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Die Abtei von Northanger. Jane AustenЧитать онлайн книгу.

Die Abtei von Northanger - Jane Austen


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von Wochenbetten und Unterricht der Kleinen beansprucht, daß ihre älteren Töchter sich wohl oder übel selbst überlassen blieben. So war es also weiter nicht verwunderlich, wenn die keineswegs ungewöhnliche, vierzehnjährige Catherine Cricket, Baseball, Reiten und in der Gegend umherzustreifen der Beschäftigung mit Büchern vorzog - wenigstens den belehrenden Büchern; denn, soweit sie nicht rein belehrend waren, hatte sie gegen Bücher nichts einzuwenden. Von ihrem fünfzehnten bis zum siebzehnten Lebensjahr jedoch bereitete sie sich auf ihr Heldenleben vor und las alle Bücher, deren Zitate das Gedächtnis einer Heldin anfüllen müssen und in den Wechselfällen eines ereignisreichen Lebens so nützlich und beruhigend wirken.

      Nach Pope lernte sie die Menschen zu beurteilen, die »Unter der Maske des Schmerzes sich bergen.«

      Nach Gray, daß »Manche Blume ungesehen blüht, Und ihren Duft in Einsamkeit verschwendet.«

      Von Shakespeare empfing sie eine Menge guter Lehren - unter anderem auch, daß »Hauchfeine Nichtigkeiten Für die Eifersucht sind wie Offenbarungen der Heiligen Schrift.«

      Oder: »Der kleine Käfer, den der Fuß zertritt, spürt körperlichen Schmerz genau so stark, Wie wenn der Riese stirbt.«

      Und daß eine junge, verliebte Frau immer aussieht »Wie ein Denkmal der Geduld, zulächelnd grauem Kummer.«

      In dieser Hinsicht genügten ihre Fortschritte ebenso wie in vielen anderen. Wenn sie auch selbst keine Sonette schrieb, so machte sie sich doch daran, solche zu lesen. Und obgleich nicht zu erwarten war, daß sie eines Tages eine Gesellschaft durch eigene KlavierKompositionen entzücken würde, lauschte sie doch unermüdlich den Vorträgen anderer. Am wenigsten begabt war sie mit dem Zeichenstift; sie besaß nicht das geringste Maltalent und konnte nicht einmal das Profil ihres Verehrers wiedergeben, um sich durch sein Konterfei zu verraten; auf diesem Gebiet blieb sie jämmerlich hinter wahrer heldischer Größe zurück. Aber im Augenblick war sie sich dieses Mangels keineswegs bewußt - es war gar kein Verehrer vorhanden, den sie hätte zeichnen können. Sie hatte ihr siebzehntes Lebensjahr erreicht, ohne einem liebenswerten Jüngling zu begegnen, der ihre Zuneigung hätte erwecken können, ohne selbst Leidenschaft erzeugt, ohne auch nur eine mehr als recht bescheidene und vergängliche Bewunderung hervorgerufen zu haben. Das war wirklich seltsam. Aber im allgemeinen lassen sich auch seltsame Dinge erklären, wenn man sorgfältig nach ihrer Ursache forscht. In der ganzen Umgebung gab es nicht einen Lord -nein, nicht einmal einen Baron. In ihrer ganzen Bekanntschaft keine Familie, die einen Findling aufgezogen hätte, nicht einen einzigen jungen Mann von dunkler Herkunft. Ihr Vater besaß kein Mündel und der Schutzherr der Gemeinde keine Kinder.

      Aber wenn nun einmal eine junge Dame zur Heldin vorausbestimmt ist, kann selbst diese Absonderlichkeit von vierzig benachbarten Familien es nicht verhindern. Etwas muß und wird geschehen, um einen Helden in ihren Weg zu führen.

      Mr. Allen, Besitzer der meisten Ländereien um Fullerton, einem Dorf in Wiltshire und Wohnsitz der Morlands, litt an Gicht, und ihm wurde ein Kuraufenthalt in Bath verordnet. Seine Ehefrau, eine gutmütige Dame, die Miß Morland sehr zugetan war und vielleicht auch erkannt hatte, daß eine junge Dame, der im Heimatdorf keine Abenteuer begegnen, diese anderwärts suchen muß, lud Catherine zur Begleitung ein. Mr. und Mrs. Morland stimmten zu, und Catherine zerfloß vor Glück.

      Zweites Kapitel

      Zur Ergänzung dessen, was bereits über Catherine Morlands persönliche und geistige Gaben zu Beginn ihres sechswöchigen Aufenthalts in Bath und seinen Schwierigkeiten und Gefahren gesagt wurde, soll zur genaueren Unterrichtung des Lesers noch erwähnt werden, daß sie ein liebevolles Herz besaß. Ihr Wesen war heiter und offen, ohne Überheblichkeit und Geziertheit und hatte soeben erst die Unbeholfenheit und Schüchternheit des Schulmädchens abgestreift. Ihr Äußeres war gefällig und an guten Tagen sogar niedlich. Sie war ebenso unwissend und unberührt, wie die weibliche Seele mit siebzehn Jahren zu sein pflegt.

