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Der weisse Schmetterling. Walter MosleyЧитать онлайн книгу.

Der weisse Schmetterling - Walter  Mosley


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in seinen Besucherstuhl und wartete darauf, dass er Geschäftliches zur Sprache brachte. Wir kannten uns schon viele Jahre. Vielleicht hatte ich deshalb zweierlei Ansichten über Mofass’ Krankheit. Einerseits tat es mir immer leid, wenn ich einen Menschen sah, dem es miserabel ging. Aber andererseits war Mofass ein Feigling, der mich einmal verraten hatte. Ich hatte ihn nur aus einem Grund nicht umgebracht: Ich hatte mich nicht als besserer Mensch erwiesen.

      »Wie läuft’s?«, fragte ich.

      »Tut sich nix bis auf die Miete.«

      Darüber lächelten wir beide.

      »Is wohl okay«, sagte ich.

      Mofass hob die Hand, damit ich schwieg, und nahm einen Porzellantiegel vom Schreibtisch. Er schraubte ihn auf, hielt ihn sich an Nase und Mund und atmete tief ein. Der Geruch nach Kampfer und Menthol stach mir in die Nase.

      »Ham Se das mit der neuesten Leiche schon gehört?«, fragte Mofass, dessen Stimme aus dem Grab wiederauferstanden war.

      »Nein.«

      »Die haben se in der Hundertzehnten gefunden. Nich weit von Ihnen. Hat geheißen, da sind fast zwanzig Cops gewesen.«

      »Ja?«

      »Amüsiermiezen. Nicht mehr ganz so amüsant«, sagte er. »So ein Irrer, macht junge Dinger alle. Eine Schande.«

      Mofass zog eine Zigarre aus der Westentasche. Er wollte die Spitze abbeißen, als er meinen Blick sah. Er steckte den Sargnagel zurück und sagte: »Kann brenzlig für uns werden.«

      »Wieso brenzlig?«

      »Jede Menge von den Miezen sind Mieter von Ihnen, Mann. Leben allein oder sind sitzen gelassen worden. Haben ein Baby und einen Job, und Freitagabend ziehn se mit Freundinnen los und wolln nen Mann aufgabeln.«

      »Na und? Glauben Se, der Kerl, der das macht, rottet unsere ganzen Mieter aus?«

      »Nee, nee. Ganz so blöd bin ich nich. Hab zwar nix mit dem College am Hut gehabt wie Sie, aber ich seh so gut wie jeder andere, was ich vor der Nase hab.«

      »Und was is das?«

      »Georgette Wykers und Marie Purdue ham mir erzählt, sie ziehen zusammen – wegen de Sicherheit. Sie ham gesagt, dann können se besser auf ihre Kinder aufpassen, un sicherer isses auch. Türlich wolln se bloß die halbe Miete zahlen.«

      »Und? Was soll ich da machen?«

      Mofass lächelte. Grinste. Ich konnte noch den letzten, goldüberkronten Backenzahn sehen. Wenn Mofass sich diese Art von Vergnügen anmerken ließ, hieß das, er war im Zusammenhang mit Geld erfolgreich gewesen.

      »Sie brauchen nix machen, Mr. Rawlins. Ich hab denen gesagt, das ist gegen de Vorschriften. Dann hab ich Georgette gesagt, wenn se zu Marie zieht, kann Marie se rausschmeißen, weil Georgettes Name nich im Vertrag steht.«

      Falls Mofass an seinem Todestag Geld verdiente, würde er als glücklicher Mann sterben.

      »Machen Se sich wegen so was keinen Kopf, Mann«, sagte ich. »Lassen Se die Frauen doch machen, was se wolln. Sie wissen doch, jeden Tag kommen tausend Leute hierher. Wenn einer auszieht, zieht einfach ein anderer ein.«

      Mofass schüttelte traurig und langsam den Kopf. Er konnte nicht tief Luft holen, aber ich tat ihm leid. Wie konnte ich so blöd sein, wegen einem Dollar und ein bisschen Kleingeld nicht die ganze Welt bluten zu lassen?

      »Ham Se mir noch was zu sagen, Mofass?«

      »Diese Weißen da ham heute wieder angerufen.«

      Ein Vertreter einer Firma namens DeCampo Associates hatte Mofass wegen eines Stücks Land in Compton angerufen, das mir gehörte. Sie hatten schon zweimal angeboten, es zu kaufen; beim letzten Mal für über das Doppelte dessen, was es wert war.

