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Der Mann ohne Eigenschaften. Robert MusilЧитать онлайн книгу.

Der Mann ohne Eigenschaften - Robert Musil


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Du mußt zugeben, daß niemand für seine Fehler kann, wenn man sie mit seinen eigenen Augen betrachtet; sie sind für ihn im schlimmsten Fall Irrtümer oder schlechte Eigenschaften an einem Ganzen, das ihrethalben nicht weniger gut wird, und natürlich hat er vollkommen recht!»

      Bonadea hatte etwas an ihrem Strumpf zu richten und fühlte sich gezwungen, Ulrich mit etwas zurückgeneigtem Kopf dabei anzusehen, so daß sich am Knie, unbeaufsichtigt von ihrem Auge, ein gegensatzreiches Leben von spitzen Säumen, glattem Strumpf, gespannten Fingern und sanft entspanntem Perlenschmelz der Haut entwickelte.

      Ulrich zündete sich rasch eine Zigarette an und fuhr fort: «Der Mensch ist nicht gut, sondern er ist immer gut; das ist ein gewaltiger Unterschied, verstehst du? Man lächelt über diese Sophistik der Eigenliebe, aber man sollte aus ihr die Folgerung ableiten, daß der Mensch überhaupt nichts Böses tun kann; er kann nur bös wirken. Mit dieser Erkenntnis wären wir am rechten Ausgangspunkt einer sozialen Moral.»

      Bonadea streifte mit einem Seufzer ihren Rock wieder an die rechte Stelle zurück, richtete sich auf und suchte sich mit einem Schluck von dem matten Goldfeuer zu beruhigen.

      «Und nun will ich dir erklären,» setzte Ulrich lächelnd hinzu «warum man für Moosbrugger wohl allerhand fühlen, aber trotzdem nichts tun kann. Im Grunde gleichen alle diese Fälle einem herausstehenden Fadenende, und wenn man daran zieht, beginnt sich das ganze Gesellschaftsgewebe aufzutrennen. Ich werde dir das zunächst an rein verstandesmäßigen Fragen zeigen.»

      Bonadea verlor auf unaufgeklärte Weise einen Schuh. Ulrich bückte sich danach, und der Fuß kam mit den warmen Zehen dem Schuh in seiner Hand entgegen wie ein kleines Kind. «Laß nur, laß, ich mache es selbst!» sagte Bonadea, während sie ihm den Fuß hinhielt.

      «Da sind zuerst die psychiatrisch-juridischen Fragen» erklärte Ulrich unerbittlich weiter, während ihm aus dem Bein der Hauch der verminderten Zurechnungsfähigkeit in die Nase stieg. «Diese Fragen, von denen wir wissen, daß die Ärzte beinahe jetzt schon so weit sind, daß sie die meisten solcher Verbrechen verhindern könnten, wenn wir nur die dazu benötigten/Geldmittel aufwenden wollten. Das ist also nur noch eine soziale Frage.»

      «Ach, weißt du, die laß!» bat Bonadea, als er nun schon zum zweitenmal sozial sagte. «Wenn davon gesprochen wird, geh ich zu Hause aus dem Zimmer; das langweilt mich zu Tod.»

      «Nun gut,» lenkte Ulrich ein «ich habe sagen wollen, wie die Technik aus Kadavern, Unrat, Bruch und Giften längst schon nützliche Dinge bereitet, könnte dies fast auch schon der psychologischen Technik gelingen. Aber die Welt läßt sich mit der Lösung dieser Fragen unmäßig viel Zeit. Der Staat gibt Geld für jede Dummheit her, für die Lösung der wichtigsten moralischen Fragen hat er aber nicht einen Kreuzer übrig. Das liegt in seiner Natur, denn der Staat ist das dümmste und boshafteste Menschenwesen, das es gibt.»

      Er sagte es mit Überzeugung; aber Bonadea suchte ihn zum Kern der Sache zurückzubringen. «Liebster,» sagte sie schmachtend «es ist doch gerade das Beste für Moosbrugger, daß er unverantwortlich ist!?»

      «Es wäre wahrscheinlich wichtiger, etliche Verantwortliche umzubringen, als einen Unverantwortlichen vor dem Umgebrachtwerden zu schützen!» wehrte Ulrich ab.

      Er ging jetzt nahe vor ihr auf und ab. Bonadea fand ihn revolutionär und zündend; es gelang ihr, seine Hand einzufangen, und sie legte sie sich auf den Busen.

      «Gut,» sagte er «ich werde dir jetzt die gefühlsmäßigen Fragen erklären.»

      Bonadea entfaltete seine Finger und breitete seine Hand auf ihrer Brust aus. Der begleitende Blick würde ein steinernes Herz gerührt haben; Ulrich glaubte in den nächsten Augenblicken zwei Herzen in der Brust zu fühlen, wie in einem Uhrmacherladen die Uhrschläge durcheinanderwimmeln. Mit dem Aufgebot aller Willenskraft brachte er die Brust in Ordnung und sagte sanft: «Nein, Bonadea!»

      Bonadea war nun den Tränen nahe, und Ulrich redete ihr zu. «Ist es denn nicht widerspruchsvoll, daß du dich wegen dieser einen Sache aufregst, weil ich dir zufällig davon erzählt habe, Während du von den Millionen ebenso großer Ungerechtigkeiten, die täglich geschehn, nichts merkst?»

