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Gesammelte Werke: Psychoanalytische Studien, Theoretische Schriften & Briefe. Sigmund FreudЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Werke: Psychoanalytische Studien, Theoretische Schriften & Briefe - Sigmund Freud


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Bedingungen ja erfüllt haben müssen. Ein Traum, zu dessen Bildung eine besonders starke Verdichtung beigetragen, wird für diese Untersuchung das günstigste Material sein. Ich wähle

       I

       den auf S. 183 ff. mitgeteilten

      Traum von der botanischen Monographie.

      trauminhalt:Ich habe eine Monographie über eine (unbestimmt gelassene) Pflanzenart geschrieben. Das Buch liegt vor mir, ich blättere eben eine eingeschlagene farbige Tafel um. Dem Exemplar ist ein getrocknetes Spezimen der Pflanze beigebunden.

      Das augenfälligste Element dieses Traums ist die botanische Monographie. Diese stammt aus den Eindrücken des Traumtages; in einem Schaufenster einer Buchhandlung hatte ich tatsächlich eine Monographie über die Gattung »Zyklamen« gesehen. Die Erwähnung dieser Gattung 285 fehlt im Trauminhalt, in dem nur die Monographie und ihre Beziehung zur Botanik übriggeblieben sind. Die »botanische Monographie« erweist sofort ihre Beziehung zu der Arbeit über Kokain, die ich einmal geschrieben habe; vom Kokain aus geht die Gedankenverbindung einerseits zur Festschrift und zu gewissen Vorgängen in einem Universitätslaboratorium, anderseits zu meinem Freund, dem Augenarzt Dr. Königstein, der an der Verwertung des Kokains seinen Anteil gehabt hat. An die Person des Dr. K. knüpft sich weiter die Erinnerung an das unterbrochene Gespräch, das ich abends zuvor mit ihm geführt, und die vielfältigen Gedanken über die Entlohnung ärztlicher Leistungen unter Kollegen. Dieses Gespräch ist nun der eigentliche aktuelle Traumerreger; die Monographie über Zyklamen ist gleichfalls eine Aktualität, aber indifferenter Natur; wie ich sehe, erweist sich die »botanische Monographie« des Traumes als ein mittleres Gemeinsames zwischen beiden Erlebnissen des Tages, von dem indifferenten Eindruck unverändert übernommen, mit dem psychisch bedeutsamen Erlebnis durch ausgiebigste Assoziationsverbindungen verknüpft.

      Aber nicht nur die zusammengesetzte Vorstellung »botanische Monographie«, sondern auch jedes ihrer Elemente »botanisch« und »Monographie« gesondert geht durch mehrfache Verbindungen tiefer und tiefer in das Gewirre der Traumgedanken ein. Zu »botanisch« gehören die Erinnerungen an die Person des Professors Gärtner, an seine blühende Frau, an meine Patientin, die Flora heißt, und an die Dame, von der ich die Geschichte mit den vergessenen Blumen erzählt habe. Gärtner führt neuerdings auf das Laboratorium und auf das Gespräch mit Königstein; in dasselbe Gespräch gehört die Erwähnung der beiden Patientinnen. Von der Frau mit den Blumen zweigt ein Gedankenweg zu den Lieblingsblumen meiner Frau ab, dessen anderer Ausgang im Titel der bei Tag flüchtig gesehenen Monographie liegt. Außerdem erinnert »botanisch« an eine Gymnasialepisode und an ein Examen der Universitätszeit, und ein neues, in jenem Gespräch angeschlagenes Thema, das meiner Liebhabereien, knüpft sich durch Vermittlung meiner scherzhaft so genannten Lieblingsblume, der Artischocke, an die von den vergessenen Blumen ausgehende Gedankenkette an; hinter »Artischocke« steckt die Erinnerung an Italien einerseits und an eine Kinderszene anderseits, mit der ich meine seither intim gewordenen Beziehungen zu Büchern eröffnet habe. »Botanisch« ist also 286 ein wahrer Knotenpunkt, in welchem für den Traum zahlreiche Gedankengänge zusammentreffen, die, wie ich versichern kann, in jenem Gespräch mit Fug und Recht in Zusammenhang gebracht worden sind. Man befindet sich hier mitten in einer Gedankenfabrik, in der wie im Weber-Meisterstück

      »Ein Tritt tausend Fäden regt,

       Die Schifflein herüber, hinüber schießen,

       Die Fäden ungesehen fließen,

       Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.«

      »Monographie« im Traume rührt wiederum an zwei Themata, an die Einseitigkeit meiner Studien und an die Kostspieligkeit meiner Liebhabereien.

