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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.

Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant


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kal­t… an dei­nen lie­ben klei­nen Füß­chen… Das… hat mir nie ei­ner ge­sag­t… mir nie!…

      *

      Wa­rum freu­en wir uns doch so sehr über die ers­te Lenz­son­ne? Wa­rum er­füllt uns die­ses Licht, das die Erde be­scheint, so mit neu­em Le­bens­glück? Der Him­mel ist so blau, die Flur so grün, die Häu­ser so weiß; und uns­re Au­gen fan­gen die­se Far­ben mit Ent­zücken auf, um sie in See­len­freu­de um­zu­set­zen. Und uns wan­delt die Lust an, zu tan­zen, zu lau­fen und zu sin­gen; uns­re Ge­dan­ken sind so glück­lich und leicht; un­ser Herz wei­tet sich so zärt­lich; wir möch­ten die Son­ne um­ar­men…

      Nur die Blin­den sit­zen stumpf in den Tü­ren, von ewi­ger Nacht um­fan­gen. Sie sind ru­hig, wie im­mer, auch in­mit­ten die­ses la­chen­den Froh­sinns, und alle Mi­nu­ten hei­ßen sie ih­ren Hund, der mit sprin­gen und ja­gen möch­te, sich ru­hig zu ver­hal­ten; sie ver­ste­hen ja nicht… Erst wenn sie bei sin­ken­der Son­ne am Arm ei­nes jün­ge­ren Bru­ders oder ei­ner klei­nen Schwes­ter ins Haus zu­rück­keh­ren und das Kind sagt: »Ach, heu­te war es schön drau­ßen!«, dann ant­wor­ten sie wohl: »Ich hab’ es wohl ge­merkt, dass es schön war; Lou­lou woll­te gar­nicht still­sit­zen«.

      Ich kann­te einen sol­chen Men­schen, für den das Le­ben eine der grau­sams­ten Mar­tern war, die sich den­ken las­sen. Er war ein Bau­er, der Sohn ei­nes Päch­ters aus der Nor­man­die. So­lan­ge Va­ter und Mut­ter leb­ten, wur­de ei­ni­ger­ma­ßen für ihn ge­sorgt, so­dass er nur an sei­ner ent­setz­li­chen Blind­heit zu tra­gen hat­te, aber seit die Al­ten tot wa­ren, be­gann sein Mar­ty­ri­um. Eine Schwes­ter nahm ihn zu sich, aber je­der­man im Hofe be­han­del­te ihn wie einen Bett­ler, der an­de­rer Leu­te Brot aß. Kei­ne Mahl­zeit ver­ging, bei der man ihm nicht sei­ne Nah­rung miss­gönn­te, ihn Faul­len­zer und Klet­te schalt; und trotz­dem sein Schwa­ger sich sei­nes Erb­teils be­mäch­tigt hat­te, gab man ihm kaum so viel Sup­pe, dass er nicht ver­hun­ger­te.

      Sein Ge­sicht war ganz fahl; zwei große wei­ße Au­gens­ter­ne wa­ren wie Obla­ten hin­ein­ge­drückt. Er blieb gleich­gül­tig ge­gen die Schelt­wor­te und so in sich ge­kehrt, dass man nicht wuss­te, ob er sie über­haupt emp­fand. Er hat­te ja auch nie ihr Ge­gen­teil ken­nen ge­lernt. Sei­ne Mut­ter hat­te ihn im­mer et­was un­sanft be­han­delt und lieb­te ihn nicht eben sehr; denn auf dem Lan­de gilt al­les, was un­nütz ist, für schäd­lich, und die Bau­ern tä­ten es am liebs­ten den Hüh­nern nach und bräch­ten, wenn sie könn­ten, alle Ge­brech­li­chen um.

      So­bald er sei­ne Sup­pe her­un­ter hat­te, stand er auf und setz­te sich – im Som­mer vor die Haus­tür, im Win­ter an den Ofen, und von dort rühr­te er sich nicht mehr bis zum Abend. Er blieb ohne Ge­bär­den, ja ohne Be­we­gun­gen sit­zen; nur sei­ne Au­gen­li­der durch­lief oft ein ner­vö­ses Zu­cken, wäh­rend sie über sei­ne wei­ßen Au­gäp­fel her­ab­fie­len. Hat­te er Geist, Ver­stand und deut­li­ches Le­bens­be­wusst­sein? Die­se Fra­ge leg­te sich nie ei­ner vor.

      So ging es ei­ni­ge Jah­re lang. Doch sein Stumpf­sinn und mehr noch sei­ne ab­so­lu­te Un­brauch­bar­keit er­bit­ter­ten schließ­lich sei­ne An­ge­hö­ri­gen und er wur­de bald zur Ziel­schei­be des Spot­tes, zum Mär­ty­rer-Po­panz, zur will­kom­me­nen Beu­te der an­ge­bo­re­nen Nie­der­tracht und bar­ba­ri­schen Freu­de sei­ner bru­ta­len Um­ge­bung. Alle Pos­sen, die sei­ne Blind­heit er­mög­lich­te, wur­den mit ihm an­ge­stellt. Und um sich für das, was er aß, be­zahlt zu ma­chen, trie­ben sei­ne An­ver­wand­ten wäh­rend der Mahl­zeit ih­ren Spott mit ihm und fopp­ten ihn zum Ver­gnü­gen der Nach­barn und zur Qual für den Wehr­lo­sen.

