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Gesammelte Werke: Psychoanalytische Studien, Theoretische Schriften & Briefe. Sigmund FreudЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Werke: Psychoanalytische Studien, Theoretische Schriften & Briefe - Sigmund Freud


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und daß dieses Moment mitgewirkt haben muß, meinen Gedanken die Umwegsrichtung über Breslau mitzuteilen.

      Die Spielerei mit Namen und Silben, die ich hier treibe, enthält aber noch einen weiteren Sinn. Sie vertritt den Wunsch eines glücklichen Familienlebens für meinen Bruder, und zwar auf folgendem Weg: In dem Künstlerroman L’oeuvre, der meinen Traumgedanken inhaltlich naheliegen mußte, hat der Dichter bekanntlich sich selbst und sein eigenes Familienglück episodisch mitgeschildert und tritt darin unter dem Namen Sandoz auf. Wahrscheinlich hat er bei der Namensverwandlung folgenden Weg eingeschlagen: Zola gibt umgekehrt (wie die Kinder so gerne zu tun pflegen) Aloz. Das war ihm wohl noch zu unverhüllt; darum ersetzte sich ihm die Silbe Al, die auch den Namen Alexander einleitet, durch die dritte Silbe desselben Namens sand, und so kam Sandoz zustande. So ähnlich entstand also auch mein Autodidasker.

      Meine Phantasie, daß ich Professor N. erzähle, der von uns beiden gesehene Kranke leide nur an einer Neurose, ist auf folgende Weise in den Traum gekommen. Kurz vor Schluß meines Arbeitsjahrs bekam ich einen Patienten, bei dem mich meine Diagnostik im Stiche ließ. Es war ein schweres organisches Leiden, vielleicht eine Rückenmarksveränderung, anzunehmen, aber nicht zu beweisen. Eine Neurose zu diagnostizieren wäre verlockend gewesen und hätte allen Schwierigkeiten ein Ende bereitet, wenn nicht die sexuelle Anamnese, ohne die ich keine Neurose anerkennen will, vom Kranken so energisch in Abrede gestellt worden wäre. In meiner Verlegenheit rief ich den Arzt zur Hilfe, den ich menschlich am meisten verehre (wie andere auch) und vor dessen Autorität ich mich am ehesten beuge. Er hörte meine Zweifel an, hieß sie berechtigt und meinte dann: »Beobachten Sie den Mann weiter, es wird Neurose sein.« Da ich weiß, daß er meine Ansichten über die Ätiologie der Neurosen nicht teilt, hielt ich meinen Widerspruch zurück, verbarg aber nicht meinen Unglauben. Einige Tage später machte ich dem Kranken die Mitteilung, daß ich mit ihm nichts anzufangen wisse, und riet ihm, sich an einen anderen zu wenden. Da begann er zu meiner höchsten Überraschung, mich um Verzeihung zu bitten, daß er mich belogen habe; er habe sich so sehr geschämt, und nun enthüllte er mir gerade das Stück sexueller Ätiologie, das ich erwartet hatte und dessen ich zur Annahme einer Neurose bedurfte. Mir war es eine Erleichterung, aber auch gleichzeitig eine Beschämung; ich mußte mir zugestehen, daß mein Consiliarius, durch die Berücksichtigung der Anamnese unbeirrt, richtiger 302 gesehen hatte. Ich nahm mir vor, es ihm zu sagen, wenn ich ihn wiedersehe, ihm zu sagen, daß er recht gehabt habe und ich unrecht.

      Gerade das tue ich nun im Traum. Aber was für Wunscherfüllung soll es denn sein, wenn ich bekenne, daß ich unrecht habe? Gerade das ist mein Wunsch; ich möchte unrecht haben mit meinen Befürchtungen, respektive ich möchte, daß meine Frau, deren Befürchtungen ich in den Traumgedanken mir angeeignet habe, unrecht behält. Das Thema, auf welches sich das Recht-oder Unrechtbehalten im Traum bezieht, ist von dem für die Traumgedanken wirklich Interessanten nicht weitab gelegen. Dieselbe Alternative der organischen oder der funktionellen Schädigung durch das Weib, eigentlich durch das Sexualleben: Tabes-Paralyse oder Neurose, an welch letztere sich die Art des Untergangs von Lassalle lockerer anreiht.

      Professor N. spielt in diesem festgefügten (und bei sorgfältiger Deutung ganz durchsichtigen) Traum nicht nur wegen dieser Analogie und wegen meines Wunsches, unrecht zu behalten, eine Rolle – auch nicht wegen seiner nebenhergehenden Beziehungen zu Breslau und zur Familie unserer dorthin verheirateten Freundin –, sondern auch wegen folgender kleinen Begebenheit, die sich an unsere Konsultation anschloß. Nachdem er mit jener Vermutung die ärztliche Aufgabe erledigt hatte, wandte sich sein Interesse persönlichen Dingen zu. »Wieviel Kinder haben Sie jetzt?« – »Sechs.« – Eine Gebärde von Respekt und Bedenklichkeit. – »Mädel, Buben?« – »Drei und drei, das ist mein Stolz und mein Reichtum.« »Nun geben Sie acht, mit den Mädeln geht es ja gut, aber die Buben machen einem später Schwierigkeiten in der Erziehung.« – Ich wendete ein, daß sie bis jetzt recht zahm geblieben sind; offenbar behagte mir diese zweite Diagnose über die Zukunft meiner Buben ebensowenig wie die früher gefällte, daß mein Patient nur eine Neurose habe. Diese beiden Eindrücke sind also durch Kontiguität, durch das Erleben in einem Zuge verbunden, und wenn ich die Geschichte von der Neurose in den Traum nehme, ersetze ich durch sie die Rede über die Erziehung, die noch mehr Zusammenhang mit den Traumgedanken aufweist, da sie so nahe an die später geäußerten Besorgnisse meiner Frau rührt. So findet selbst meine Angst, daß N. mit den Bemerkungen über die Erziehungsschwierigkeiten bei den Buben recht behalten möge, Eingang in den Trauminhalt, indem sie sich hinter der Darstellung meines Wunsches, daß ich mit solchen Befürchtungen unrecht haben möge, verbirgt. Dieselbe Phantasie dient unverändert der Darstellung beider gegensätzlicher Glieder der Alternative.

