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Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. AristotelesЧитать онлайн книгу.

Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst - Aristoteles


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alle verständig sein; aber auch nicht eine besondere Art von Spezialwissenschaft; so wie die medizinische Wissenschaft die Wissenschaft von dem Gesunden oder die Mathematik die von den Größen ist. Denn den Gegenstand, an dem der Verstand sich Bewährt, bildet weder das was ewig und unbewegt ist, noch sonst jedes Beliebige, dem ein Werden zukommt, sondern vielmehr das was Schwierigkeiten und Bedenken macht und was zu einer Überlegung Anlaß gibt. Darum kommen hier dieselben Gegenstände in Betracht, die auch der praktischen Einsicht unterstellt sind, aber doch nicht so, daß Verstand und praktische Einsicht dasselbe wäre. Denn die Einsicht übt das Amt des Gebietens; was man zu tun oder zu lassen hat, das zu bestimmen ist ihr Beruf. Der Verstand dagegen hat nur das Amt des Urteilens. So bedeutet denn Verstand und Verständigkeit, verständig und verständnisvoll dasselbe. Der Verstand besteht weder darin daß man praktische Klugheit besitzt, noch darin, daß man sie erlangt, sondern wie das Lernen ein Verstehen bedeutet, sofern dabei das reine Erkenntnisvermögen zur Anwendung gelangt, so tritt der Verstand in Wirksamkeit, wenn man sich eine Ansicht bildet, um ein Urteil zu gewinnen über das, was der praktischen Einsicht obliegt. Es gilt, wenn ein anderer redet, darüber das richtige Urteil zu fallen; denn richtiges und zutreffendes Urteil bedeutet dasselbe. Daher nun ist der Ausdruck Verstand genommen, wonach jemand als verständig bezeichnet wird, nämlich von dem Verstehen beim Lernen. Denn häufig bezeichnet man das Lernen als ein Verstehen.

      Was man ferner wohlmeinende Gesinnung nennt, wonach wir von jemand sagen, er sei ein wohldenkender, ein einsichtiger Mann, das bedeutet ein richtiges Urteil in Fragen der Billigkeit. Ein Beweis dafür ist der, daß man wohlmeinend am ehesten den nennt, der billig urteilt, und billig sein heißt manche Dinge wohlmeinend mit Nachsicht beurteilen. Solche nachsichtige Beurteilung ist eine mit richtigem Urteil über das Billige verbundene Denkweise, und richtig heißt das Urteil, das das in Wahrheit Billige trifft.

      Alle diese Beschaffenheiten des Intellekts nun haben, so darf man wohl sagen, dieselbe Bestimmung. Man spricht von Denkweise, Verständigkeit, Einsicht, Vernünftigkeit, indem man sie von denselben Personen aussagt, denen man Wohlmeinung und sogar Vernünftigkeit zuschreibt, die man einsichtsvoll und verständig nennt. Alle diese Vermögen haben es mit den letzten Einzelfällen des Lebens zu tun. Sofern man ein richtiges Urteil hat über die Fragen der praktischen Klugheit, ist man verständig und wohlmeinend oder nachsichtig. Denn billig zu urteilen ist das gemeinsame Kennzeichen aller guten Menschen, wo es sich um das Verhältnis zu anderen handelt. Alles praktische Verhalten aber bewegt sich um die letzten Einzelfälle. Diese muß der Einsichtige denkend erkennen; Verstand und Wohlmeinung aber haben sie praktisch zu behandeln, und immer handelt es sich dabei um die Einzelfälle des Lebens als um das schlechthin Einzelne. Auch die intuitive Vernunft erfaßt das Letzte und zwar nach beiden Richtungen, als das Oberste und das Unterste. Denn die obersten Bestimmungen und die letzte Einzelheit, beides ist Gegenstand der Vernunft in unmittelbarem Ergreifen, nicht in vermitteltem Denken. Die Vernunft erfaßt, wo es sich um das Beweisverfahren handelt, die unveränderlichen obersten Begriffe, und andererseits wo es sich um das praktische Verhalten handelt, die letzte Einzelheit, das was auch anders sein kann, und den Untersatz des Schlusses; denn das sind die Prinzipien für alle Absichtsbildung. Aus dem Einzelnen wird das Allgemeine gewonnen. Dieses muß man unmittelbar wie durch Wahrnehmung ergreifen, und das leistet die Vernunft. Darum gilt es auch, daß dies Naturgabe ist. Geisteskultur hat von Natur kein Mensch, wohl aber kommt Einsicht, Wohlmeinung und Vernunft durch natürliche Entwicklung. Der Beweis ist, daß man diese Eigenschaften als mit dem Lebensalter zusammenhängend betrachtet, und dieses bestimmte Lebensalter Vernunft und Urteilskraft mit sich bringt; die Natur also ist der Grund. Darum ist die Vernunft der Anfang und das Ende; denn aus dem Obersten ergeben sich die Beweise, und um das Unterste drehen sie sich. Man muß deshalb die Aussprüche und Ansichten der Erfahrenen und Älteren oder Einsichtigen schätzen, auch wenn sie ohne Beweis sind, gerade so wie Beweise; denn weil sie ein durch Erfahrung geschärftes Auge haben, so sehen sie richtig.

      Was Einsicht, was Geistesbildung ist und welches die Objekte jeder von beiden sind, haben wir so dargelegt und gesehen, daß jedes von beiden die rechte Beschaffenheit einer anderen Seite der Geistestätigkeit bedeutet.

