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Lacroix und die stille Nacht von Montmartre. Alex LépicЧитать онлайн книгу.

Lacroix und die stille Nacht von Montmartre - Alex Lépic


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es nicht zu atmen. Immer wieder sah der Maler erst sie an, dann betrachtete er die Leinwand und nahm noch einige Änderungen vor. Die drei Polizisten blieben stehen, bis der maître zufrieden schien. Dann stand er auf, hielt einen Moment inne, griff nach der Leinwand und drehte sie um. Ein Raunen ging durch die Menge.

      Auch Lacroix hob erstaunt die Augenbrauen und trat einen Schritt näher, um das Gemälde genauer zu betrachten. Es war wirklich unglaublich: Das Bild war eine originalgetreue Kopie dieser Frau, mehr noch, die Frau auf der Leinwand war noch schöner als die, die neben ihm stand, dachte Lacroix, ohne damit die Asiatin mit ihrer porzellanfarbenen Haut und ihren dunklen Augen herabzuwürdigen. Der Künstler hatte sie nicht einfach schöner gemalt, als sie war, es war vielmehr so, als habe er neben ihrem Gesicht auch noch Teile ihrer Persönlichkeit aufs Papier gezaubert.

      Die Frau hatte die Hand vor den Mund geschlagen vor Rührung. Sie wartete, bis der Maler die Leinwand wieder auf die Staffelei gestellt hatte, dann umarmte sie ihn, und er grinste, während er die junge Frau in den Armen hielt. Er verpackte das Bild in eine dünne Folie, gab es ihr, und sie zog, ihr Porträt fest an sich gedrückt, von dannen. Ehe sich die nächste Kundin auf den Hocker setzen konnte, traten Violet und Lacroix zur Staffelei, Castraux im Schlepptau.

      »Bonjour, Monsieur Foll«, sagte Violet. Der Künstler sah auf, und binnen Sekunden veränderte sich seine gesamte Gestalt. Die Hand, die eben so feinfühlig den Pinsel geführt hatte, ballte sich zu einer Faust, während er wütend das Gesicht verzog.

      »Non«, sagte er, und seine Stimme war rau und tief, dabei aber ganz leise, als versuche er, sich zu zügeln.

      »Ich habe noch gar nichts gesagt.«

      »Das können Sie sich auch sparen. Ich rede nicht mit flics

      »Wir können es ja vielleicht mal versuchen, Sie wissen doch noch gar nicht, worum es geht.«

      »Wenn Sie hier auftauchen, gibt es Ärger.«

      »Herrgott, Monsieur Foll«, jetzt klang die Commissaire ärgerlich. »Nun lassen Sie mich doch einfach meine Frage stellen, und dann sind wir wieder weg.«

      Er sah zu ihr auf und knurrte: »Entweder Sie verhaften mich oder Sie hauen ab. Ich bin kein Helfershelfer für irgendwas.«

      Rose ließ die Schultern sinken. Lacroix sah sie von der Seite an, sie nickte stumm. Ohne ihre Zustimmung hätte er in ihrem Revier keine Befragung übernommen, so aber räusperte er sich und ergriff das Wort.

      »Monsieur Foll, mein Name ist Lacroix, ich bin der Leiter des Kommissariats im fünften Arrondissement.«

      Interessiert sah der Mann nun ihn an, seine Miene blieb aber finster. »Und wenn Sie mir den Innenminister herschleppen!«

      Lacroix überlegte nur kurz. »Im Interesse Ihrer Kundschaft«, begann er und hatte einen schärferen Ton angeschlagen, »die sicher weiter von Ihnen gemalt werden möchte, bitten wir Sie doch nur um eine Antwort. Ansonsten rufen wir nämlich gleich den Richter an, und dann kommen wir wieder und schleppen Sie einmal quer über den Platz und verhören Sie im Kommissariat. Dann verlieren Sie einen ganzen Tag. Anschließend bitte ich auch gleich mal die Kollegen vom Finanzamt um eine genaue Buchprüfung. Dann werden wir sehen, ob Sie all die Kunden, die Sie hier täglich zeichnen, auch steuerlich geltend machen – oder nur drei, vier wie die anderen, die neben Ihnen sehnsüchtig auf Kundschaft warten.«

      Serge Foll ließ seinen Pinsel sinken. »Eine Frage …«, sagte er leise.

      »Sie waren der Letzte, der vorgestern Nacht gearbeitet hat. Wie lange waren Sie hier? War zu diesem Zeitpunkt die Beleuchtung noch da? Und ist Ihnen etwas oder jemand aufgefallen?«

      Der Mann lehnte sich zurück und grinste. »Wegen der Funzeln schicken die flics gleich zwei Commissaires? Ehrlich? Das glaub ich nicht. Arbeiten Sie also doch für die großen Konzerne? Sind die Herren von Électricité de France sauer, weil ihnen die Werbemaßnahme abhandengekommen ist?« Er lachte ein raues Lachen.

