Wolf unter Wölfen. Ханс ФалладаЧитать онлайн книгу.
wenn ick uff den Klosett komme, ick denke doch, mir jeht die Puste wech, und wer weeß, wat dat allens drin rumwirbelt, und eenmal war ooch een schwarzer Käfer da, und er sah mir soo jefährlich an … Nee, wie denn, wat denn, ick wer keene Wanzen kennen, keene Hausbienen! Mir dürfen Se doch so wat nich erzählen, Liebecken, wo ick und de Wanzen, wir sind doch zusammen jroß jeworden. Aber seitdem se die entdeckt haben, sare ick zu meinem Willem: Pott bleibt Pott, und: Gesundheit ist das halbe Leben! Willem, sare ick zu ihm, paß uff, wo de dir hinstellst. Die Biester springen dir an wie die Tiger, und eh de dir umsiehst, bringst de eene janze Mikrokosmetik int Haus! Aber wat soll ick Sie sagen, Liebecken, komisch is der Mensch ja doch injerichtet, seit ick mit dem Pott jehe, loof ick immerzu. Nich daß ick mir beklage, nur: es ist wunderbar! Ick weeß, unser junger Herr, der de kleene, blasse Dunkle hat, sie is aber nich seine Frau, bloß, sie bildt sich ein, sie wird’s, und manchen schmeckt ja so ’ne Inbildung wie uns Kuchen von Hilbrichen, der nennt mich imma Pottmadamm. Nur, sie verbietet’s ihm, was ich wieder hochreell finde. Aber soll er’s ruhig saren, von meinswejen! Denn warum sagt er es? Weil er seinen Jokus haben will! Und warum will er seinen Jokus haben? Weil er jung is! Denn wenn man jung is, jloobt man jar nischt, nich an de Pfaffen, was ich ooch nich tue, un nich an de Baktzillen. Aber wie kommt es? Wie ich mit’em Pott, so loofen die nachher uff die Beratungsstelle, aber mit wat, det sare ick nich, weil wir’s nämlich beede wissen, Liebecken, un manche nennen’s ja ooch bloß ’en Schnuppen. Und da sind se, so dumm se sind, plötzlich klug geworden, und wat den Schnuppen anjeht, so möchten se plötzlich niesen können und einen haben, der ihnen Jesundheit sagt. Aber die is perdü und darum loofe ick lieba mit ’em Pott …
Also diese Sorte Thumannsche, wabblig-schwabbelig, aber von zuviel Magensäure im Gesicht gezeichnet, schlurrt mit ihrem Pott den Gang entlang.
Die Tür zum Pagelschen Zimmer geht auf, und in ihr steht der junge Wolfgang Pagel, groß, mit breiten Schultern und schmalen Hüften, dem hellen, fröhlichen Gesicht, in seiner feldgrauen Litewka mit den schmalen roten Streifen – es ist ein Stoff, der selbst jetzt, nach fünfjährigem Gebrauch noch gut aussieht, sanftsilbrig glänzend wie manche Lindenblätter …
Guten Morgen, Frau Thumann, sagt er ganz vergnügt. Wie ist es denn mit einem kleinen Palaver wegen Kaffee?
Sie! Sie! sagt die Thumann entrüstet und schiebt mit halb abgewandtem Gesicht vorbei. Sie sehen doch, ich bin beschäftigt!
Aber selbstverständlich, entschuldigen Sie bloß, Frau Thumann. Es war ja nur ’ne eilige Anfrage wegen Kohldampf. Wir warten gerne. Es geht ja erst auf elfe.
Verwarten Sie man nich bloß noch de Zwölfe, sagt die Thumann wie eine warnende Schicksalsgöttin in der Eingangstür, und der Topf schwankt in ihrer Hand. Um zwölf kommt der neue Dollar, und wie der Olle im Jemüsekeller jesacht hat, wird er kräftig kommen und Berlin macht sich wieder mal schwach. Denn können Se mir ohne Wimpernklimpern so an ’ne Million Mark mehr auf den Tisch des Hauses lejen. Und Kaffe ohne Jeld is überhaupt nich!
Damit fällt die Tür hinter ihr zu, das Urteil ist gesprochen, und Wolfgang wendet sich zum Zimmer zurück und sagt nachdenklich-unentschlossen: Eigentlich hat sie ja recht, Peter. Ehe ich sie wegen des Kaffees rumgeschmust habe, ist es sicher zwölf, und wenn der Dollar wirklich steigt – was meinst du?!
Er wartet aber ihre Antwort nicht ab, sondern sagt halb verlegen: Leg dich gemütlich ins Bett, ich trag die Sachen gleich zum Onkel. Und in zwanzig Minuten, spätestens in einer halben Stunde bin ich wieder hier und wir frühstücken gemütlich Schrippen und Leberwurst – du im Bett und ich auf der Bettkante, was meinst du, Peter?
