Gesammelte Beiträge von Max Weber. Max WeberЧитать онлайн книгу.
werden sie sorgsam inventarisiert und taxiert. Gerade die älteste (»thinitische«) Periode ergibt aber in den Inschriften der Grabkammern (so in der Inschrift des Mten, ca. 4000 v. Chr.) das Bestehen erblicher und teilbarer Grundbesitzungen. Neben königlichen Konzessionen, und zwar insbesondere von Grabgrundstücken (die in Aegypten von jeher eine gewaltige Rolle spielten und, sozusagen, einem commercium für sich unterlagen), als Lehen (»ger« = beneficarius) finden sich private Gutsübertragungsverträge vom Vater auf den Sohn, königliche Schenkungen von Land und Leuten und endlich Uebereignungen von z.B. 200 Aruren und einer Pfründe in Gestalt einer täglichen Rente von 100 Broten titulo oneroso: als Entgelt eines Beamten für bestimmt geleistete Dienste. Ob deren Veräußerung im Privatverkehr damals möglich war, ist wohl noch nicht sicher zu sagen, erscheint aber eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich (von »Kauf« konnte natürlich, da es kein »Geld« gab, nicht eigentlich die Rede sein). Das Inventar (amit-per, ampa) beim Gutsüberlassungsvertrage bildet das Surrogat testamentarischer Dispositionen; es kommt später als technischer Ausdruck bei Uebertragungen 1. vom Vater auf den Sohn, – 2. vom Mann auf die Frau, – 3. vom Bruder auf den Bruder – vor. Die prinzipielle Veräußerlichkeit des Grundbesitzes scheint e contrario namentlich auch durch die für das 4. Jahrtausend bereits inschriftlich bezeugten religiösen Stiftungen zu folgen, bei denen ausdrücklich die Nichtveräußerlichkeit des (für »Seelenmessen« – sit v.v.! – zugunsten des Verstorbenen) gestifteten Landes festgesetzt wird: die betreffenden Priester sollen, als »honu-ka«, den Besitz nur ihren Kindern hinterlassen dürfen, also dauernd und erblich an ihre Funktion gebunden sein. Der Name »ewige Kinder« (»Kinder« = Gewaltunterworfene freien Standes, wie die liberi in potestate des römischen Vaters) kommt für solche an die Leiturgie Gebundenen vor. In den Stiftungen wird dies rechtstechnisch – da der moderne juristische Begriff der Stiftung natürlich fehlte – in Form einer donatio sub modo (der Heredität nämlich) erzielt, wie Moret und Boulard hübsch nachgewiesen haben. Für den Gesamtcharakter der Sozialverfassung ergeben jene Inschriften zunächst das Bestehen von Priestergütern schon für jene älteste Zeit, ferner die Existenz der später (s.u.) so bedeutsamen Amtspfründe neben dem Amtslehen; die Exemtion der Priestergüter von der Jurisdiktion der Notabeln (großen Lehnsträger) wird in den religiösen Stiftungen ausbedungen (die daher natürlich nur von einem Angehörigen der Notabelnklasse ausgehen konnten). Damit wird indirekt die Existenz dieser Herrenstellung der »Großen« für das 4. Jahrtausend erwiesen, zugleich die Art des Beginns der Priestermacht verdeutlicht. Unter der 11. Dynastie appellieren allerdings selbst flüchtige Landarbeiter von ihren Herren an den Pharao selbst, und ebenso findet sich im »Neuen Reich« später die Kriminal- Jurisdiktion selbst über flüchtige Sklaven königlicher Prinzen wieder in den Händen von staatlichen Richtern. Allein schon im alten Reich hat das Königtum seine Stellung mit den Nomarchen zu teilen gehabt, die in Oberägypten innerhalb der von ihnen verwalteten Bezirke eine der Sache nach dynastische Stellung behielten oder an sich rissen. Bereits unter der 9. Dynastie scheint die Erblichkeit auch anderer Aemter die Regel gebildet zu haben. Manche Funktionen sind noch viel früher Gegenstand von »ampa«-Dispositionen. – Bei dem äußerst weiten Umfang des »Amtsbegriffs« mußte dies ganz generell der Stellung des ältesten Sohnes, der die Aemter allein erbte, im Familienrechte zugute kommen. Im übrigen bietet das älteste Familienrecht nichts Abnormes. Für eine Geltung des »Mutterrechts«, also des Fehlens des Erbrechts im Mannesstamm, in Aegypten ist nicht der geringste Beweis zu erbringen. Schon die ältesten Grabinschriften ergeben doppelseitiges Erbrecht. Die nicht seltene Erwähnung nur der Mutter in den Inschriften hängt sicher einerseits mit Erbtochterqualität derselben (in der Aemtervererbung) zusammen, ferner aber mit der Reaktion der Frauenfamilie gegen die Wirkungen der Polygamie, welche die Nötigung zu kontraktlicher Sicherung der Stellung der Braut als »Hauptfrau«, »große Frau«, und ihrer Kinder als der allein oder doch in garantiertem Umfang erbberechtigten mit sich brachte, endlich auch wohl mit Ebenbürtigkeitsfragen. »Sohn des X, gemacht (sic!) von der Y« ist das korrekte Patronymikon. Die spätere günstige Rechtsstellung der Frau (die