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LEICHENSCHMAUS. Christina UngerЧитать онлайн книгу.

LEICHENSCHMAUS - Christina Unger


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begehbaren Schrank mit wandhohen Spiegeln.

      »Sehr schön«, lobte Herr Fingerlos anerkennend und schlug die altrosafarbene Seidenbettdecke zurück. »Entschuldigen Sie, aber ich muss Sie bitten, das Spannleintuch ein Stück weit zu entfernen, damit ich an Ihre Matratze komme.«

      Gertrud machte sich augenblicklich ans Werk. Als die Matratze frei war, blickte sie ihn aufgeregt an.

      Herr Fingerlos montierte eine neue Turbodüse und schaltete den Strom ein. Er ließ die Düse über die Matratze gleiten und binnen kürzester Zeit füllte sich das glasklare Wasser im Staubsauger mit Kleinstlebewesen.

      »Sehen Sie das?«, fragte Herr Fingerlos grimmig.

      Carla starrte ungläubig ins Wasser.

      »Sie brauchen sich nicht zu genieren, gnädige Frau!«, tröstete sie Herr Fingerlos verständnisvoll. »Das erlebe ich in fast jedem Haushalt.«

      Carla war puterrot geworden, aber Gertrud war einer Ohnmacht nahe. Ihr wurde schwarz vor Augen. Wie konnte das sein! Wie konnte ausgerechnet ihr so etwas passieren? Hatte sie nicht jedes Mal, wenn sie die Betten gemacht hatte, stets auch die Matratze gesaugt? Vor lauter Bestürzung und Scham fing sie richtig an zu schwitzen.

      Herr Fingerlos kannte diese Reaktion bereits, es war überall dieselbe. Die Leute schämten sich in Grund und Boden und dachten, sie seien die einzigen, die Wanzen im Bett hätten, oder Läuse oder sonst ein Ungeziefer. Das Schlafzimmer war stets der lukrative Höhepunkt seiner Vorführung.

      Herr Fingerlos schaute die beiden Damen mit kummervollen Augen an. »Was Sie da sehen, ist Milbenscheiße!«, sagte er.

      Carla war am Boden zerstört. »Und darauf haben wir all die Jahre geschlafen?«, stammelte sie. Sie wagte einen Blick zu Gertrud, aber diese lehnte nur stumm und kalkweiß an der Wand.

      »Sie schlafen in Gesellschaft von über zwei Millionen Milben, wussten Sie das? Aber Sie wissen hoffentlich auch, wie gefährlich dieses Ungeziefer sein kann! Davon kann man sogar die Krätze bekommen!« Herr Fingerlos vergrub schaudernd den Kopf zwischen den Schultern wie eine Schildkröte. »Es handelt sich um mikroskopisch kleine Tierchen, aber wenn Sie sie erst einmal unter dem Mikroskop gesehen haben, so wie ich, monsterähnliche Gesichter auf acht Beinen …«

      »Bitte hören Sie auf!« Carla streckte abwehrend die Hände von sich.

      Da Herr Fingerlos die Familie nur vor schwerwiegenden Gesundheitsschäden bewahren wollte, setzte er noch eins drauf: »Ich meine es nur gut, weil Sie ja auch Kinder haben …«

      Das Stichwort Kinder überzeugte schließlich selbst die störrischsten Kunden. »Sehr schädlich für die Kleinen! Da tut eine Mutter alles für sie, denkt man …«

      Carla schloss für einen Moment die Augen. Dann stieß sie hervor: »Ich nehme ihn!«

      Herr Fingerlos lächelte selbstlos. »Das ist sehr verantwortungsvoll von Ihnen, gnädige Frau. Ihre Familie wird es Ihnen mit ihrer Gesundheit danken.«

      Schließlich wollte er noch wissen: »Wo bitte ist die Toilette hier oben? Ich muss diesen grausigen Inhalt wegleeren.«

      Gertrud machte ein Geräusch, als wollte sie sich übergeben, und erwachte endlich aus ihrem Koma. »Dass Sie mir das ja nicht ins Klo schütten!«, schrie sie. »Ich leere diese ekligen Viecher auf die Straße. Am Ende verschütten Sie noch was und wir haben die Viecher dann überall im Haus!« Sie schüttelte sich vor Grauen bei dieser Vorstellung.

      Carla Burkhardt unterschrieb den Vertrag eine halbe Stunde später und Herr Fingerlos sammelte seine Requisiten ein. Er hinterließ ihr ein Handbuch in der Stärke der gesammelten Werke von Johann Wolfgang von Goethe, wo sie bitte die Handhabung von Power Star nochmals nachlesen möge, für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie nicht alle Einzelheiten in Erinnerung behalten hatte: Welche Düse, welche Bürste, wie man schäumte, wusch, putzte und so weiter. Ihr Prachtexemplar würde schon Mitte nächster Woche geliefert werden. Dann gratulierte er Carla zu ihrem Kauf und verabschiedete sich mit einem zuversichtlichen Händedruck und den besten Wünschen, und stieg, fast zwei Stunden nach seiner Ankunft, in seinen Wagen.

      Carla schloss hinter ihm die Tür und lehnte sich erschöpft dagegen. Sie beäugte das Druckwerk der Firma Clean Star, das schwer in ihrer Hand lag. Um diesen Wälzer durchzuackern, müsste sie glatt einen Tag Urlaub nehmen! Beim Stichwort Urlaub wurde ihr heiß und kalt. Wie sollte sie die Ausgabe von 2.219 Euro für einen Staubsauger ihrem Mann beibringen? Denn eigentlich war dieses Geld für ihren Urlaub in Barcelona vorgesehen. Jetzt hatte sie ein schlechtes Gewissen obendrein!

      Ein Blick zu Gertrud aber sagte ihr, dass sie, außer Herrn Fingerlos, heute noch einen zweiten Menschen sehr glücklich gemacht hatte.

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