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Friedrich Schiller: Philosophische Werke. Friedrich SchillerЧитать онлайн книгу.

Friedrich Schiller: Philosophische Werke - Friedrich Schiller


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Kräfte im Menschen unter einander zusammenhängen, und so läßt sich einsehen, wie der Geist – auch nur als Princip der willkürlichen Bewegung betrachtet – seine Wirkungen durch das ganze System derselben fortpflanzen kann. Nicht bloß die Werkzeuge des Willens, auch diejenigen, über welche der Wille nicht unmittelbar zu gebieten hat, erfahren wenigstens mittelbar seinen Einfluß. Der Geist bestimmt sie nicht bloß absichtlich, wenn er handelt, sondern auch unabsichtlich, wenn er empfindet.

      Die Natur für sich allein kann, wie aus dem Obigen klar ist, nur für die Schönheit derjenigen Erscheinungen sorgen, die sie selbst uneingeschränkt nach dem Gesetz der Nothwendigkeit zu bestimmen hat. Aber mit der Willkür tritt der Zufall in ihre Schöpfung ein, und obgleich die Veränderungen, welche sie unter dem Regiment der Freiheit erleidet, nach keinen andern als ihren eigenen Gesetzen erfolgen, so erfolgen sie doch nicht mehr aus diesen Gesetzen. Da es jetzt auf den Geist ankommt, welchen Gebrauch er von seinen Werkzeugen machen will, so kann die Natur über denjenigen Theil der Schönheit, welcher von diesem Gebrauch abhängt, nichts mehr zu gebieten und also auch nichts mehr zu verantworten haben.

      Und so würde denn der Mensch in Gefahr schweben, gerade da, wo er sich durch den Gebrauch seiner Freiheit zu den reinen Intelligenzen erhebt, als Erscheinung zu sinken und in dem Urtheile des Geschmacks zu verlieren, was er vor dem Richterstuhl der Vernunft gewinnt. Die durch sein Handeln erfüllte Bestimmung würde ihm einen Vorzug kosten, den die in seinem Bau bloß angekündigte Bestimmung begünstigte; und wenn gleich dieser Vorzug nur sinnlich ist, so haben wir doch gefunden, daß ihm die Vernunft eine höhere Bedeutung ertheilt. Eines so groben Widerspruchs macht sich die Uebereinstimmung liebende Natur nicht schuldig, und was in dem Reiche der Vernunft harmonisch ist, wird sich durch keinen Mißklang in der Sinnenwelt offenbaren.

      Indem also die Person oder das freie Principium im Menschen es auf sich nimmt, das Spiel der Erscheinungen zu bestimmen, und durch seine Dazwischenkunft der Natur die Macht entzieht, die Schönheit ihres Werks zu beschützen, so tritt es selbst an die Stelle der Natur und übernimmt (wenn mir dieser Ausdruck erlaubt ist) mit den Rechten derselben einen Theil ihrer Verpflichtungen. Indem der Geist die ihm untergeordnete Sinnlichkeit in sein Schicksal verwickelt und von seinen Zuständen abhängen läßt, macht er sich gewissermaßen selbst zur Erscheinung und bekennt sich als ein Unterthan des Gesetzes, welches an alle Erscheinungen ergehet. Um seiner selbst willen macht er sich verbindlich, die von ihm abhängende Natur auch noch in seinem Dienste Natur bleiben zu lassen und sie ihrer früheren Pflicht nie entgegen zu behandeln. Ich nenne die Schönheit eine Pflicht der Erscheinungen, weil das ihr entsprechende Bedürfniß im Subjekte in der Vernunft selbst gegründet und daher allgemein und nothwendig ist. Ich nenne sie eine frühere Pflicht, weil der Sinn schon geurtheilt hat, ehe der Verstand sein Geschäft beginnt.

      Die Freiheit regiert also jetzt die Schönheit. Die Natur gab die Schönheit des Baues, die Seele gibt die Schönheit des Spiels. Und nun wissen wir auch, was wir unter Anmuth und Grazie zu verstehen haben. Anmuth ist die Schönheit der Gestalt unter dem Einfluß der Freiheit; die Schönheit derjenigen Erscheinungen, die die Person bestimmt. Die architektonische Schönheit macht dem Urheber der Natur, Anmuth und Grazie machen ihrem Besitzer Ehre. Jene ist ein Talent, diese ein persönliches Verdienst.

      Anmuth kann nur der Bewegung zukommen, denn eine Veränderung im Gemüth kann sich nur als Bewegung in der Sinnenwelt offenbaren. Dies hindert aber nicht, daß nicht auch feste und ruhende Züge Anmuth zeigen könnten. Diese festen Züge waren ursprünglich nichts als Bewegungen, die endlich bei oftmaliger Erneuerung habituell wurden und bleibende Spuren eindrückten.

      Aber nicht alle Bewegungen am Menschen sind der Grazie fähig. Grazie ist immer nur die Schönheit der durch Freiheit bewegten Gestalt, und Bewegungen, die bloß der Natur angehören, können nie diesen Namen verdienen. Es ist zwar an dem, daß ein lebhafter Geist sich zuletzt beinahe aller Bewegungen seines Körpers bemächtigt, aber wenn die Kette sehr lang wird, wodurch sich ein schöner Zug an moralische Empfindungen anschließt, so wird er eine Eigenschaft des Baues und läßt sich kaum mehr zur Grazie zählen. Endlich bildet sich der Geist sogar seinen Körper, und der Bau selbst muß dem Spiele folgen, so daß sich die Anmuth zuletzt nicht selten in architektonische Schönheit verwandelt.

