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Wolf unter Wölfen. Ханс ФалладаЧитать онлайн книгу.

Wolf unter Wölfen - Ханс Фаллада


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im Haus verbreitet. Jetzt kommt eine dickliche Frau herein, keine Dame, eine Frau. Sie wirft einen raschen, fast verlegenen Blick auf Wolf und sagt dann laut am Küchenherd: Der Herr hat eben angerufen. Wir essen pünktlich um halb vier.

      Gut! sagt das Mädchen am Herd, und die Frau geht wieder, nicht ohne einen zweiten prüfenden Blick auf Wolfgang geworfen zu haben.

      ›Alberne Gafferei! Ich haue gleich ab!‹

      Von neuem geht die Tür. Ein Diener in Livree kommt herein, der Diener. Er braucht nicht wie die dicke Frau irgendeinen Vorwand, er geht quer durch die Küche, steigt die beiden Stufen hinauf und tritt zu Wolfgang an den Tisch. Der Diener ist schon ein älterer Mann, aber mit einem frischfarbigen, freundlichen Gesicht.

      Er reicht Wolfgang die Hand, ohne jede Verlegenheit, und sagt: Ich heiße Hoffmann.

      Pagel, sagt Wolfgang, nach kurzem Zögern.

      Es ist sehr schwül heute, sagt der Diener freundlich, mit einer leisen, aber sehr deutlichen, geschulten Stimme. Darf ich Ihnen vielleicht etwas Kühles bringen – eine Flasche Bier?

      Wolfgang überlegt einen Augenblick, dann: Wenn ich um ein Glas Wasser bitten dürfte?

      Bier macht schlaff, sagt der andere beistimmend. Und holt ein Glas Wasser. Das Glas steht auf einem Teller, und in dem Wasser schwimmt sogar Eis, alles, wie es sich gehört.

      Ja, das tut gut, sagt Wolfgang, gierig trinkend.

      Lassen Sie sich Zeit, sagt der andere, immer mit dem gleichen freundlichen Ernst. Sie trinken uns das Wasser nicht alle. –

      Auch nicht das Eis, setzt er nach einer Pause hinzu, und in seinen Augenwinkeln entstehen Fältchen. Er holt aber noch ein zweites Glas.

      Danke sehr, sagt Wolfgang.

      Fräulein Liesbeth hat im Augenblick zu tun, sagt der Diener. Aber sie kommt bald.

      Ja, sagt Wolfgang langsam. Und, indem er sich einen Ruck gibt: Ich gehe jetzt lieber, ich bin wieder ganz frisch.

      Fräulein Liesbeth, sagt der andere freundlich, ist ein sehr gutes Mädchen, sehr gut und sehr tüchtig.

      Sicher, stimmt Wolfgang höflich zu. Nur der Gedanke an sein Geld in der Kleidertasche dieses Fräulein Liesbeth hält ihn noch hier. Diese paar eben noch so verachteten Scheine brächten ihn rasch zum Alexanderplatz. Es gibt viele gute Mädchen, sagt er beistimmend.

      Nein, sagt der andere entschieden. Verzeihen Sie, daß ich Ihnen widerspreche: die Art gute Mädchen, die ich meine, ist selten.

      Ja? fragt Wolfgang.

      Ja, sagt der andere. Man muß das Gute nämlich nicht grade mal tun, weil es einem Spaß macht, sondern immer, weil man das Gute liebt. Er sieht Wolfgang noch einmal an, nicht mehr ganz so freundlich wie bisher. (›Putzige Kruke‹, denkt Wolfgang.) Der Diener sagt abschließend: Also es dauert nicht mehr lange.

      Er geht wieder aus der Küche, ebenso sachte, ebenso besonnen wie vorher. Wolfgang hat das Gefühl, dieser Diener nimmt keinen guten Eindruck von ihm mit, obwohl er kaum etwas gesagt hat.

      Jetzt muß er etwas rücken: das Mädchen vom Herd kommt mit einem Tischtuch, dann mit einem Tablett und fängt an, den Tisch zu decken. Bleiben Sie ruhig sitzen, sagt sie. Sie stören nicht.

      Auch sie hat eine angenehme Stimme, die Leute in diesem Haus haben eine gute Art zu sprechen, es fällt Wolfgang auf. Sie sprechen sehr rein, sehr deutlich.

      Das ist Ihr Gedeck, sagt das Mädchen, als Wolfgang gedankenlos auf die Papierserviette vor sich starrt. Heute mittag essen Sie hier.

      Wolfgang macht eine gedankenlose, aber abwehrende Bewegung. Irgend etwas fängt an, ihn zu stören. Es ist ein Haus gar nicht weit ab von Zeckes Palazzo, doch sehr weit entfernt. Aber sie sollten nicht mit ihm reden, als sei er ein Kranker, nein, als sei er jemand, der im Wahn eine schlimme Tat getan hat, mit dem man noch behutsam spricht, um ihn nicht rasch aufzuwecken.