      »Sie wollen nicht, dass wir Ihre Zeit vergeuden, also vergeuden Sie auch nicht unsere, Monsieur«, sagte Lacroix.

      »Gut. Ich saß hier bis elf, halb zwölf, dann bin ich nach Hause. Da brannte die Beleuchtung, der ganze Platz sah aus wie ein beschissener Jahrmarkt. Es ist nicht zum Aushalten, dieser Kitsch. Mein Paris verkommt langsam zum Disneyland.«

      »Sie mögen die neue Beleuchtung also nicht?«

      »Die Kitschmaler um mich herum, die mögen den Kitsch. Ist ja auch klar, er bringt ihnen Kunden, die auch Kitsch mögen. Ich aber bin Künstler! Und von meinen Werken lenkt jeder äußere Einfluss ab. Wegen mir können Sie dem Dieb einen Orden verleihen.« Er schnaufte angewidert, hob den Arm und wies in Richtung Kirche. »Sehen Sie, dort, das haben die aus unserem Quartier gemacht. Einen Vergnügungspark, in dem die Gäule Elchgeweihe tragen.«

      Tatsächlich war die Schneekutsche in diesem Moment um die Ecke gebogen und fuhr provokativ langsam an ihnen vorbei.

      »Und dann noch dieser Baum unten am Hügel. Mit einem riesigen Kreuz obendrauf. Die Kirche glaubt wohl, sie könne sich alles erlauben! Aber in Frankreich …«, er klopfte mit seinem Pinsel auf die Staffelei, »herrscht der Laizismus. Da hat die Kirche nicht den Baum zu stiften!«

      Lacroix ließ sich von Folls Tiraden nicht beirren. »Ist Ihnen etwas aufgefallen in der Nacht?«

      »Wenn ich hier fertig bin, dann sehe ich mich nicht um. Ich packe mein Zeug und gehe nach Hause, denn dort erwartet mich der eigentliche Höhepunkt des Tages. Sie werden das nicht verstehen, Commissaire, auch wenn wir in einem Alter sind. Und ich habe nicht vor, es Ihnen zu erklären.«

      »Mir reicht, was Sie mir bisher erklärt haben, Monsieur Foll. Danke. Und pinseln Sie schön.« Lacroix stapfte davon.

      Rose flüsterte etwas zu Castraux, der verschwand, dann folgte sie ihm.

      Der Commissaire war sauer. »Eingebildeter Kretin …«, knurrte er, griff in seine Manteltasche und nahm die Pfeife heraus.

      »Bitte, Lacroix«, sagte Rose flehend, »du hast mir einen Wein versprochen. Meine Füße sind Eis, los, gehen wir gleich rein.«

      Er steckte die Pfeife wieder ein und ließ sich von ihr in das erstbeste Bistro ziehen. Sie setzten sich an einen Tisch im hinteren Teil, und der Commissaire bestellte zwei Gläser Tursan aus dem Südwesten. Er war überrascht, dass sie in dieser Touristenspelunke so einen Wein führten.

      »Was war das denn?«

      »Sympathischer Mann, oder?«

      »Ich habe schon öfter gehört, dass er renitent ist. Aber so?«

      »Immerhin hat er uns nicht angegriffen!«

      »Hätte er weitergemacht, hätte ich …«

      »Er saß lange im Knast.«

      »Wirklich?« Lacroix sah sie interessiert an, doch Rose antwortete nicht, weil der Kellner in Weste und Fliege gerade die Gläser vor ihnen abstellte. Sie trank einen Schluck, dann fuhr sie fort.

      »Ja, er war in der Kommunistischen Partei, zu der Zeit, als Giscard hart gegen das linke Lager vorging. Er hat gegen das Kapital gehetzt und war Anführer zahlreicher Straßenschlachten, bis er zwei Jahre hinter Gitter musste. Und dann hat er sich Ende der Siebziger auch noch mit den Kommunisten überworfen, wie alle Künstler und Intellektuelle – und hatte dann gar keine Freunde mehr. Seitdem ist er … nun ja, eine verletzte Seele.«

      »Aber eine ziemlich aufmüpfige verletzte Seele.«

      »Er hasst alle Institutionen, und um ehrlich zu sein, ich kann es ihm nicht verdenken. Diese Firmenbosse und ihre ach so guten Verbindungen in höchste politische Kreise – mir geht das auch auf den Wecker. Aber heute gibt es, anders als damals, keinerlei linken Aufstand, obwohl es viel dringender wäre. Doch die jungen Leute interessieren sich nur für die Marke ihrer Turnschuhe und ihres Handys. Ich kann es nicht mehr hören.«

      »Ach, Rose«, sagte Lacroix sanft, »du bist doch eine echte Revolutionärin.«

      »Die


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