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Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann


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hielt sich aber dabei nicht auf. Warum sich sträuben gegen die klare Gewißheit.

      Während Diana noch mehr erzählte, starrte er mit Augen wie in der Schlacht hinüber auf Gabriele, und seine Lippen bewegten sich, so heftig und hingerissen fühlte er: ,Das ist sie.‘

      ,Das ist sie, und ich mußte vierzig Jahre werden, bis sie erschien. Marmor sagen sie zum Vergleich, von Purpur oder Korallen, von Sonn und Sternen sprechen sie. Leerer Schall, wer kennt das Namenlose außer mir. Wer anders als ich kann das Unendliche besitzen. Göttin oder Fee, was ist das? Königin will nichts sagen. Ich habe immer gesucht, immer versäumt, und dies ist sie.‘

      Auch im Gespräch mit Bellegarde behält sie ihre bescheidene Miene, oder bedeutet es Kälte? Der Ausdruck der Augen ist ungewiß; sie versprechen und scheinen nicht zu wissen, was. ,Sie liebt Feuillemorte nicht!‘ behauptete Henri gegen seine Eifersucht, die ihn quälte. ,Hat sie mich denn aber beachtet? Sie hielt ja die Wimpern gesenkt. Jetzt neigt sie ihr Gesicht über eine Rose: ich werde nie vergessen, wie ihr Hals sich wendete und bog. Sie erhebt das Gesicht — wird mich ansehen, wird — gleich. Ah! nein. Nicht länger so.‘

      Mit zwei langen Schritten war er dort und verlangte lustig: „Die Rose, Fräulein?“

      „Sie wollen sie haben?“ fragte Gabriele d’Estrées höflich und sogar hochmütig: Henri bemerkte es und war einverstanden, denn Hochmut gebührte ihr. Er küßte die Rose, die sie ihm reichte; dabei entblätterte sich die Rose. Auf einen neuen Wink des Königs verschwand Bellegarde. Henri fragte sofort darauf los:

      „Wie gefall ich Ihnen?“

      Das wußte sie längst, so ungewiß und poetisch ihr Blick auch blieb, wenn sie ihn musterte. Sie entgegnete aber:

      „Mir gesteht man sonst zuerst, wie ich gefalle.“

      „Das hätte ich nicht getan?“ rief Henri.

      Er hatte vergessen, daß er sprachlos gewesen war, und meinte, sie müßte alles verstanden haben.

      „Reizende Gabriele“, sprach er vor sich hin.

      „Wer hat es Ihnen gesagt? Ihr Blick ist anderswo“, erwiderte sie ruhig.

      „Ich habe schon zuviel gesehen“, stieß er hervor — lachte aber leichtsinnig auf und begann ihr den Hof zu machen, wie sie es erwarten durfte. Er wurde süß, er wurde kühn, ganz der galante König der achtundzwanzig Geliebten, und vertrat seinen Ruf. Sie wehrte ab, ein wenig lockte sie auch, des Anstandes wegen, und weil man befriedigt ist, wenn jemand seinen Ruf bestätigt. Das war sein ganzer Erfolg, mehr nicht, und er fühlte es genau. Davon verwirrte er sich, ohne deshalb mit Reden aufzuhören, und so kam es auf einmal, daß er nach ihrer Mutter fragte. Ihr vollendetes Gesicht wurde kalt, Marmor wurde es wahrhaftig, und sie erklärte, daß ihre Mutter abwesend sei. „In Issoire, mit dem Marquis d’Alègre“, äußerte er obendrein, da er einmal in der Fahrt war, und gerade wegen der eingetretenen Kälte. Gleichzeitig erkannte er, daß sie sich jetzt abwenden mußte und es nur unterließ, weil er der König war. Ein Blick allerdings überflog ihn von Kopf bis Fuß, und davon wurde er plötzlich müde. Was sie erblickt hatte, als sie seine Erscheinung überflog, er verfolgte es in seinem Geiste, Zug um Zug. Die Nase fällt zu tief, wiederholte er innerlich einige Male, und immer nachdrücklicher, als ob es das Schlimmste gewesen wäre. Aber da war mehr.

      Er sah sich nach Bellegarde um, er wollte vergleichen, sein eigenes verwittertes Gesicht und den schönen Menschen, der länger war, und was für Zähne. ,Als junger König von Navarra ließ ich sie mir mit Gold überziehen. Auch wir kannten das, war nur viel anderes zu tun seither.‘

      Diana beobachtete den König, sie sagte: „Sire! Sie wünschen zu ruhen. Ein Zimmer steht bereit zur Nacht. Unser Teich hat herrliche Karpfen für Ihre Mahlzeit.“

      „Geben Sie mir Brot und Butter, ich will die Hand küssen, die es mir hier vor die Tür bringt, bevor ich Abschied nehme. Das Haus des Herrn d’Estrées werde ich nur in seiner Gegenwart betreten.“

      Alle diese Worte richtete er an Gabriele, sie war es auch, die hineinging, das Befohlene zu holen. Der König seufzte, es klang nach Erleichterung, worüber Bellegarde und Diana zusammen erstaunten.

