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Propaganda. 100 Seiten. Alexandra BleyerЧитать онлайн книгу.

Propaganda. 100 Seiten - Alexandra Bleyer


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Integrität der PR-Betreiber geprüft werden. Damit wird nicht abgestritten, dass es ethisch einwandfreie PR gibt und diese zur Regel werden sollte. Aber es ist ein Tatbestand, dass Tarnen und Täuschen Wesensmerkmale der PR sind. Um hohe Glaubwürdigkeit zu erreichen, ist es oftmals besser, sich nicht als Urheber einer bestimmten Aussage zu erkennen zu geben.«

      Michael Kunczik, Public Relations. Konzepte und Theorien, Köln u. a. 2002

      In den letzten Jahrhunderten professionalisierte und institutionalisierte sich gerade auch die staatliche Propaganda. Die moderne Öffentlichkeitsarbeit begann mit Napoleon Bonaparte (1769–1821), der u. a. mittels eigener Zeitungen sein Image pflegte. Der in der Französischen Revolution eingeführten Pressefreiheit versetzte er, kaum war er 1799 Erster Konsul geworden, den Todesstoß. Sein Bureau de presse überwachte die Druckerzeugnisse, viele Zeitungen wurden verboten und Journalisten sowie Herausgeber oppositioneller Schriften verfolgt. Napoleon betrieb quasi Message Control auf höchstem Niveau: Der von ihm kontrollierte Moniteur wurde in der politischen Berichterstattung zum Leitmedium erhoben, nach dem sich alle Zeitungen in seinem Grand Empire richten mussten. Zudem gab er Themen vor und verfasste selbst (anonym) Beiträge.

      In den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts wurden zum Teil eigene Ministerien für Propaganda eingerichtet, wobei man wie beim britischen Ministry of Information unverfänglichere Bezeichnungen bevorzugte. Der US-Journalist George Creel (1876–1953), der das 1917 bei Kriegseintritt der USA gegründete Committee on Public Information leitete, schrieb in seinen Memoiren, dass US-Präsident Woodrow Wilson (1856–1924) und er die Organisation nicht mit Propaganda in Verbindung bringen wollten, »weil jeder dieses Wort mit Korruption und Hinterlist verbunden hätte. Unser Ansatz war ein bildungspolitischer, wir wollten informieren«.

      Wie lautet die Faustregel? Böse Propaganda machen die anderen. Wir hingegen informieren, betreiben PR- und Öffentlichkeitsarbeit oder strategische Kommunikation oder wie auch immer man das Kind nennen will, solange es nicht Propaganda heißt. Noch im 21. Jahrhundert werden Abteilungen und Behörden, deren Aufgabenfeld verdächtig danach klingt, misstrauisch beobachtet. Aus EU- und NATO-Ländern wird gegenüber Russland der Propagandavorwurf erhoben; umgekehrt bezichtigt Moskau den Westen, über die East Stratcom Task Force (Strategisches Kommunikationsteam Ost) der EU antirussische Propaganda zu betreiben.

      2002, ein Jahr vor dem Beginn des Irakkrieges, wurde auf Initiative des damaligen US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld (*1932) das Office of Strategic Influence (OSI) gegründet, um die öffentliche Meinung und die Medienberichterstattung außerhalb der USA zu beeinflussen. »Gemäß den Worten des Verteidigungsministers sollte es eine Behörde für Zersetzungspropaganda und Desinformation werden, Mittel der ›schwarzen Propaganda‹ waren also explizit vorgesehen«, schreibt Andreas Elter (Die Kriegsverkäufer). Allerdings führten Rumsfelds Vorschläge rasch zu Protesten seitens der Opposition, ausländischer Medien wie auch der US-Medien selbst, die Fehlinformationen von der auswärtigen Presse hätten übernehmen können. Die Konsequenz? Das Office of Strategic Influence wurde geschlossen. 2003 wurde das Office of Global Communications (OGC) gegründet, das direkt dem Weißen Haus untersteht. Es soll im Ausland das Image der USA fördern und die US-Außenpolitik rechtfertigen.

      Unstrittig ist, dass politische Akteure auf Propaganda bzw. PR- und Öffentlichkeitsarbeit nicht verzichten können. Politiker müssen mit dem modernen Mediensystem umgehen, sich inszenieren und vermarkten können. Unterstützung erhalten sie von PR-Profis; der Pressestab einzelner Politiker und Parteien wächst stetig an. Zudem werden Leistungen externer PR-Agenturen teuer hinzugekauft.

      Nils Klawitter befasste sich 2006 in seinem Spiegel-Artikel Meister der Verdrehung mit der US-amerikanischen PR-Agentur Rendon Group, die »quasi zum Kriegsinventar der Amerikaner« gehörte und deren Chef John Rendon sich treffend als »Informationskrieger und Wahrnehmungsmanager« bezeichnete. Als US-amerikanische Panzer am 27. Februar 1991 auf Kuwait City zurollten, winkten ihnen Bewohner mit kleinen US-amerikanischen oder britischen Fähnchen zu. »Haben Sie sich jemals darüber gewundert, wie Menschen aus Kuwait City, nachdem sie sieben Monate in Geiselhaft gehalten wurden, in der Lage waren, an kleine amerikanische Flaggen zu kommen?«, fragte Rendon. »Tja, Sie kennen die Antwort. Das war einer meiner Jobs.« Er war bereits vor den Truppen vor Ort gewesen und hatte die Fähnchen verteilt. Politische PR ist ein Milliardengeschäft; da sind solche Leistungen im Preis inbegriffen.

      Das führt zu der brisanten Frage: Wo ziehen PR-Agenturen die Grenzen dessen, was moralisch noch vertretbar ist? Seitens der PR-Branche gibt es Ethikregeln in Form einer Selbstverpflichtung – beispielsweise sollen nur wahre Informationen verbreitet und keine unlauteren Mittel eingesetzt werden. Ich gehe davon aus, dass sich die meisten Vertreter der PR-Branche daran halten. Doch gibt es immer auch solche, die das nicht tun, und selbst »menschenrechtsverachtende Staaten hatten niemals Schwierigkeiten, renommierte PR-Agenturen für sich zu gewinnen« (Michael Kunczik).

      Lassen wir einen weiteren PR-Experten zu Wort kommen, der seine subjektive Meinung äußert und selbstredend nicht für die gesamte Branche spricht: James Harff, Direktor der Abteilung Global Public Affairs der PR-Agentur Ruder Finn, die in den Balkankriegen für alle drei nichtserbischen Konfliktparteien (Kroaten, Bosnier, Kosovo-Albaner) tätig war. Laut Harff ist es der Agentur gelungen, den Krieg in den Medien und der Öffentlichkeit des Westens vereinfachend »als Geschichte von den guten und den bösen Jungs« darzustellen. Berichte über Gräueltaten wurden von der Agentur gar nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft (das wäre nicht ihre Aufgabe), sondern ausschließlich dahin gehend beurteilt, ob sie »unserer Sache dienlich sind«. Harff: »Wir sind Profis. Wir hatten eine Arbeit zu erledigen, und wir haben sie erledigt. Wir werden nicht dafür bezahlt, Morallehren zu erteilen.«

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