      Als die Stunde der Abreise näherrückte, hätte nach herkömmlicher Gepflogenheit die mütterliche Besorgnis bei Mrs. Morland ins Ungemessene wachsen müssen. Tausend beängstigende Vorahnungen von Übeln, welche ihrer geliebten Catherine während einer solch langen Trennung zustoßen mochten hätten ihr Herz mit Traurigkeit erfüllen und die letzten beiden Tage ihres Beisammenseins in ein Meer von Tränen tauchen müssen, nicht zu vergessen die wichtigen und nützlichen Ratschläge, von denen ihre erfahrenen Lippen beim Abschied in ihrem Budoir hätten überströmen müssen, und die Hinweise auf Vorsichtsmaßregeln gegen die Gewalt von Edelleuten und Baronen, die junge Damen in abgelegene Bauernhäuser locken. Aber Mrs. Morland wußte so wenig von Lords und Baronen, daß sie keine Ahnung von ihrer üblichen Niedertracht hatte, sie war völlig arglos gegenüber der Gefahr, die ihrer Tochter von den Machenschaften jener Männer drohte. Ihre ganzen Warnungen beschränkten sich auf die folgenden Punkte: »Ich bitte dich, Catherine, wickle deinen Hals immer recht schön warm ein, wenn du des Abends einen Ballsaal verläßt. Und dann versuche, über deine Ausgaben ein wenig Buch zu führen. Zu dem Zweck gebe ich dir dieses Büchlein.« Sally - oder vielmehr Sarah, denn welche junge Dame aus gutem Hause erreicht wohl ihr sechzehntes Lebensjahr, ohne ihren Namen soweit wie nur eben möglich zu verändern? - mußte nach Lage der Dinge zu diesem Zeitpunkt die Busenfreundin und Vertraute ihrer Schwester sein. Es ist jedoch beachtenswert, daß sie von Catherine weder verlangte, ihr mit jeder Post einen Brief zu schreiben, noch ihr das Versprechen abrang, sich ausführlich über jede neue Bekanntschaft zu ergehen oder die Einzelheiten jeder aufregenden Unterhaltung in Bath wiederzugeben. Alles, was sich auf diese wichtige Reise bezog, wurde von den Morlands mit Mäßigung und Haltung erledigt und schien eher dem nüchternen Empfinden des alltäglichen Lebens anzugehören als den verfeinerten Regungen, den zärtlichen Gefühlen, die eine erste Trennung der Heldin von ihrer Familie eigentlich immer verursachen sollte. Statt eines Blankoschecks oder einer Hundertpfundnote gab ihr der Vater nur zehn Guineen und versprach ihr mehr, wenn sie es benötige.

      Unter diesen nicht sehr viel versprechenden Auspizien vollzog sich der Abschied, und die Reise nahm ihren Anfang. Sie ging mit der erforderlichen Ruhe und ereignisloser Sicherheit vonstatten. Weder Räuber noch Stürme traten ihnen zu nahe, und kein glücklicher Unfall warf sie in die Arme des Helden. Nichts Aufregendes ereignete sich außer Mrs. Allens Furcht, sie habe ihre Galoschen im Gasthaus zurückgelassen, und selbst das erwies sich glücklicherweise als blinder Alarm.

      Sie erreichten Bath. Catherine war entzückt, und ihre Augen wanderten hierhin und dorthin, als man sich der auffallend schönen Umgebung näherte und später durch die Straßen fuhr, die sie zu ihrem Hotel führten. Sie war hierhergekommen, um glücklich zu werden, und fühlte sich bereits glücklich.

      Man lebte sich in der behaglichen Wohnung in der Pulteney Street ein. Mrs. Allen gehörte zu der weitverbreiteten Gattung von Frauen, deren Gesellschaft keine andere Empfindung erregt als Erstaunen darüber, daß es auf der Welt Männer gibt, die sie hoch genug schätzen, um sie zu heiraten. Sie besaß weder Schönheit oder Geist noch Talente oder Lebensart. Gute Herkunft, ruhige, untätige Gutmütigkeit und ein Hang zum Spielerischen konnten allein die Tatsache erklären, warum ein vernünftiger, kluger Mann wie Mr. Allen sie erwählt hatte. In einer Hinsicht war sie durchaus geeignet, eine junge Dame in die Öffentlichkeit einzuführen, denn sie war nicht weniger begeistert, überall hinzugehen und alles zu sehen, als ein junges Mädchen. Kleider waren ihre Leidenschaft. Sie liebte es über alles, sich zu putzen; deshalb konnte unsere Heldin erst einige Tage später ins Leben treten, nachdem man sich über die neueste Mode unterrichtet und ihre Anstandsdame sich mit einer entsprechenden Toilette versehen hatte. Catherine selbst machte auch einige Einkäufe; und als all diese Angelegenheiten zur Zufriedenheit erledigt waren, kam der große Abend, der Catherine die Pforten der großen Gesellschaftsräume öffnen sollte. Ihr Haar wurde von dem ersten Künstler gestutzt und gekräuselt, ihr Kleid mit besonderer Sorgfalt angelegt, und Mrs. Allen und ihre Zofe versicherten, die sehe gerade so aus, wie es sein solle. Solcherart ermutigt, hoffte Catherine sich wenigstens nicht unangenehm abzuheben. Bewunderung wäre zwar sehr willkommen, aber sie erwartete sie nicht.

      Mrs. Allen machte so ausgiebig Toilette, daß sie den Ballsaal erst spät betraten. Wegen der Hochsaison war der Saal überfüllt, und man drängte sich hinein, so gut es eben ging. Mr.


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