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Italienische Erzählungen. Isolde KurzЧитать онлайн книгу.

Italienische Erzählungen - Isolde Kurz


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dem deutschen Freund den Empfang des schon wieder zerronnenen Geldes zu quittieren.

      Er fühlte wohl, daß es unzart war, nicht sofort zu Lydia zu eilen, aber er fand keine Zeit, und dann, wie konnte er sich in dieser Verfassung zeigen? Nein, es ging wirklich nicht. Endlich entschloß er sich und griff zur Feder, um sein Ausbleiben zu entschuldigen.

      Umgehend kam auch ein Schreiben von ihr, er wußte nicht, ob es eine Antwort auf das seinige war oder ob die beiden Briefe sich gekreuzt hatten.

      „Mein Paul“, schrieb sie, „ich weiß, daß du es nicht kannst. Du würdest zu unglücklich sein, in der steten Furcht vor dem morgigen Tage, und ich mit dir. Denn neben einem leichtlebigen Mann würde ich wohl den Sprung ins Unbekannte wagen, aber um uns beide aufrechtzuhalten, dazu reicht meine Kraft nicht aus. Wir haben keine Schuld, wir beide, es liegt im Blut; wer als Schneider geboren ist, wird nimmermehr ein Schuster.

      Ich habe mit Frau Esselin gesprochen, sie gibt mich frei, und ich reise morgen nach Hause. Ein Schwager meiner Schwester wirbt seit zwei Jahren um mich, ich habe dir nie davon gesprochen, um dich nicht zu beunruhigen. Er ist ein guter Mensch, der mir verzeihen wird, daß ich ihn nicht lieben kann, und ich will mein Jawort geben, schon um dich von der Besorgnis um meine Zukunft zu befreien.

      Mein Geliebter, komme nicht heraus, es ist besser, daß wir uns nicht mehr sehen. Wenn es eine Welt gibt, deren Kreaturen nicht nach Brot schreien, so hoffe ich, dort einmal dich wiederzufinden.“ —

      Als Paul diesen Brief gelesen hatte, weinte er wie ein Kind; er fühlte wohl, daß er mit dieser Liebe von zehn Jahren auch seine Jugend zu Grabe trug und daß er fortan verurteilt war, über einem Trümmerhaufen zu leben, aber er sagte sich: „Lydia hat in allem recht.“

      Dennoch kam er über viele Fragen nicht hinaus: Warum, dachte er, ist die Welt für den einen ein fettes, immergrünes Weideland und für den andern ewig eine dürre Heide? Ist es am Ende gar nicht dieselbe Welt, bringt vielleicht ein jeder bei seinem Eintritt ins Leben eine eigene Welt mit, die ihn festhält wie die Atmosphäre? Wie kommt es dann, daß ich gestern mit diesen selben Augen in eine andere, so viel grünere blickte und mir eine Zeitlang einbilden konnte, es sei die meine?

      Als es dunkel wurde, nahm er Hut und Stock und bezahlte mit dem einen wiedergefundenen Goldstück den Champagner von gestern abend.

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