      Das Mädchen sagt: Sie werden doch Liesbeth nicht enttäuschen. Und nach einer Pause: Die gnädige Frau ist einverstanden.

      Sie deckt, klimpert ein wenig mit den Bestecken – sehr wenig, es geht ihr alles rasch und leise von der Hand. Wolfgang sitzt regungslos, es muß eine Art Lähmung sein, das macht natürlich die Hitze. Also eine Art Bettler, von der Straße hereingekommen, hat Hunger, mit Bewilligung der Herrschaft wird eine Mittagsmahlzeit gereicht. Seine Mutter ließ durch Minna ein paar Stullen schmieren, der Bettler durfte nicht in die Küche. Im höchsten Fall wurde ein Teller Suppe durch die Tür gereicht, der auf dem Treppenabsatz ausgelöffelt werden mußte.

      Nun, hier in Dahlem war man feiner, aber für den Bettler machte es wenig aus, Bettler war Bettler, vor der Tür wie in der Küche, von nun an bis in alle Ewigkeit. Amen!

      Er haßte sich, daß er nicht ging. Er wollte kein Essen, was lag ihm am Essen? Er konnte bei seiner Mutter essen, Minna hatte erzählt, immer lag ein Gedeck für ihn auf. Nicht daß er sich geschämt hätte, aber sie sollten nicht zu ihm reden, als sei er ein Kranker, den man schonen muß – er war nicht krank! Nur dieses verfluchte Geld! Warum hatte er ihr vorhin diese jämmerlichen Lappen nicht aus der Hand genommen?! Er säße jetzt schon in der Untergrundbahn …

      In seiner Nervosität hat er eine Zigarette vorgezogen, er ist schon im Begriff, sie anzubrennen, als das Mädchen sagt: Bitte, wenn Sie es irgend aushalten, jetzt nicht. Sofort, wenn ich das Essen raufgeschickt habe. Der Herr schmeckt so empfindlich …

      Die Tür geht auf und herein kommt ein kleines Mädchen, Tochter des Hauses, zehn Jahre oder zwölf, hell, fröhlich, leicht. Die weiß von der bösen grauen, riechenden Stadt draußen bestimmt nichts! Will sich den Bettler mal anschauen, Bettler scheinen in Dahlem wirklich ein rarer Artikel!

      Papa ist schon unterwegs, Trudchen, sagt das Kind zu dem Mädchen am Herd. In einer Viertelstunde können wir essen. – Was gibt es, Trudchen?

      Topfriecher! lacht das Mädchen und hebt einen Deckel. Dampf steigt auf, das Kind schnuppert eifrig. Dann sagt es: Och, bloß olle Schoten! Nein, sag wirklich, Trudchen.

      Suppe, Fleisch und Schoten, sagt Trudchen scheinheilig.

      Und –? fragt das Kind drängend.

      Und, sagte Herr Rund – da biß ihn der Hund! lacht das Mädchen halb singend.

      ›Das gibt es noch‹, denkt Wolfgang halb lächelnd, halb verzweifelt. ›All das gibt es also noch. Ich habe es bloß nicht mehr zu sehen bekommen, in meiner Höhle Georgenkirchstraße, habe es darum vergessen. Aber richtige Kinder, Unschuld, unverdorbene, unwissende Unschuld gibt es auch noch. Die Frage nach der süßen Speise eine Wichtigkeit, da hunderttausend die Frage nach dem täglichen Brot überhaupt nicht mehr stellen mögen! Plünderungen in Gleiwitz und Breslau, Lebensmittelkrawalle in Frankfurt am Main und Neuruppin, Eisleben und Dramburg …‹

      Er betrachtet das Kind ablehnend. ›Es ist ja Schwindel‹, denkt er weiter, ›eine künstliche Unschuld, eine ängstlich geschützte Unschuld – genau wie sie Gitter vor ihren Fenstern haben. Das Leben kommt doch – was wird in zwei, drei Jahren von dieser Unschuld noch da sein?‹

      Guten Tag! sagt das Kind zu ihm. Es hat ihn erst jetzt bemerkt, vielleicht weil er mit dem Stuhl rückte, um aufzustehen und fortzugehen. Er nimmt die Hand, die das Kind ihm hinhält. Es hat dunkle Augen unter einer klaren, schönen Stirn, es sieht ihn ernst an. Sie sind der Herr, der mit unserer Liesbeth gekommen ist? fragt es eindringlich.

      Ja, sagt er und versucht, gegen soviel Ernst anzulächeln. Wie alt bist du denn?

      Elf Jahre, sagt sie höflich. Und Ihre Frau hat nichts als einen Paletot?

      Richtig, sagt er und versucht noch immer zu lächeln und leicht zu tun. Aber es ist eine verfluchte Sache, seinen Taten im Munde anderer, und nun gar schon von Kindern, zu begegnen. Und gegessen hat sie auch nichts – und wird wohl kaum etwas kriegen, nicht einmal Speise mit Makronen.

      Aber sie merkt gar nicht, daß er ihr weh tun wollte. Mama


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