Ach, Wolfi, sagt sie schwach, und ihre Augen werden sehr groß. Grade heute …
Obwohl sie heute morgen noch nicht einen Ton von dieser Sache gesprochen hatten, tat er doch nicht einen Augenblick so, als ob er sie nicht verstünde. Ein wenig schuldbewußt sagte er: Ja, ich weiß, es ist dumm. Aber es ist wahrhaftig nicht meine Schuld. Oder fast nicht meine Schuld. Alles ging verquer heute nacht. Ich hatte schon ganz schön gewonnen, aber dann hatte ich plötzlich die wahnsinnige Idee, Null müsse gewinnen. Ich verstehe mich selbst nicht mehr …
Er hielt inne. Er sah den Spieltisch vor sich, weiter nichts als ein abgegriffenes grünes Tuch, über den Eßzimmertisch eines gut bürgerlichen Zimmers gebreitet. In der Ecke stand klobig, mit Türmen, geschnitzten Rittern und Edeldamen, Knäufen und Löwenmäulern das Büfett. Denn die Spielklubs, Spielhöllen jener Tage führten – auf der ständigen Flucht vor dem Spielerdezernat der Krimpo – ein unstetes Dasein. Von einer Nacht zur andern – roch es sauer am alten Ort – mieteten sie bei irgendeinem verarmten Angestellten das Eßzimmer, den Salon. Nur für die paar Nachtstunden – da brauchen Sie es ja doch nicht. Und Sie liegen im Bett und schlafen; was wir tun, geht Sie nichts an!
So kam es, daß bei jenem Oberbuchhalter, bei diesem Abteilungsvorsteher das Vorkriegszimmer, das Schwiegermutter noch ausgesucht hatte, Versammlungsort von Smokings und Jackettanzügen, Blusen und Abendkleidern wurde – ab nachts elf Uhr. In der stillen, geruhig-anständigen Straße trieben Schlepper und Spanner ihr Unwesen, sie holten das Publikum zusammen, auf das es ankam: Provinzonkels, angesäuselte Herren, unentschlossen, wohin nun; Börsenjobber, die von dem täglichen Valutataumel noch nicht genug hatten. Der Portier hatte sein Geld und schlief fest, die Haustür mochte gehen, so oft sie wollte. In der nüchternen Flurgarderobe mit den angegrünten Messinghaken stand ein Tischchen mit dem großen Spielmarkenkasten, den ein bärtiger, traurig aussehender Hüne von Wachtmeistertyp verwaltete. An der Tür des W. C. hing ein Pappschild ›Hier!‹ Es wurde nur geflüstert, jeder hatte ein Interesse, daß niemand im Haus ›etwas‹ merkte. Es gab auch nichts zu trinken. Betrunkene konnte man wegen etwaigen Lärms nicht gebrauchen. Es gab nur das Spiel, Rausch genug.
So still war es, daß man schon vom Vorplatz das Schnurren der Kugel hörte. Hinter dem Croupier standen zwei Männer in Jackettanzügen, jederzeit bereit, einzugreifen und jeden Streit durch die gefürchtete Verweisung auf die Straße, durch Ausschluß vom Spiel, zu schlichten. Der Croupier trägt Frack. Aber sie sehen sich alle drei ähnlich, er und seine beiden hinter ihm stehenden Helfershelfer, diese drei Männer, ob mager oder fett, dunkel oder hell. Alle haben kalte, rasche Augen, krumme, böse Nasen wie Habichtschnäbel, dünne Lippen. Sie sprechen kaum miteinander, sie verständigen sich durch Blicke, allenfalls ein Deuten mit der Schulter. Sie sind böse, gierig, kalt – Abenteurer, Raubritter, Beutelschneider, Zuchthäusler – wer weiß das! Man kann sich unmöglich vorstellen, daß sie ein Privatleben haben, eine Frau, Kinder, die ihnen die Hand geben und ›Guten Morgen‹ sagen. Man kann sich nicht ausmalen, wie sie sind, wenn sie mit sich allein sind, aus dem Bett aufstehen, sich beim Rasieren im Spiegel anschauen. Sie scheinen dafür bestimmt, hinter dem Spieltisch zu stehen, böse, gierig, kalt. Vor drei Jahren gab es sie noch nicht, und in einem Jahr wird es sie nicht mehr geben. Das Leben hat sie emporgespült, da sie gebraucht wurden; es trägt sie wieder mit sich fort, unfaßlich, wohin, wenn ihre Zeit vorüber ist, aber das Leben hat sie, das Leben hat alles, was gebraucht wird.
Um den Tisch sitzt eine Reihe Spieler, die Reichen, die Leute mit der dicken, schwellenden Brieftasche, die ausgenommen werden sollen, die Neulinge, die grünen Heringe. Daß sie stets einen Sitzplatz finden, dafür sorgen die drei schweigsamen, gesträubten Raubvögel schon. Hinter ihnen stehen in zwei, drei Reihen die andern Spieler, dicht aneinandergedrängt. Sie nahm ihre Einsätze über die Schultern der Vordermänner weg, unter den Armen durch, auf ein Fleckchen Spielfeld, das sie grade erspähen können. Oder sie reichen die Spielmarken hoch über die Köpfe der andern fort, einem der drei Männer, mit einer gemurmelten Weisung.
Aber trotz dieser Unübersichtlichkeit, dieses Gedränges gibt es kaum je Streit, denn die Spieler sind viel zu versunken in das eigene Spiel, in das Rollen der Kugel, um auf die andern groß zu achten. Und zudem gibt es so viele Sorten verschiedenfarbiger Spielmarken, daß selbst bei stärkstem Andrang höchstens zwei, drei Spieler dieselbe Farbe spielen. Eng aneinandergedrängt stehen sie: schöne Frauen, gut aussehende Männer sind dabei. Sie lehnen sich aneinander, Hand berührt Brust, Hand streift seidige Hüfte: sie spüren nichts. Wie eine große Glut den Glanz des kleinen Feuers bleich macht und dunkel, hören die eng Gedrängten nur noch das Schnurren der Kugel, das Klappern der beinernen Jetons. Still steht die Welt, die Brust