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Ausgewählte philosophische Werke von Moses Mendelssohn. Moses MendelssohnЧитать онлайн книгу.

Ausgewählte philosophische Werke von Moses Mendelssohn - Moses Mendelssohn


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wider deine itzige Aufführung, der du so gelassen, so willig, nicht nur uns alle verlässest, denen dein Tod so schmerzlich fällt, sondern dich auch der Aufsicht und Vorsorge eines solchen Beherrschers entäußerst, den du uns als das weiseste und gütigste Wesen zu verehren gelehret hast.

      So? sprach Sokrates, man hat mich angeklaget, wie ich höre? Ich werde mich also wohl förmlich vertheidigen müssen?

      Allerdings, sprach Simmias.

      Gut! versetzte Sokrates: Ich will mich bemühen, meine jetzige Schutzrede besser einzurichten, als die, welche ich vor meinen Richtern gehalten habe.

      Höre, Simmias und du, Cebes! Hätte ich nicht Hoffnung, da, wo ich hinkomme, erstlich immer noch unter demselben gütigsten Versorger zu stehen, und zweytens, die Seelen der Verstorbenen anzutreffen, deren Umgang aller Freundschaft hienieden vorzuziehen ist: so wäre es freylich eine Thorheit den Tod so wenig zu achten, und ihm willig in die Arme zu rennen.

      So aber habe ich die allertröstlichsten Hoffnungen, daß mir beides nicht entstehen wird. Das letztere zwar getraue ich mir nicht mit aller Gewißheit zu behaupten; aber daß die Vorsehung Gottes auch da noch über mich walten werde, dieses, Freunde! behaupte ich so zuversichtlich, so gewiß, als ich in meinem Leben etwas behauptet habe. Darum betrübt es mich auch nicht, daß ich verscheiden soll; denn ich weiß, daß mit dem Tode noch nicht alles für uns aus ist. Es folgt ein anderes Leben, und zwar ein solches, das, wie die alte Sage versichert, für Tugendhafte weit glückseliger seyn wird, als für Lasterhafte.

      Wie da? sprach Simmias, mein lieber Sokrates! Willst du diese heilsame Versicherung im Innersten deiner Seele verschlossen mitnehmen? oder auch uns eine Lehre gönnen, die so viel tröstliches hat? Es ist billig, seinen Freunden ein so herzliches Gut mitzutheilen, und wenn du uns von deiner Meynung überzeugest, so ist auch deine Schutzrede fertig. Ich will es versuchen, versetzte er. Doch laß uns erst den Kriton hören, der schon lange etwas sagen zu wollen scheinet. Ich? nichts, mein Lieber, erwiederte Kriton. –

      Der Mann hier, der dir den Gift bringen soll, läßt mir keine Ruhe: ich soll dich bitten, nicht so viel zu reden. Man erhitzt sich so sehr, spricht er, und dann wirkt der Trank so gut nicht. Er hätte schon öfters einen zweyten oder dritten Gifttrunk bereiten müssen, für Leute, die sich das Reden nicht hätten verwehren lassen.

      Laß ihn, im Namen der Götter! sprach Sokrates, hingehen und sein Amt versehen. Er halte den zweyten Gifttrunk bereit, oder den dritten, wenn er meynet. –

      Diese Antwort hatte ich mir vermuthet, sprach Kriton; allein der Mensch will nicht ablassen. –

      O laß ihn! versetzte Sokrates. Ich habe hier meinen Richtern Rechenschaft zu geben, warum ein Mensch, der in der Liebe zur Weisheit grau geworden, in den letzten Stunden fröhliches Muths seyn müsse, indem er sich nach dem Tode die größte Seligkeit zu versprechen hat. Mit welchem Grunde, Simmias und Cebes! ich dieses behaupte, will ich zu erklären suchen. –

      Das wissen vielleicht die wenigsten, meine Freunde! daß, wer sich der Liebe zur Weisheit wahrhaftig ergeben, seine ganze Lebenszeit dazu anwendet, mit dem Tode vertrauter zu werden, sterben zu lernen. Ist aber dieses: welch eine Ungereimtheit wäre es nicht, in seinem ganzen Leben, alle Wünsche, alle Bemühungen nach einem einzigen Ziele zu lenken, und sich doch zu betrüben, wenn das längst erwünschte Ziel endlich erreicht wird?

      Simmias lachte: Beym Jupiter! sprach er, Sokrates! ich muß lachen, so wenig ich auch dazu aufgelegt bin. Was du hier sagst, dürfte das Volk nicht so sehr befremden, als du meynest. Die Athenienser insbesondre könnten dir sagen: wie es ihnen sehr wohl bekannt sey, daß die Weltweisen gelernet hätten, gerne zu sterben; und sie ließen sie darum auch wirklich sterben, weil sie wohl wüßten, wornach sie sich sehneten.

