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In Fesseln. John GalsworthyЧитать онлайн книгу.

In Fesseln - John Galsworthy


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sagte er. »Spiel weiter – noch etwas von Chopin!«

      Sie fing wieder an zu spielen. Dieses Mal fiel ihm die Ähnlichkeit zwischen ihr und Chopin auf. Ihr Spiel hatte dasselbe sanfte Wiegen, das ihm auch bei ihrem Gang aufgefallen war, genau wie die Nocturne, die sie gewählt hatte, und dazu die sanfte Dunkelheit ihrer Augen, das Licht auf ihrem Haar, wie der Mondschein eines goldenen Mondes. Eine lange blaue Spirale stieg von seiner Zigarre empor und löste sich auf. ›Und so enden wir!‹, dachte er. ›Keine Schönheit mehr! Nichts mehr?‹

      Wieder hörte Irene auf, zu spielen.

      »Möchtest du etwas von Gluck hören? Er hat immer in einem sonnenhellen Garten komponiert, mit einer Flasche Rheinwein neben ihm.«

      »Oh ja! Wie wär’s mit Orpheus? Er war nun inmitten von Feldern mit goldenen und silbernen Blumen, weiße Wesen wiegten sich im Sonnenlicht, leuchtend bunte Vögel flogen umher. Alles war Sommer. Anhaltende Wogen von Lieblichkeit und Trauer durchfluteten seine Seele. Von der Zigarre viel etwas Asche herab, und als er ein Seidentaschentuch herausholte, um sie wegzuwischen, stieg ihm ein Duftgemisch in die Nase, das wie Schnupftabak und Eau de Cologne roch. ›Ach!‹, dachte er, ›Nachsommer – das ist alles!‹ Und er sagte: »Du hast noch nicht Che faro für mich gespielt.«

      Sie antwortete nicht, rührte sich nicht. Er bemerkte etwas – eine seltsame Betroffenheit. Plötzlich sah er, wie sie aufstand und sich abwandte, und stechende Reue durchfuhr ihn. Was war er doch für ein taktloser Trampel! Wie Orpheus suchte natürlich auch sie ihre verlorene Liebe in der Welt der Erinnerung! Und zutiefst ergriffen erhob er sich aus seinem Sessel. Sie war zu dem großen Fenster am anderen Ende des Zimmers gegangen. Er folgte ihr vorsichtig. Sie hatte die Hände über der Brust gefaltet. Er konnte nur ihre Wange sehen, sie war sehr blass. Und ganz bewegt sagte er: »Na, na, mein Liebes!« Die Worte waren ihm automatisch rausgeschlüpft, denn das sagte er auch immer zu Holly, wenn sie sich wehgetan hatte, doch ihre Wirkung war sogleich erschreckend. Sie hob ihre Hände, vergrub ihr Gesicht darin und schluchzte.

      Der alte Jolyon stand da und sah sie mit seinen mit dem Alter sehr eindringlich gewordenen Augen an. Die heftige Scham, die sie ob ihrer Verlassenheit zu empfinden schien, so ganz anders als die Kontrolliertheit und der Gleichmut ihres gesamten Wesens, war so, als wäre sie noch nie vor jemand anderem zusammengebrochen.

      »Na, na – na, na!«, murmelte er und streckte ehrfurchtsvoll die Hand nach ihr aus. Sie drehte sich um und lehnte sich mit ihren Armen, die ihr Gesicht bedeckten, an ihn. Der alte Jolyon stand ganz still da, eine seiner dünnen Hände auf ihrer Schulter. Sollte sie sich die Seele aus dem Leib weinen – das würde ihr guttun.

      Und der Hund Balthasar setzte sich verwundert auf sein Hinterteil, um sie zu beäugen.

      Das Fenster war noch offen, die Vorhänge waren nicht zugezogen worden, das letzte Tageslicht schien von draußen herein und vermischte sich mit dem schwachen Licht der Lampe. Es roch nach frisch gemähtem Gras. Mit der Weisheit eines langen Lebens sagte der alte Jolyon nichts. Selbst Trauer war irgendwann mit den Tränen weggewaschen. Nur die Zeit heilte den Kummer – die Zeit, die jede Stimmung vorübergehen sah, jedes Gefühl, das kam und ging. Die Zeit ließ die Dinge in Frieden ruhen.

      Es kamen ihm die Worte ›So wie der Hirsch nach Wasser schreiet‹ in den Sinn – doch sie nutzten ihm nichts. Dann bemerkte er den Duft von Veilchen, und er wusste, dass sie ihre Tränen wegwischte. Er streckte sein Kinn nach vorne, presste seinen Schnurrbart gegen ihre Stirn, und spürte, wie ein Schütteln durch ihren ganzen Körper ging, wie wenn ein Baum die Regentropfen abschüttelte. Sie führte seine Hand an ihre Lippen, als wolle sie sagen: »Es ist vorüber! Verzeih mir!«

      Der Kuss erfüllte ihn mit einem seltsamen Gefühl von Trost. Er führte sie zurück an den Platz, an dem sie so von ihren Gefühlen ergriffen worden war. Und der Hund Balthasar folgte ihnen und legte den Knochen von einem der Koteletts, die sie gegessen hatten, vor ihre Füße.