      Aus dieser ersten Untersuchung holt man sich den Eindruck, daß die Elemente »botanisch« und »Monographie« darum in den Trauminhalt Aufnahme gefunden haben, weil sie mit den meisten Traumgedanken die ausgiebigsten Berührungen aufweisen können, also Knotenpunkte darstellen, in denen sehr viele der Traumgedanken zusammentreffen, weil sie mit Bezug auf die Traumdeutung vieldeutig sind. Man kann die dieser Erklärung zugrunde liegende Tatsache auch anders aussprechen und dann sagen: Jedes der Elemente des Trauminhaltes erweist sich als überdeterminiert, als mehrfach in den Traumgedanken vertreten. Wir erfahren mehr, wenn wir die übrigen Bestandteile des Traumes auf ihr Vorkommen in den Traumgedanken prüfen. Die farbige Tafel, die ich aufschlage, geht (vgl. die Analyse S. 185 f.) auf ein neues Thema, die Kritik der Kollegen an meinen Arbeiten, und auf ein bereits im Traum vertretenes, meine Liebhabereien, außerdem auf die Kindererinnerung, in der ich ein Buch mit farbigen Tafeln zerpflücke, das getrocknete Exemplar der Pflanze rührt an das Gymnasialerlebnis vom Herbarium und hebt diese Erinnerung besonders hervor. Ich sehe also, welcher Art die Beziehung zwischen Trauminhalt und Traumgedanken ist: Nicht nur die Elemente des Traums sind durch die Traumgedanken mehrfach determiniert, sondern die einzelnen Traumgedanken sind auch im Traum durch mehrere Elemente vertreten. Von einem Element des Traums führt der Assoziationsweg zu mehreren Traumgedanken, von einem Traumgedanken zu mehreren Traumelementen. Die Traumbildung erfolgt also nicht so, daß der einzelne Traumgedanke oder eine Gruppe von solchen eine Abkürzung für den Trauminhalt liefert und 287 dann der nächste Traumgedanke eine nächste Abkürzung als Vertretung, etwa wie aus einer Bevölkerung Volksvertreter gewählt werden, sondern die ganze Masse der Traumgedanken unterliegt einer gewissen Bearbeitung, nach welcher die meist-und bestunterstützten Elemente sich für den Eintritt in den Trauminhalt herausheben, etwa der Wahl durch Listenskrutinium analog. Welchen Traum immer ich einer ähnlichen Zergliederung unterziehe, ich finde stets die nämlichen Grundsätze bestätigt, daß die Traumelemente aus der ganzen Masse der Traumgedanken gebildet werden und daß jedes von ihnen in bezug auf die Traumgedanken mehrfach determiniert erscheint.

       Es ist gewiß nicht überflüssig, diese Relation von Trauminhalt und Traumgedanken an einem neuen Beispiel zu erweisen, welches sich durch besonders kunstvolle Verschlingung der wechselseitigen Beziehungen auszeichnet. Der Traum rührt von einem Patienten her, den ich wegen Angst in geschlossenen Räumen behandle. Es wird sich bald ergeben, weshalb ich mich veranlaßt finde, diese ausnehmend geistreiche Traumleistung in folgender Weise zu überschreiben:

       II

       »Ein schöner Traum«

      Er fährt mit großer Gesellschaft in die X-Straße, in der sich ein bescheidenes Einkehrwirtshaus befindet (was nicht richtig ist). In den Räumen desselben wird Theater gespielt; er ist bald Publikum, bald Schauspieler. Am Ende heißt es, man müsse sich umziehen, um wieder in die Stadt zu kommen. Ein Teil des Personals wird in die Parterreräume verwiesen, ein anderer in die des ersten Stockes. Dann entsteht ein Streit. Die oben ärgern sich, daß die unten noch nicht fertig sind, so daß sie nicht herunter können. Sein Bruder ist oben, er unten, und er ärgert sich über den Bruder, daß man so gedrängt wird. (Diese Partie ist unklar.) Es war übrigens schon beim Ankommen bestimmt und eingeteilt, wer oben und wer unten sein soll. Dann geht er allein über die Anhöhe, welche die X-Straße gegen die Stadt hin macht, und geht so schwer, so mühselig, daß er nicht von der Stelle kommt. Ein älterer Herr gesellt sich zu ihm und schimpft über den König von Italien. Am Ende der Anhöhe geht er dann viel leichter.

      Die Beschwerden beim Steigen waren so deutlich, daß er nach dem Erwachen eine Weile zweifelte, ob es Traum oder Wirklichkeit war.

      288 Dem manifesten Inhalt nach wird man diesen Traum kaum loben können. Die Deutung will ich regelwidrig mit jenem Stück beginnen, welches vom Träumer als das deutlichste bezeichnet wurde.

      Die geträumte und wahrscheinlich im Traum verspürte Beschwerde, das mühselige Steigen unter Dyspnoe, ist eines der Symptome, die der Patient vor Jahren wirklich gezeigt hatte, und wurde damals im Verein mit anderen Erscheinungen auf eine (wahrscheinlich hysterisch vorgetäuschte) Tuberkulose bezogen. Wir kennen bereits diese dem Traum eigentümliche Sensation der Gehhemmung aus den Exhibitionsträumen und finden hier wieder, daß sie als ein allezeit bereitliegendes Material zu Zwecken irgendwelcher anderen Darstellung verwendet wird. Das Stück des Trauminhalts, welches beschreibt, wie das Steigen anfänglich schwer war und am Ende der Anhöhe leicht wurde, erinnerte mich bei der Erzählung des Traums an die bekannte meisterhafte Introduktion der Sappho von


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