      5. Intellektuelle Bildung und Sittlichkeit

       Inhaltsverzeichnis

      Mancher könnte nun dabei die Frage aufwerfen, was wir denn eigentlich von alledem haben. Die ideale Geisteskultur zunächst befaßt sich mit nichts von dem, was auf das Glück eines Menschen Bezug hat; denn nichts von dem, was bloß ein Werden ist, fällt in ihren Gesichtskreis. Praktische Einsicht aber beschäftigt sich zwar mit dem letzteren; aber wozu bedarf es ihrer, wenn die Einsicht das, was für den Menschen das Gerechte, das Edle und Gute ist, zum Gegenstande hat, dieses aber eben das ist, was handelnd zu betätigen das Kennzeichen eines guten Menschen bildet? Werden wir doch dadurch, daß wir dieses wissen und kennen, keineswegs geeigneter, es auch praktisch auszuüben, und die sittlichen Willensrichtungen sind ja vielmehr befestigte Eigenschaften. Es ist damit wie mit Gesundheit oder guter Körperkonstitution, überhaupt mit allem was seinen Namen nicht davon hat, daß es selbst etwas hervorbringt, sondern vielmehr davon, daß es aus einer bestimmten Beschaffenheit entspringt. Denn dadurch daß wir die Heilkunst oder die Gymnastik inne haben, werden wir um nichts geeigneter, wirklich gesund oder kräftig zu werden. Wenn man nun annehmen muß, daß man der Einsicht nicht um dessen willen bedarf, was Folge einer Beschaffenheit ist, sondern vielmehr um eine bestimmte Beschaffenheit erst zu erlangen, so würde die Einsicht denen die bereits sittlich tüchtig sind zu nichts dienlich, andererseits aber auch für die die es nicht sind, ohne Nutzen sein. Denn ob einer die Einsicht selbst besitzt oder ob er die Vorschriften eines anderen befolgt, der die Einsicht besitzt, das macht keinen Unterschied; man kann sich ganz wohl am letzteren genügen lassen, wie wir es betreffs der Gesundheit auch wirklich machen. Denn gesund zu sein wünschen wir alle, aber wir studieren deshalb doch nicht Medizin. Überdies könnte es einem höchst sonderbar vorkommen, wenn die praktische Einsicht, die doch an Wert der Geistesbildung nachsteht, von höherer Bedeutung sein soll als diese; denn was in den Einzelheiten des Lebens das Gestaltende ist, das hat die herrschende und gebietende Stellung. Darüber also müssen wir nun noch handeln; denn im bisherigen sind nur erst die Schwierigkeiten die darin liegen aufgezeigt worden.

      Zuerst also wollen wir bemerken, daß jene Eigenschaften, weil sie die rechte Beschaffenheit, eine jede von einem Gebiete geistiger Tätigkeit, darstellen, auch dann um ihrer selbst willen notwendig anzustreben sind, wenn keine von beiden irgendwelchen Nutzen gewährt. Zweitens aber, sie gewähren in der Tat solchen Nutzen, freilich nicht so wie die Heilkunde die Gesundheit bewirkt; vielmehr wie die Gesundheit leiblich, so bewirkt die Geistesbildung geistig die Glückseligkeit. Denn indem sie ein Zweig der ganzen Vollkommenheit ist, so macht sie glückselig dadurch daß man sie besitzt und daß sie wirksam wird.

      Aber weiter: damit der Mensch seine Bestimmung erfülle, ist beides nötig. Einsicht und sittliche Tüchtigkeit. Denn sittliche Tüchtigkeit bewirkt, daß das Ziel das man sich steckt, das rechte ist, und die Einsicht bewirkt, daß die Mittel die man zum Ziele anwendet, die rechten sind. Für das vierte Seelenvermögen, das vegetative, gibt es eine solche Vollkommenheit nicht; denn in seiner Macht steht weder etwas zu tun noch etwas zu unterlassen. Was aber das anbetrifft, daß man durch die Einsicht keineswegs geeigneter werde, das Gute und Gerechte handelnd zu verwirklichen, so müssen wir etwas weiter ausholen und folgendes zum Ausgangspunkte nehmen. Wie wir sagen, daß einer deshalb noch nicht gerecht sei weil er gerechte Handlungen vollbringt, wie z.B. diejenigen es tun, die die gesetzlichen Anordnungen, sei es wider ihren Willen, sei es aus Irrtum oder sonst aus einem Motiv, nur nicht um ihrer selbst willen befolgen, und sie handeln doch der Pflicht gemäß und tun was einem Ehrenmann geziemt, ebenso, scheint es, ist es möglich daß einer auf Grund seiner Beschaffenheit jede Handlung so vollzieht, daß er ein wirklich guter Mensch ist; ich meine damit, daß er sie mit Vorsatz und um der Sache selbst willen vollzieht. Das nun bewirkt die sittliche Gesinnung, daß der Vorsatz der richtige ist; daß aber das was der Natur der Sache nach zum Behufe jenes Vorsatzes zu geschehen hat, auch das Richtige sei, das zu bewirken ist nicht die Leistung der sittlichen Gesinnung, sondern dazu bedarf es eines anderen geistigen Vermögens.

      Indessen der Gegenstand verdient es, daß wir unsere besondere Aufmerksamkeit


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