      Alle Bau­ern aus der Nach­bar­schaft er­schie­nen zu die­sen Be­lus­ti­gun­gen; man sag­te sich von Tür zu Tür Be­scheid, und die Kü­che des Pacht­ho­fes war je­den Tag ge­drängt voll. Zu­nächst setz­te man einen Hund oder eine Kat­ze auf den Tisch vor den Tel­ler, aus dem der Un­glück­li­che sei­ne Fleisch­brü­he löf­fel­te. Das Tier, das die Schwä­che des Es­sers bald her­aus hat­te, kam sach­te her­an­ge­schli­chen und schleck­te in stil­lem Be­ha­gen mit, bis ein zu lau­tes Zun­gen­schnal­zen die Auf­merk­sam­keit des ar­men Teu­fels schließ­lich er­reg­te: dann mach­te es sich be­hut­sam da­von und wich dem Löf­fel, mit dem der Blin­de plan­los vor sich hin­schlug, ohne viel Mühe aus.

      Lau­tes Ge­läch­ter, Ge­drän­ge und Ge­tram­pel der Zuschau­en­den, die dicht ge­drängt an den Wän­den stan­den, folg­te die­ser Pro­ze­dur, wäh­rend der Gef­opp­te, ohne ein Wort zu sa­gen, wie­der zu es­sen be­gann, und mit der vor­ge­hal­te­nen Lin­ken sei­nen Tel­ler be­schütz­te und ver­tei­dig­te.

      Dann gab man ihm Pfrop­fen, Holz, Blät­ter und schließ­lich Dreck zu es­sen, was er nicht un­ter­schei­den konn­te. Und schließ­lich, da auch das lang­wei­lig wur­de und die Spä­ße nicht mehr zo­gen, be­gann der Schwa­ger in sei­ner Wut, dass er ihn er­näh­ren muss­te, ihn mit Püf­fen und Schlä­gen zu trak­tie­ren und lach­te über die ver­geb­li­chen An­stren­gun­gen des Un­glück­li­chen, die Schlä­ge zu pa­rie­ren oder hin­aus­zu­ge­ben. Daraus wur­de dann ein neu­es Spiel, das Maul­schel­len­spiel: Och­sen- und Pfer­de­knech­te, Mäg­de, al­les zog ihm fort­wäh­rend die Hän­de durchs Ge­sicht, und sei­ne Li­der zuck­ten dann noch hef­ti­ger. Er wuss­te nicht, wo­hin er sich vor ih­nen ret­ten soll­te, und ging dar­um im­mer mit vor­ge­streck­ten Ar­men, da­mit ihm kei­ner zu nahe käme.

      End­lich zwang man ihn, zu bet­teln. An Markt­ta­gen stell­te man ihn auf die Stra­ßen, und so­bald das Geräusch von Schrit­ten oder das Na­hen ei­nes Wa­gens hör­bar ward, muss­te er sei­nen Hut zie­hen und sein: »Bit­te um ein klei­nes Al­mo­sen!« her­be­ten.

      Aber der Bau­er ist knicke­rig, und so ver­gin­gen oft Wo­chen, wo er nicht einen Sou heim­brach­te. Seit­dem wuchs der Hass ge­gen ihn ins Gren­zen­lo­se, Er­bar­mungs­lo­se. Und dies war sein Tod.

      Ein­mal im Win­ter, als die Erde dicht ver­schneit und es mör­de­risch kalt war, führ­te ihn sein Schwa­ger am frü­hen Mor­gen weit fort auf eine Land­stra­ße, wo er um Al­mo­sen bet­teln soll­te. Dort ließ er ihn den gan­zen Tag über ste­hen, und als es Nacht wur­de, er­klär­te er sei­nen Leu­ten, er hät­te ihn nicht wie­der­ge­fun­den. »Nee«, setz­te er hin­zu, »um Den brau­chen wir uns kei­ne Sor­ge zu ma­chen. Es wird ihn schon ei­ner mit­ge­nom­men ha­ben, wenn ihm kalt war. I wo, der ist nicht drauf­ge­gan­gen. Der wird mor­gen schon wie­der kom­men und sei­ne Sup­pe wol­len.«

      Er kam aber nicht wie­der.

      Stun­den­lang hat­te er ge­stan­den und ge­war­tet. Dann, als er fühl­te, dass er er­frie­ren wür­de, war er blind­lings drauf los­ge­gan­gen. Er konn­te den ver­schnei­ten Stra­ßen­zug un­ter der Schnee­de­cke nicht er­ken­nen und stürz­te in ver­schnei­te Grä­ben, ar­bei­te­te sich wie­der hoch und such­te still­schwei­gend nach ei­nem Hau­se.

      Aber der ei­si­ge Schnee durch­käl­te­te ihn all­mäh­lich im­mer mehr, und als ihn sei­ne schwa­chen Bei­ne nicht mehr tra­gen konn­ten, setz­te er sich mit­ten auf einen Acker, von dem er nicht mehr auf­stand.

      Bald hat­ten die wei­ßen Schnee­flo­cken ihn ganz zu­ge­deckt. Sein steif ge­wor­de­ner Kör­per ver­schwand un­ter ih­rer dich­ten De­cke, die sich be­stän­dig er­höh­te, und bald ver­riet nichts mehr die Stel­le, wo der Leich­nam lag.

      Sei­ne Ver­wand­ten stell­ten zum Schei­ne


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