      «Aber das hat doch damit gar nichts zu tun» verwahrte sich Bonadea. «Das eine weiß ich nun eben! Und ich wäre ein schlechter Mensch, wenn ich ruhig bliebe!»

      Ulrich meinte, daß man ruhig zu bleiben habe; geradezu stürmisch ruhig, – fügte er hinzu. Er hatte sich losgemacht und in einiger Entfernung vor Bonadea niedergesetzt. «Alles geschieht heute ‹inzwischen› und ‹einstweilen›,» bemerkte er «das muß so sein. Denn wir werden von der Gewissenhaftigkeit unseres Verstandes zu einer entsetzlichen Gewissenlosigkeit unseres Gemüts gezwungen.» Nun hatte er auch sich noch einmal Whisky eingeschenkt und die Beine auf den Diwan gezogen. Er fing an, müde zu werden. «Jeder Mensch denkt ursprünglich über das ganze Leben nach,» erklärte er «aber je genauer er nachdenkt, desto mehr engt sich das ein. Wenn er reif ist, hast du einen Menschen vor dir, der sich auf einem bestimmten Quadratmillimeter so gut auskennt wie in der ganzen Welt höchstens zwei Dutzend anderer Menschen, der genau sieht, wie alle Menschen, die sich nicht so genau auskennen, Unsinn über seine Angelegenheit reden, und sich doch nicht rühren darf, denn wenn er seinen Platz nur um einen Mikromillimeter verläßt, redet er selbst Unsinn.» Seine Müdigkeit war jetzt dünngolden wie das Getränk, das am Tisch stand. «Auch ich rede also schon eine halbe Stunde lang Unsinn» dachte er; aber dieser herabgeminderte Zustand war angenehm. Er fürchtete bloß das eine, daß Bonadea auf den Einfall kommen könnte, sich zu ihm zu setzen. Dagegen gab es nur ein Mittel: reden. Er hatte den Kopf aufgestützt und lag ausgestreckt da wie die Grabfiguren in der Mediceerkapelle. Mit einemmal fiel ihm das ein, und wirklich, während er diese Stellung einnahm, floß Großartigkeit durch seinen Körper, ein Schweben in ihrer Ruhe, und er kam sich gewaltiger vor, als er war; zum erstenmal glaubte er, aus der Ferne, diese Kunstwerke zu verstehen, die er bis dahin nur wie fremde Dinge angesehen hatte. Und statt zu reden, schwieg er. Auch Bonadea fühlte etwas. Es war ein «Augenblick», wie man das nennt, was man nicht bezeichnen kann. Etwas schauspielerisch Gehobenes vereinigte die beiden, die plötzlich stumm wurden.

      «Was ist von mir übrig geblieben?» dachte Ulrich bitter. «Vielleicht ein Mensch, der tapfer und unverkäuflich ist und sich einbildet, daß er um der Freiheit des Inneren willen nur wenige äußere Gesetze achtet. Aber diese Freiheit des Inneren besteht darin, daß man sich alles denken kann, daß man in jeder menschlichen Lage weiß, warum man sich nicht an sie zu binden braucht, und niemals weiß, wovon man sich binden lassen möchte!» In diesem wenig glücklichen Augenblick, wo sich die sonderbare kleine Gefühlswelle, die ihn für eine Sekunde gefaßt hatte, wieder auflöste, wäre er bereit gewesen, zuzugeben, daß er nichts besitze als eine Fähigkeit, an jeder Sache zwei Seiten zu entdecken, jene moralische Ambivalenz, die fast alle seine Zeitgenossen auszeichnete und die Anlage seiner Generation bildete oder auch deren Schicksal. Seine Beziehungen zur Welt waren blaß, schattenhaft und verneinend geworden. Welches Recht hatte er, Bonadea schlecht zu behandeln? Es war immer das gleiche ärgerliche Gespräch, das sich zwischen ihnen wiederholte. Es entstand aus der inneren Akustik der Leere, in der ein Schuß doppelt so laut widerhallt und nicht aufhört zu rollen; es beschwerte ihn, daß er zu ihr gar nicht mehr anders sprechen konnte als in dieser Art, für deren besondere Qual, die sie beiden bereitete, ihm der halbsinnig hübsche Name Barock der Leere einfiel. Und er richtete sich auf, um ihr etwas Liebenswürdiges zu sagen. «Mir ist jetzt etwas aufgefallen» wandte er sich an Bonadea, die noch immer in würdiger Weise dasaß. «Es ist eine komische Sache. Ein merkwürdiger Unterschied: Der zurechnungsfähige Mensch kann immer auch anders, der unzurechnungsfähige nie!»

      Bonadea erwiderte etwas sehr Bedeutendes. «Ach du!» erwiderte sie. Das war die einzige Unterbrechung, und das Schweigen schloß sich wieder.

      Wenn Ulrich in ihrer Gegenwart von allgemeinen Dingen sprach, so mochte sie es nicht. Sie fühlte sich mit Recht bei allen ihren Fehltritten doch immer inmitten einer Menge ihr ähnlicher Menschen und hatte ein richtiges Empfinden für das Ungesellige, Übertriebene und Einsame seiner Art, sie mit Gedanken, statt mit Gefühlen zu bewirten. Immerhin hatten sich in ihr dabei Verbrechen, Liebe und Traurigkeit jetzt zu einem Ideenkreis vereint, der höchst gefährlich war. Ulrich kam ihr nun


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