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Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. AristotelesЧитать онлайн книгу.

Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst - Aristoteles


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wahrt. Demnach ist das Gerechte das dem Gesetze und das der Gleichheit Entsprechende, das Ungerechte das dem Gesetze und das der Gleichheit Zuwiderlaufende. Da nun der Ungerechte für sich zu viel begehrt, so wird es sich dabei um die Güter handeln, nicht um alle, sondern um die, von denen das äußere Glück und Unglück der Menschen abhängt, um Güter also, die an und für sich immer Güter sind, wenn sie es auch nicht immer sind für die bestimmte Person. Das nun sind die Dinge, die die Menschen sich wünschen und denen sie nachjagen. So sollte es allerdings nicht sein. Man sollte wünschen, daß das was an und für sich ein Gut ist auch für uns ein Gut wäre, und in diesem Sinne anstreben was für uns ein Gut ist.

      Nicht immer allerdings ist es das größere Teil, was der ungerechte Mensch für sich begehrt; sondern bei dem was an und für sich ein Übel ist, nimmt er das kleinere Teil für sich in Anspruch. Indessen, da das geringere Übel in gewissem Sinne gleichfalls als ein Gutes erscheint, das selbstsüchtige Streben aber das Gute begehrt, so stellt er sich eben darin als einer dar, der zu viel für sich beansprucht. Und so ist er ein Gegner der Gleichheit, / denn das ist der umfassendere und allgemeine Begriff, [und ein Gesetzesverächter: denn dies, sich gegen das Gesetz und gegen die Gleichheit vergehen, umfaßt alle Ungerechtigkeit und ist in aller Ungerechtigkeit das Gemeinsame].

      Da nun der Ungesetzliche ein Ungerechter und der Gesetzestreue ein Gerechter war, so ergibt sich, daß alles was gesetzlich ist, in gewissem Sinne auch gerecht ist. Die von der Gesetzgebung getroffenen Bestimmungen sind gesetzliche Bestimmungen, und jede einzelne derselben nennt man gerecht. Die Gesetze geben nun ihre Bestimmungen über alle möglichen Angelegenheiten und zielen damit entweder auf das Gemeinwohl für alle oder bloß für die Aristokraten oder für die Machthaber, sei es mit Rücksicht auf ihre persönlichen Vorzüge oder sonst aus anderen derartigen Rücksichten. So nennt man denn gerecht in einem Sinne dasjenige was in der staatlichen Gemeinschaft die Glückseligkeit und ihre Bestandteile hervorbringt und erhält. Das Gesetz gebietet aber auch, das Benehmen eines tapferen Mannes innezuhalten, z.B. seinen Posten nicht zu verlassen, nicht zu fliehen, nicht die Waffen fortzuwerfen, und ebenso das Benehmen des wohlgesitteten Mannes zu wahren, wie nicht Unzucht und nicht Gewalt zu üben, oder das Benehmen des Mannes von gesetztem Charakter, wie andere nicht zu schlagen noch zu beleidigen, und das gleiche gilt in bezug auf die anderen Formen der Sittlichkeit und der Unsittlichkeit. Das eine gebietet, das andere verbietet das Gesetz, und zwar sofern es richtig verfährt in richtiger, sofern es mit weniger Verständnis abgefaßt ist, in minder angemessener Weise.

      Die Gerechtigkeit nun so aufgefaßt ist vollendete Sittlichkeit überhaupt, allerdings nicht Sittlichkeit schlechthin, sondern Sittlichkeit wie sie sich in dem Verkehr mit anderen Menschen erweist. Aus diesem Grunde gilt denn auch die Gerechtigkeit manchmal für die wichtigste aller Formen des sittlichen Lebens und weder Abendstern noch Morgenstern für so bewundernswürdig wie sie. Im Sprichwort heißt es: »In der Gerechtigkeit ist jegliche Tugend enthalten.« Sie ist die am meisten vollkommene Form der Sittlichkeit, weil sie die Äußerung vollkommen sittlicher Willensrichtung ist. Vollkommen aber ist sie, weil wer sie besitzt, auch den anderen gegenüber und nicht bloß in bezug auf sich selbst seinen sittlichen Charakter zu bewähren vermag. Denn es gibt viele Menschen, die ihre sittliche Gesinnung wohl in der Behandlung ihrer persönlichen Angelegenheiten zu erweisen vermögen, dagegen es nicht vermögen in ihren Beziehungen zu anderen Menschen. Darum ist das Wort des Bias so treffend: »Gib einem ein Amt; so wird sich zeigen, was an dem Manne ist.« Denn wer ein Amt verwaltet, der tut es eben in bezug auf andere und in der menschlichen Gemeinschaft. Aus eben demselben Gründe meint man, daß die Gerechtigkeit allein unter allen Formen der Sittlichkeit ein Vorteil für andere ist, weil sie in bezug auf andere geübt wird; denn sie tut, was anderen zugute kommt, sei es dem Herrscher oder den Mitbürgern. Der Verwerflichste nun ist der, der ebenso im Verhältnis zu sich selbst wie in dem zu den Freunden unsittlich verfährt; der Beste aber ist nicht der, der eine sittliche Haltung sich selbst, sondern der sie anderen gegenüber bewahrt; denn hier liegt die Schwierigkeit der Aufgabe. Die Gerechtigkeit in diesem Sinne ist nicht ein Bestandteil der Sittlichkeit, sondern die ganze Sittlichkeit, recht tun über haupt, und die Ungerechtigkeit als ihr Gegensatz ist nicht ein Bestandteil der Unsittlichkeit, sondern die ganze Unsittlichkeit. Welcher Unterschied aber zwischen der Sittlichkeit und der Gerechtigkeit in diesem Sinne noch bestehen bleibt, das läßt sich aus dem oben Bemerkten ersehen. Sie ist mit ihr identisch, aber die Beziehung in der sie aufgefaßt wird ist nicht dieselbe. Sittlichkeit, sofern sie in bezug auf andere geübt wird, ist Gerechtigkeit; sofern sie befestigte Gesinnung mit diesem Inhalt ist, ist sie Sittlichkeit ohne weiteren Zusatz.