faktische Position hat historisch sehr geschwankt und ist offenbar nach Klassen sehr verschieden gewesen: »ich bin ein Weib« ist eine politische Unterwerfungsformel) – ist wohl Folge der konsequenten Weiterentwicklung jener Praktiken in Verbindung mit der Entmilitarisierung der ägyptischen Nation. Wo privates Erbrecht überhaupt besteht, steht die Frau dem Mann gleich und ist, soweit die Quellen reichen, geschäftsfähig bis zur Ptolemäerzeit geblieben. Schon im 4. Jahrtausend setzt ihr der Mann Vermögen aus zur Verteilung an ihre Kinder nach ihrem Belieben und erhält (in der Inschrift des Mten) der Sohn Land durch »amitper« von der Mutter. Die häufige Geschwisterehe dient offenbar – »oben« wie »unten« – der Vermeidung der Vermögenszersplitterung (im Pharaonenhaus wohl auch der Erhaltung der Blutsreinheit). Die Namen der Grundbesitzkomplexe in den Gräbern der Familien des alten Reichs (Unterägypten), durch die Generationen hindurch verfolgt, ergeben anschaulich, welches Maß von Bodenbesitzanhäufung durch geschickte Heiratspolitik mit genügender Inzucht erzielt werden konnte (Proc. Bibl. Arch. XVII S. 244). Es findet sich da massenhafter (und offenbar verstreuter) Güterbesitz zusammengeballt, der hauptsächlich durch Vererbung (auch in weiblicher Linie) und durch Gutsübergabe an den Sohn die Hand wechselt, aber auch aus anderen nicht ersichtlichen Quellen – damals wohl wesentlich: Lehen oder Schenkung des Königs – sich vermehrt. Bewirtschaftet wird er schon in ältester Zeit durch Kolonen, von denen Deputationen der einzelnen Güter in den Gräbern des Gutsherrn abgebildet sind. Die Wirtschaft scheint Fronhofs-Wirtschaft (neben unfreier Kolonenpacht) zu sein.
Im einzelnen scheint noch fast alles recht unsicher. Offensichtlich ist nur, daß die Domänen und Kolonen des Königs, seine Schatz-, Korn-, Viehhäuser und Rüstkammern in sämtlichen Gauen das ökonomische Skelett des Staates ausmachen. Aber daneben steigert sich sichtbar der feudale Einschlag.
b) Mittleres Reich.
Die königlichen Gauverwalter (Nomarchen) sind mit Domänen und Naturaldeputaten aus den königlichen Magazinen, welche von den Allodialeinkünften und -Grundbesitzungen des Beamten auch rechtlich klar geschieden waren, beliehen. Sie sind – nach der Periode partikularistischer Anarchie, welche der Wiedereinigung des Landes von Theben aus (dem alten Hauptsitz der privaten Grundherrschaften) vorangeht – im »mittleren Reich« (12., 13. Dynastie um die Wende des 3. und 2. Jahrtausends) in ganz normaler Weise zu einem faktisch erblichen Feudaladel entwickelt. Ebenso haben die Tempel sich Land- und Menschenkomplexe zugeeignet. Große, bureaukratisch nach staatlichem Muster mit Schreibern usw. verwaltete Grundherrschaften, aus zahlreichen Dörfern mit tributpflichtigen Bauern und militärisch disziplinierten und in unfreie Berufe – es finden sich Guts-Zimmerleute, -Tischler, -Töpfer, -Schmiede – geschiedenen Arbeitern, daneben gewaltige, nach Tausenden von Köpfen zählende Herden bilden, nebst Tantiemen und Deputaten aus den Tempel- und königlichen Gütern, die sie zu verwalten haben, die Besitzungen des sozial allmächtigen Nomarchenadels. Aus den Gutsspeichern – grundherrlichen oder königlichen Magazinen – wird das Saatgut an die Bauern ausgegeben, an die Speicher die Ernte bzw. die Ernteanteile abgeliefert. Jedenfalls existiert schon damals das System der »uput«, der Aufnahme des personalen Haushaltsbestandes zum Zwecke der Feststellung der Anzahl fronpflichtiger Köpfe (»capitatio plebeja« in der Sprache der Kaiserzeit). Es scheint, daß es sich im Prinzip über das ganze Land erstreckt hat. Ob eine ganz einheitliche Regelung der Fronden bestand, ist nicht sicher zu sagen. Das »ahuit«, das Fronlos, ist in den einzelnen Dörfern nach Anweisung königlicher Meier von dem Pflichtigen zu bearbeiten. Die Schreiber sind dabei fronfrei. Am Hoflager und bei den großen Magazinen finden sich ummauerte Arbeitsstätten, die gelegentlich wohl auch Arbeiterkasernements sind. Die Fronpflichtigen sind in Abteilungen von 5 und 10 Leuten geteilt, und die Fronpflicht scheint schichtweise abgewechselt, eine normale Schicht 2 Monate, abzüglich der Feiertage, gedauert zu haben. Wenn andererseits öffentliches Land in Marsch- und Geestland geteilt und dem Arbeiter 10 Aruren (81/2 auf Gest- und 11/2 Marschboden) zugeteilt wurden, so ist doch wohl anzunehmen, daß es sich um Kolonenlehen von Fronpflichtigen handelt. Die großen Grundherren haben im wesentlichen wohl ähnlich gewirtschaftet wie der Pharao. Eigene Wirtschaft auf dem besten Lande und Ausgabe des schlechteren Landes an leibeigene Bauern