitelt »der wohlerfahrene Kalendermann,« welches bereits einem Bedürfnisse abzuhelfen glaubt, indem es das Volk belehrt über den Kalender. Vor hundert Jahren wäre eine solche Belehrung sehr überflüssig gewesen. Bibel, Gesangbuch und Kalender waren damals wirklich die drei nothwendigen und ausschließlichen Hausbücher des gemeinen Mannes; der Kalender umfaßte alle weltliche Weisheit, wie Bibel und Gesangbuch alle geistliche. Aber diese weltliche Weisheit war nur der Spiegel von des Volkes eigenen Phantasiestücken und Ueberlieferungen. Jetzt ist der Kalender ein Werkzeug der Volksbildung geworden, die von außen sich erst einzuschleichen trachtet bei dem Bauern und Kleinbürger. Darum ist er nicht mehr das einheitliche, nothwendige und ausschließliche Hausbuch. Dennoch könnte er wenigstens den Charakter der inneren Nothwendigkeit wieder gewinnen, wenn er nämlich ausgehend von der Weisheit des Volkes selber und scheinbar nur als ein Herold dessen eigenster Gedanken, dennoch den Keim einer vertieften Gesittung in sich zu bergen und so ein Lehrer des Volkes zu weiden wüßte, indem er doch scheinbar nur ein Spiegelbild desselben wäre. Der Kalenderschreiber aber, welcher dieses Kunststück verstünde, soll ein rechter Hexenmeister genannt und nicht verbrannt werden.

Das landschaftliche Auge.

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