      b) Gerechtigkeit in weiterem und engerem Sinne

       Inhaltsverzeichnis

      Was wir indessen hier im Auge haben, ist die Gerechtigkeit als ein Bestandteil der Sittlichkeit; denn eine solche gibt es, wie wir behaupten, und ebenso gibt es eine Ungerechtigkeit als Bestandteil der Unsittlichkeit. Der Beweis dafür ist der: Wer eine Handlung begeht im Sinne der anderen Arten von Unsittlichkeit, läßt sich zwar Ungerechtigkeit zuschulden kommen, aber er maßt sich dabei nicht etwas auf fremde Kosten an; so z.B. wer seinen Schild aus Feigheit wegwirft oder wer im Verdruß jemanden beleidigt oder aus Geiz jemand eine Unterstützung versagt. Wenn einer aber sich übermäßig bedenkt, so liegt sein Verstoß oftmals in keiner einzigen dieser Beziehungen, aber auch nicht in allen zusammen, und doch handelt er unsittlich, / denn wir mißachten ihn deshalb, / und zwar handelt er ungerecht. Also gibt es noch eine andere Art von Ungerechtigkeit, die eine besondere Art der Ungerechtigkeit im weiteren Sinne bildet, und es gibt ein Ungerechtes im speziellen Sinne gegenüber dem Ungerechten im umfassenderen Sinne, wo es das Gesetzwidrige überhaupt bedeutet. Sodann, wenn der eine Unzucht treibt um des Gewinnes willen und dafür Bezahlung nimmt, ein anderer es aus Leidenschaft tut und dafür noch Geld ausgibt und Opfer bringt, so darf man den letzteren eher für ausschweifend als für selbstsüchtig, jenen dagegen darf man für ungerecht, aber man darf ihn nicht für ausschweifend halten, und der Grund ist offenbar der, weil jener es des Gewinnes halber tut. Außerdem, bei allen anderen Arten gesetzwidriger Handlungen läßt sich immer die Zurückführung auf irgendeine unsittliche Charaktereigenschaft vornehmen, z.B. bei der Unzucht auf ausschweifende Sinnlichkeit, bei der Flucht aus Reih und Glied auf Feigheit, bei körperlicher Mißhandlung auf Jähzorn; hat einer aber um des Gewinnes willen gehandelt, so ist der Charakterfehler, der vorliegt, kein andrer als eben die Ungerechtigkeit. Offenbar also gibt es neben der Ungerechtigkeit im weitesten Sinne noch eine andere im speziellen Sinne, die durch dasselbe Wort bezeichnet wird, weil sie ihrem Begriffe nach zu derselben Gattung gehört. Denn das Gebiet für beide bildet das Verhalten anderen Menschen gegenüber; nur daß es sich bei der einen um Ehre, Geld, Selbsterhaltung handelt, oder wenn wir einen Ausdruck dafür hätten, um das, was dieses alles in sich befaßt, und daß ihre Quelle die Lust am Gewinne ist, während es sich bei der anderen um alles dasjenige handelt, was einen sittlichen Charakter beansprucht.

      Soviel also ist klar, daß Gerechtigkeit mehrere Bedeutungen hat, und daß es neben der Gerechtigkeit, die den Inbegriff aller Sittlichkeit bedeutet, noch eine andere gibt. Was das Wesen und die Beschaffenheit dieser letzteren ist, das bleibt zu untersuchen. Das Ungerechte haben wir bestimmt als das, was wider das Gesetz und was wider die Gleichheit anläuft, das Gerechte dagegen als das, was dem Gesetz und der Gleichheit entspricht. Nun hatte die Ungerechtigkeit, von der vorher die Rede war, die Bedeutung des Gesetzwidrigen. Da aber das was wider die Gleichheit ist nicht dasselbe ist wie das was wider das Gesetz ist, sondern ein anderes, so wie der Teil dem Ganzen gegenüber steht, / denn was wider die Gleichheit ist, ist zwar alles auch wider das Gesetz, aber nicht alles was wider das Gesetz ist, ist auch wider die Gleichheit, / so ist auch das Ungerechte und die Ungerechtigkeit nicht in beiden Bedeutungen dasselbe, sondern beides ist verschieden, das eine als das Ganze, das andere als ein Teil. Denn Ungerechtigkeit in diesem Sinne ist ein Teil der Ungerechtigkeit überhaupt, und ebenso Gerechtigkeit in diesem Sinne ein Teil der Gerechtigkeit überhaupt. Wir haben daher über die Gerechtigkeit und die Ungerechtigkeit im engeren Sinne und über das Gerechte und Ungerechte im gleichen Sinne zu handeln.

      Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, sofern sie sich auf den Inbegriff alles Sittlichen beziehen, die eine als die Betätigung des sittlichen, die andere als Betätigung des


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