      Bestrebt, die Erinnerung an jenes Aufwallen der Gefühle auszulöschen, fiel ihm nichts Besseres ein als Porzellan. Und so ging er mit ihr langsam von Vitrine zu Vitrine, nahm immer wieder einzelne Stücke heraus, Meißener und Lowestoft und Chelsea, und drehte und wendete sie in seinen dünnen, venendurchzogenen Händen, deren leicht fleckige Haut so alt aussah.

      »Das habe ich bei Jobson gekauft«, sagte er dann, »hat mich dreißig Pfund gekostet. Es ist sehr alt. Der Hund lässt seine Knochen überall liegen. Dieses alte Schiffchen habe ich bei der Versteigerung erworben, als dieser feine Taugenichts, der Marquis, in Geldnot geraten war. Aber daran erinnerst du dich nicht mehr. Das hier ist ein schönes Stück aus Chelsea-Porzellan. Na, und was meinst du, was das hier ist?« Und er war erleichtert, denn er spürte, dass sie sich mit ihrem guten Geschmack wirklich für diese Stücke interessierte. Schließlich beruhigte nichts die Nerven so gut wie ein Porzellanstück unklarer Herkunft.

      Als das Knirschen der Kutschenräder zu hören war, sagte er: »Komm bitte wieder. Komm doch zum Mittagessen vorbei, dann kann ich dir die bei Tageslicht zeigen, und meine liebe Kleine – sie ist so ein süßes kleines Ding. Der Hund scheint dich ins Herz geschlossen zu haben.«

      Denn Balthasar, der fühlte, dass sie im Begriff war, zu gehen, rieb sich an ihrem Bein. Während er mit ihr in die Vorhalle hinausging, sagte er: »In eineinviertel Stunden bist du zu Hause. Hier, das ist für deine Schützlinge«, und er steckte ihr einen Scheck über fünfzig Pfund in die Hand.

      Er sah, wie ihre Augen aufleuchteten, und hörte sie murmeln: »Ach, Onkel Jolyon!«, und eine wahre Woge der Freude durchflutete ihn. Damit war ein oder zwei armen Wesen ein wenig geholfen, und sie würde wiederkommen. Er streckte seine Hand durchs Fenster und griff noch einmal nach ihrer. Die Kutsche rollte fort. Er stand da und betrachtete den Mond und die Schatten der Bäume und dachte: ›Eine schöne Nacht! Sie …‹

      Zwei Tage Regen, dann kam sanft und sonnig der Sommer. Der alte Jolyon ging mit Holly spazieren und unterhielt sich mit ihr. Anfangs fühlte er sich größer und von frischer Kraft erfüllt, dann wurde er unruhig. Fast jeden Nachmittag gingen sie in das Wäldchen, bis zu dem Baumstamm. ›Sie ist nicht da!‹, dachte er jedes Mal. ›Natürlich nicht!‹ Und jedes Mal fühlte er sich ein wenig kleiner und ging schleppenden Ganges die Anhöhe hoch nach Hause, die Hand gegen seine linke Seite gepresst. Hin und wieder regte sich in ihm der Gedanke: ›War sie hier – oder habe ich es nur geträumt?‹ Und er starrte ins Leere, während der Hund Balthasar ihn anstarrte. Natürlich würde sie nicht wiederkommen! Er öffnete die Briefe aus Spanien mit weniger Freude. Sie kamen erst im Juli zurück. Merkwürdigerweise hatte er das Gefühl, dass er das aushalten könnte. Jeden Tag starrte er beim Abendessen mit zusammengekniffenen Augen auf den Platz, an dem sie gesessen hatte. Sie war nicht da, also ließ er das mit dem Zusammenkneifen wieder.

      Am siebten Nachmittag dachte er: ›Ich muss nach London und mir Stiefel kaufen.‹ Er beorderte Beacon und machte sich auf den Weg. Während er von Putney Richtung Hyde Park fuhr, überlegte er sich: ›Eigentlich könnte ich auch nach Chelsea fahren und sie besuchen.‹ Und er rief: »Fahren Sie mich einfach dahin, wo sie die Dame neulich Abend hingebracht haben.« Der Kutscher drehte sein breites rotes Gesicht zu ihm und antwortete mit seinen fleischigen Lippen: »Die Dame in Grau, Sir?«

      »Ja, die Dame in Grau.« Welche Dame denn sonst? Trottel!

      Die Kutsche hielt vor einem kleinen dreistöckigen Haus, ein wenig abseits vom Fluss. Mit seinem geschulten Blick erkannte der alte Jolyon, dass die Wohnungen billig waren. ›Wahrscheinlich um die sechzig Pfund pro Jahr‹, dachte er. Beim Hineingehen sah er auf die Namenschilder. Der Name Forsyte war nirgendwo zu finden, aber unter ›Erster Stock, Wohnung C‹ stand ›Mrs Irene Heron‹. Aha! Sie hatte also ihren Mädchennamen wieder angenommen! Und irgendwie gefiel ihm das. Langsam ging er nach oben, er spürte wieder etwas den Schmerz auf der linken Seite. Er blieb einen Augenblick stehen, ehe er klingelte, damit dieses Ziehen und Pochen aufhörte. Sie war bestimmt nicht zu Hause! Und außerdem – Stiefel! Was wollte er denn in seinem Alter mit Stiefeln? Er konnte ja nicht einmal mehr die auftragen, die er schon besaß.

      »Ist Ihre Herrin zu Hause?«

      »Ja,


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