      Ich würde ihnen alles einräumen Simmias! nur das nicht, daß sie es einsehen. Sie wissen nicht, was der Tod ist, davon ich rede, und in wie weit ihn die Weltweisen verdienen. Doch was gehen uns jene an? Ich rede itzt mit meinen Freunden.

      Ist der Tod nicht etwas, das sich beschreiben und erklären läßt?

      Freylich! versetzte Simmias.

      Ist er aber etwas anders, als eine Trennung des Leibes und der Seele? – Sterben nehmlich heißt dieß nicht, wenn die Seele den Leib, und der Leib die Seele dergestalt verläßt, daß sie keine Gemeinschaft untereinander mehr haben, und jeder für sich bleibet? Oder weißt du deutlicher anzuzeigen, was der Tod sey?

      Nein! mein lieber.

      Ueberlege einmal, Freund, ob es dir auch so vorkömmt, wie mir. Was meynest du? Wird der wahre Liebhaber der Weisheit den so genannten Wollüsten nachhängen, und nach köstlichen Speisen und Getränken so sonderlich streben?

      Nichts weniger, antwortete Simmias.

      Wird er der Liebe ergeben seyn?

      Eben so wenig!

      Und in Ansehung der übrigen Leibesbequemlichkeiten? Wird er in seinen Kleidern z. B. auf Pracht und Ueppigkeit sehen, oder wird er sich mit dem Nothwendigen begnügen und das Ueberflüßige nicht achten?

      Was man entbehren kann, sprach jener, macht dem Weisen keine Sorgen.

      Wollen wir nicht überhaupt sagen, fuhr Sokrates fort, der Weltweise suchet sich aller unnöthigen Leibessorgen zu entschlagen, um mit mehrerer Achtsamkeit der Seele warten zu können?

      Warum nicht?

      Er unterscheidet sich also schon hierinn von den übrigen Menschen, daß er sein Gemüth nicht ganz von den Leibesangelegenheiten fesseln läßt, sondern seine Seele zum Theil der Gemeinschaft des Leibes zu entwöhnen sucht?

      Es scheint so.

      Der größte Haufe der Menschen, o Simmias! wird dir sagen, daß der nicht zu leben verdiene, wer die Annehmlichkeiten des Lebens nicht genießen will. Das nennen sie, sich nach dem Tode sehnen, wenn man dem sinnlichen Wohlleben absagt und sich aller fleischlichen Wollust enthält.

      Dieß ist die Wahrheit, Sokrates!

      Ich gehe weiter. Hindert der Körper nicht öfters den Weisheitliebenden im Nachdenken, und wird er sich sonderlichen Fortgang in der Weisheit versprechen können, wenn er sich nicht von den sinnlichen Gegenständen zu erheben gelernet hat? – Ich erkläre mich – Die Eindrücke des Gesichts und des Gehörs sind, so, wie sie uns von den Gegenständen zugeschickt werden, bloß einzelne Empfindungen, noch keine Wahrheiten; denn diese müssen erst durch allgemeine Vernunftgründe aus ihnen gezogen werden. Nicht? Allerdings!

      Auch als einzelnen Empfindungen ist ihnen nicht völlig zu trauen, und die Dichter singen mit Recht: die Sinne täuschen und begreifen nichts deutlich. Was wir hören und sehen, ist voller Verwirrung und Dunkelheit. Können uns aber diese beiden Sinne keine deutlichen Einsichten gewähren: so wird der übrigen weit dunklern Sinnen gar nicht zu gedenken seyn.

      Freylich nicht.

      Wie muß es nun die Seele anfangen, wenn sie zur Wahrheit getaugen will? Wo sie sich auf die Sinne verläßt, so ist sie betrogen.

      Richtig!

      Sie muß also nachdenken, urtheilen, schließen, erfinden; um durch diese Mittel, so viel möglich, in das wahre Wesen der Dinge einzudringen.

      Ja!

      Aber wann geht das Nachdenken am besten von statten? Mich dünkt, wenn wir uns gleichsam nicht fühlen, wenn weder Gesicht noch Gehör, weder angenehme noch unangenehme Empfindungen uns an uns selbst erinnern. Alsdann ziehet die Seele ihre Aufmerksamkeit von dem Körper ab, verläßt, so viel sie kann, seine Gesellschaft, um in sich versammelt, nicht den Sinnenschein, sondern das Wesen, nicht die Eindrücke, wie sie uns zugeführet werden, sondern das, was sie wahres enthalten, zu betrachten.

      Richtig!

      Abermals eine Gelegenheit, bey welcher die Seele des Weisen den Leib zu meiden, und sich, so viel sie kann, von ihm zu entfernen suchen muß.

      Allem


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