      303 VI

      Marcinowski: »Heute früh erlebte ich zwischen Traum und Wachen eine sehr hübsche Wortverdichtung. Im Ablauf einer Fülle von kaum erinnerbaren Traumbruchstücken stutzte ich gewissermaßen über ein Wort, das ich halb wie geschrieben, halb wie gedruckt vor mir sehe. Es lautet: ›erzefilisch‹ und gehört zu einem Satz, der außerhalb jedes Zusammenhanges völlig isoliert in mein bewußtes Erinnern hinüberglitt; er lautete: ›Das wirkt erzefilisch auf die Geschlechtsempfindung.‹ Ich wußte sofort, daß es eigentlich ›erzieherisch‹ heißen solle, schwankte auch einigemal hin und her, ob es nicht richtiger ›erzifilisch‹ heiße. Dabei fiel mir das Wort Syphilis ein, und ich zerbrach mir, noch im Halbschlaf zu analysieren beginnend, den Kopf, wie das wohl in meinen Traum hineinkäme, da ich weder persönlich noch von Berufs wegen irgendwelche Berührungspunkte mit dieser Krankheit habe. Dann fiel mir ein ›erzehlerisch‹, das e erklärend und zu gleicher Zeit erklärend, daß ich gestern abend von unserer ›Erzieherin‹ veranlaßt wurde, über das Problem der Prostitution zu sprechen, und ich hatte ihr dabei tatsächlich, um ›erzieherisch‹ auf ihr nicht ganz normal entwickeltes Empfindungsleben einzuwirken, das Buch von Hesse Über die Prostitution gegeben, nachdem ich ihr mancherlei über das Problem erzählt hatte. Und nun wurde mir auf einmal klar, daß das Wort ›Syphilis‹ nicht im wörtlichen Sinne zu nehmen sei, sondern für Gift stand, in Beziehung natürlich zum Geschlechtsleben. Der Satz lautet also in der Übersetzung ganz logisch: ›Durch meine Erzählung habe ich auf meine Erzieherin erzieherisch auf deren Empfindungsleben einwirken wollen, aber habe die Befürchtung, daß es zu gleicher Zeit vergiftend wirken könne.‹ Erzefilisch = erzäh – (erzieh –) (erzefilisch).«

       Die Wortverbildungen des Traumes ähneln sehr den bei der Paranoia bekannten, die aber auch bei Hysterie und Zwangsvorstellungen nicht vermißt werden. Die Sprachkünste der Kinder, die zu gewissen Zeiten die Worte tatsächlich wie Objekte behandeln, auch neue Sprachen und artifizielle Wortfügungen erfinden, sind für den Traum wie für die Psychoneurosen hier die gemeinsame Quelle.

      304 Die Analyse unsinniger Wortbildungen im Traume ist besonders dazu geeignet, die Verdichtungsleistung der Traumarbeit aufzuzeigen. Man möge aus der hier verwendeten geringen Auswahl von Beispielen nicht den Schluß ziehen, daß solches Material selten oder gar nur ausnahmsweise zur Beobachtung kommt. Es ist vielmehr sehr häufig, allein die Abhängigkeit der Traumdeutung von der psychoanalytischen Behandlung hat die Folge, daß die wenigsten Beispiele angemerkt und mitgeteilt werden und daß die mitgeteilten Analysen meist nur für den Kenner der Neurosenpathologie verständlich sind. So ein Traum von Dr. v. Karpinska (1914), der die sinnlose Wortbildung »Svingnum elvi« enthält. Erwähnenswert ist noch der Fall, daß im Traum ein an sich nicht bedeutungsloses Wort erscheint, das aber, seiner eigentlichen Bedeutung entfremdet, verschiedene andere Bedeutungen zusammenfaßt, zu denen es sich wie ein »sinnloses« Wort verhält. Dies ist in dem Traum von der »Kategorie« eines zehnjährigen Knaben der Fall, den V. Tausk (1913) mitteilt. »Kategorie« bedeutet hier das weibliche Genitale und »kategorieren« soviel wie urinieren.

       Wo in einem Traum Reden vorkommen, die ausdrücklich als solche von Gedanken unterschieden werden, da gilt als ausnahmslose Regel, daß Traumrede von erinnerter Rede im Traummaterial abstammt. Der Wortlaut der Rede ist entweder unversehrt erhalten oder leise im Ausdruck verschoben; häufig ist die Traumrede aus verschiedenen Redeerinnerungen zusammengestückelt; der Wortlaut dabei das sich Gleichgebliebene, der Sinn womöglich mehr-oder andersdeutig verändert. Die Traumrede dient nicht selten als bloße Anspielung auf das Ereignis, bei dem die erinnerte Rede vorfiel.

      


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