      »Davon will ich nix hören. Wenn die das Land wollen, muss es mehr wert sein, als sie zahlen wollen.«

      Ich ging zum Fenster hinüber, weil ich mich nicht wieder darüber streiten wollte. Mofass meinte, ich solle das Land verkaufen, weil es ein schneller Profit war. Im Tagesgeschäft war Mofass tüchtig, aber er wusste nicht, wie man für die Zukunft plant.

      »Die ham jetzt ein neues Angebot«, sagte er. »Wolln Se Nein sagen zu hunderttausend Dollar?«

      Vom Fenster aus sah ich einen kleinen Jungen, der einen blauen Handkarren an einer Straßenlampe vorbeizog. Er hatte große Wasserflaschen im Wagen. Sechs bis sieben. Im besten Fall waren das vierzehn Cent, was knapp für drei Schokoriegel reichte. Der Junge war braun, barfuß, in kurzen Hosen und einem gestreiften T-Shirt. Er war tief in Gedanken, während er den Karren zog. Vielleicht dachte er an seine Rechtschreibstunde von letzter Woche. Vielleicht überlegte er, wie man Känguru schrieb. Aber ich hatte den Verdacht, dass der Junge sich fragte, wie er an den einen Cent rankam, den er für einen dritten Schokoriegel brauchte.

      »Hunderttausend?«

      »Die wolln sich mit Ihnen treffen«, krächzte Mofass.

      Ich hörte, wie er ein Streichholz anzündete, und drehte mich in dem Augenblick um, in dem er den ersten Zug nahm.

      »Was wolln die von uns, William?« Mofass’ richtiger Name war William Wharton.

      Mofass ging zu einem verschwörerischen Ton über und sagte: »Das County will Willoughby Place zu einer Hauptstraße ausbaun, vierspurig.«

      Mir gehörten auf einer Seite von Willoughby Place dreieinhalb Hektar. Sie waren Teil einer Abmachung gewesen, falls ich das verschwundene Eigentum eines alten japanischen Gärtners wiederfinden würde.

      »Na und?«, fragte ich.

      »Die Männer da wolln Ihnen das Geld fürn Ausbau leihen. Hunderttausend Dollar, dann sind Se denen Ihr Partner.«

      »Können’s nicht erwarten, mir das Geld zu geben, was?«

      »Se brauchen mir bloß das Okay geben, Mr. Rawlins, dann sag ich denen, der Vorstand hat zugestimmt.«

      Wenn jemand mit mir Geschäfte machen wollte, lief das über Mofass. Er vertrat die Firma, die ich für Geschäfte gegründet hatte. Der Vorstand war ein Einmannkomitee.

      Ich musste lachen. Hier war ich, der Sohn eines Holzfällers. Ein Schwarzer, ein Waisenkind und außerdem aus dem Süden. Es war völlig ausgeschlossen, dass ich jemals fünftausend Dollar zu Gesicht bekam, aber hier war ich und wurde von weißen Grundstücksmaklern umworben.

      »Machen Se nen Termin mit denen«, sagte ich. »Ich will mir die Männer mal anschaun. Aber machen Se sich keine gierigen Hoffnungen, Willy, vermutlich kommt nix dabei heraus.«

      Mofass grinste, atmete Rauch durch die Zähne ein.

      4

      Es war ein warmer Abend. Ich parkte am Ende meines Blocks. Zeppo und Rafael waren fort. Der Pappkarton, den Rafael als Tisch benutzt hatte, lag zusammengefaltet auf dem Gehweg. Den Rinnstein zierte ein Klumpen Blut an einem ausgeschlagenen Zahn. Jemand hatte in Rafael Gordons Schule der Taschenspielerei eine bittere Lektion gelernt.

      Das getrocknete Blut brachte mich wieder auf das tote Partygirl.

      Nach allem, was geschehen war, wollte ich immer noch dringend allein sein. Deshalb beschloss ich, einen Schluck zu trinken, ehe ich zu meiner Frau zurückging.

      Innen war das Avalon etwa so groß wie ein Schaufenster. Ein Tresen und sechs Hocker – das war alles. Rita Coe servierte Flaschenbier und Drinks mit Wasser oder Eis.

      Es war nur ein Gast da, ein Hüne, der sich, mit dem Gesicht zur Wand, am Ende des Tresens über ein Münztelefon beugte.

      »Was haste denn hier verlorn, Easy Rawlins?« Rita war kräftig und klein mit Knopfaugen und dünnen Lippen.

      »Ich hab an Whisky gedacht.«

      »Hab gedacht, du trinkst nix in ner Bar so nah bei dir zu Haus?«

      »Heut tu ich’s mal.«

      »Warum


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