      Henri hatte gehofft, Gabriele würde die Treppe hinauf und sie nochmals hinunter schreiten. Indessen betrat sie einen der unteren Räume und war alsbald wieder hier. Der König aß im Stehen sein Butterbrot, während er scherzte, nach der Landwirtschaft und dem Nachbarnklatsch fragte. Von jedem Untertanen, den Bäckern in Mans, dem Ritter von der Pute, hätte er sich ähnlich unterhalten lassen. Dann stieg er mit seinem Großstallmeister zu Pferd. Nahm aber den Fuß aus dem Bügel, trat nahe zu Gabriele d’Estrées und sprach schnell, seine Augen waren lebhaft und geistreich, ihr war dergleichen nie begegnet und hätte ihr auffallen sollen: „Ich komme wieder“, sprach er. „Meine schöne Liebe“, sprach er. Saß auf, ritt voran, sah nicht zurück.

      Als die Reiter unter Bäumen verschwunden waren, fragte Diana ihre Schwester, was der König ihr heimlich gesagt habe. Gabriele wiederholte es. „Wie!“ rief Diana. „Und das läßt dich so ruhig? Begreif doch, was das ist! Nicht mehr und nicht weniger als das Glück. Wir alle sollen reich und mächtig werden.“

      „Wegen eines Wortes, das er in die Luft spricht.“

      „Zu dir, ob du nun die Mühe lohnst oder nicht, hat er es gesagt, und keine andere wird dasselbe so bald von ihm hören, obwohl mindestens achtundzwanzig es vorher hörten. Wir sind beide nicht dumm und bemerkten genau, wie er sich hier verbiß.“

      „Mit seinen schadhaften gelben Zähnen“, ergänzte Gabriele.

      „Die wagst du zu erwähnen, bei einem König!“ Diana erstickte vor Entrüstung.

      „Gib mir Ruhe“, verlangte Gabriele. „Schließlich ist er ein alter Mann.“

      „Du tust mir leid“, sagte die Schwester. „Ein noch nicht Vierzigjähriger — und abgehärteter Soldat. Welch eine gestraffte Gestalt, so fest in den Hüften!“

      „Die Haut wie geräuchert, zahllose Fältchen“, bemerkte die geliebte Frau.

      „Laß einen Herrn sein Leben im Felde verbringen. Da kann sich einer den Bart nicht gleichmäßig schneiden.“

      „Den grauen Bart“, ergänzte Gabriele. Ihre Schwester rief wütend:

      „Wenn du es wissen willst: sein Hals war schlecht gewaschen.“

      „Meinst du, es wäre mir entgangen?“ fragte Gabriele gelassen. Die andere ließ sich vollends hinreißen.

      „Gerade deswegen hätte ich mich noch heut abend mit ihm hingelegt. Denn nur ein großer Sieger und hochberühmter Mann kann sich solche Seltsamkeiten erlauben.“

      „Ich bin für das Übliche. Die Huldigungen eines Königs von Frankreich sind mir gleich, wenn er ein schadhaftes Wams und einen schäbigen Filz trägt.“

      Damit entfernte Gabriele sich. Diana rief ihr nach, die Stimme lag höher als sonst:

      „Dein langer Geck! Dein schön Frisierter! Dein Wohlduftender!“

      Gabriele sagte rückwärts:

      „Du erinnerst mich daran. Der König roch nicht gut.“

      Nächtlicher Ritt

      Solange der König und sein Edelmann über Hügel und Wellen bunten Laubes ritten, war der Himmel gerötet vom Abend. Jetzt stand schwarz vor ihnen der Wald. Der König hielt an und sah dahinten über den Wipfeln das Schloß schweben. Ein Nachglanz des untergehenden Tages färbte milde die hohen Dächer. Sie hatten einst stechend gefunkelt und hatten versprochen — was nur? Mir war bang. Das ist recht und gewohnt; am Anfang meiner Schlachten erging es mir niemals anders. Ist mir doch zu Sinn, als sollt ich diesmal unterliegen und in Gefangenschaft kommen.

      Zuerst errät man alles hellsichtig, um es sogleich zu vergessen über der Torheit des Erlebens. ,Mein Teil‘, dachte Henri, ,wird diesmal Geduld


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