      So wie ein feindseliger, mit sich uneiniger Geist selbst die erhabenste Schönheit des Baues zu Grund richtet, daß man unter den unwürdigen Händen der Freiheit das herrliche Meisterstück der Natur zuletzt nicht mehr erkennen kann, so sieht man auch zuweilen das heitre und in sich harmonische Gemüth der durch Hindernisse gefesselten Technik zu Hilfe kommen, die Natur in Freiheit setzen und die noch eingewickelte gedrückte Gestalt mit göttlicher Glorie auseinander breiten. Die plastische Natur des Menschen hat unendlich viele Hilfsmittel in sich selbst, ihr Versäumniß herein zu bringen und ihre Fehler zu verbessern, sobald nur der sittliche Geist sie in ihrem Bildungswerk unterstützen, oder auch manchmal nur nicht beunruhigen will.

      Da auch die verfesteten Bewegungen (in Züge übergegangene Geberden) von der Anmuth nicht ausgeschlossen sind, so könnte es das Ansehen haben, als ob überhaupt auch die Schönheit der anscheinenden oder nachgeahmten Bewegungen (die flammigten oder geschlängelten Linien) gleichfalls mit dazu gerechnet werden müßte, wie Mendelssohn auch wirklich behanptet. Aber dadurch würde der Begriff der Anmuth zu dem Begriff der Schönheit überhaupt erweitert; denn alle Schönheit ist zuletzt bloß eine Eigenschaft der wahren oder anscheinenden (objektiven oder subjektiven) Bewegung, wie ich in einer Zergliederung des Schönen zu beweisen hoffe. Anmuth aber können nur solche Bewegungen zeigen, die zugleich einer Empfindung entsprechen.

      Die Person – man weiß, was ich damit andeuten will – schreibt dem Körper die Bewegungen entweder durch ihren Willen vor, wenn sie eine vorgestellte Wirkung in der Sinnenwelt realisiren will, und in diesem Fall heißen die Bewegungen willkürlich oder abgezweckt; oder solche erfolgen, ohne den Willen der Person, nach einem Gesetz der Nothwendigkeit – aber auf Veranlassung einer Empfindung; diese nenne ich sympathetische Bewegungen. Ob die letztern gleich unwillkürlich und in einer Empfindung gegründet sind, so darf man sie doch mit denjenigen nicht verwechseln, welche das sinnliche Gefühlvermögen und der Naturtrieb bestimmt; denn der Naturtrieb ist kein freies Princip, und was er verrichtet, das ist keine Handlung der Person. Unter den sympathetischen Bewegungen, von denen hier die Rede ist, will ich also nur diejenigen verstanden haben, welche der moralischen Empfindung, oder der moralischen Gesinnung zur Begleitung dienen.

      Die Frage entsteht nun, welche von diesen beiden Arten der in der Person gegründeten Bewegungen ist der Anmuth fähig?

      Was man beim Philosophieren nothwendig von einander trennen muß, ist darum nicht immer auch in der Wirklichkeit getrennt. So findet man abgezweckte Bewegungen selten ohne sympathetische, weil der Wille als die Ursache von jenen sich nach moralischen Empfindungen bestimmt, aus welchen diese entspringen. Indem eine Person spricht, sehen wir zugleich ihre Blicke, ihre Gesichtszüge, ihre Hände, ja oft den ganzen Körper mitsprechen, und der mimische Theil der Unterhaltung wird nicht selten für den beredtsten geachtet. Aber auch selbst eine abgezweckte Bewegung kann zugleich als eine sympathetische anzusehen sein, und dies geschieht alsdann, wenn sich etwas Unwillkürliches in das Willkürliche derselben mit einmischt.

      Die Art und Weise nämlich, wie eine willkürliche Bewegung vollzogen wird, ist durch ihren Zweck nicht so genau bestimmt, daß es nicht mehrere Arten geben sollte, nach denen sie kann verrichtet werden. Dasjenige nun, was durch den Willen oder den Zweck dabei unbestimmt gelassen ist, kann durch den Empfindungszustand der Person sympathetisch bestimmt werden und also zu einem Ausdruck desselben dienen. Indem ich meinen Arm ausstrecke, um einen Gegenstand in Empfang zu nehmen, so führe ich einen Zweck aus, und die Bewegung, die ich mache, wird durch die Absicht, die ich damit erreichen will, vorgeschrieben. Aber welchen Weg ich meinen Arm zu dem Gegenstand nehmen und wie weit ich meinen übrigen Körper will nachfolgen lassen; wie geschwind oder langsam, und mit wie viel oder wenig Kraftaufwand ich die Bewegung verrichten will, in diese genaue Berechnung lasse ich mich in dem Augenblick nicht ein, und der Natur in mir wird also hier etwas anheim gestellt. Auf irgend eine Art und Weise muß aber doch dieses durch den bloßen Zweck nicht Bestimmte entschieden werden, und hier also kann meine Art zu empfinden den Ausschlag geben und durch den Ton, den sie angibt, die Art und Weise der Bewegung bestimmen. Der Antheil nun, den der Empfindungszustand der Person an einer willkürlichen Bewegung hat,


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