Das Hexaemeron. Ambrosius von MailandЧитать онлайн книгу.
denn die leichte und weichere Luftnatur die schwere Erdenmasse tragen könne? Oder, wenn über den Wassern, wie die Erde nicht in jähem Sturz ins Wasser versinke? Oder wie die Meeresflut derselben nicht weiche und die seitlich angrenzenden Teile, sobald sie von ihrer Stelle gewichen, überströme? Viele behaupteten auch, die Erde schwebe mitten in der Luft und beharre unbeweglich mit ihrer Masse, weil sie sich so nach allen Seiten erstrecke, daß eine Bewegung hier- und dorthin sich paralysiere. Hierzu genügt, wie ich glaube, des Herrn Äußerung an seinen Diener Job, da er durch eine Wolke sprach und fragte: „Wo warst du, da ich grundlegte die Erde? Sage es mir, wenn du Einsicht hast! Wer setzte fest ihr Maß, wenn du’s weißt? Oder wer ist’s, der über sie ausgespannt die Meßschnur? Oder worauf werden ihre Zonen befestigt?“83 Und im folgenden: „Ich schloß mit Toren ein das Meer und sprach: Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter dringen, sondern in dir sollen sich brechen deine Wogen“84. Hat Gott damit nicht klar gezeigt, daß alles in seiner Größe gründet, nicht in Zahl, Gewicht und Maß? Denn das Geschöüf gibt kein Gesetz, sondern empfängt es, bezw. wahrt das empfangene. Nicht wegen ihrer zentralen Lage schwebt also die Erde im Gleichgewicht, sondern weil Gottes Majestät durch das Gesetz seines Willens sie zwingt, daß sie über dem unsteten Gewoge, bezw. im leeren Raume stetig beharre. So bezeugt es auch der Prophet David mit den Worten: „Er hat gegründet die Erde auf ihre Festigkeit; sie wird nicht wanken in alle Ewigkeit“85. Da wird doch Gott nicht bloß als Künstler, sondern als der Allmächtige gefeiert, der die Erde nicht kraft einer gewissen Zentralität, sondern seines Gebotes in Schwebe hält und nicht ins Wanken geraten läßt. Nicht die zentrale Lage, sondern Gottes Ermessen müssen wir für das Maßgebende halten: nicht Kunst, sondern die Macht ist da maßgebend, die Gerechtigkeit ist maßgebend, das Wissen ist maßgebend; denn das All übersteigt nicht als etwas Unermeßliches sein Wissen, sondern unterliegt als etwas Endliches seinem Erkennen. Wenn wir lesen: „Ich festigte ihre Säulen“86, können wir doch nicht glauben, sie ruhe wirklich auf Säulen, sondern auf jener Kraft, welche der Erde Substanz trägt und erhält. Wie sehr der Bestand der Erde in der Macht Gottes gründet, folgere endlich auch daraus, daß geschrieben steht: „Er, der anblickt die Erde und sie erzittern macht“87; und an einer anderen Stelle: „Noch einmal erschüttere ich die Erde“88. Nicht also unbeweglich beharrt sie infolge ihres Gleichgewichtes, sie wird vielmehr häufig auf Gottes Wink und Willen erschüttert, wie auch Job es ausspricht: „Der Herr schüttert sie weg von ihren Grundfesten, ihre Säulen aber wanken“89; und an anderer Stelle: „Nackt ist das Totenreich vor ihm, und keine Hülle deckt den Tod. Er spannt den Nord aus vor dem Nichts, hängt die Erde auf im Nichts, bindet die Wasser in seinen Wolken. . . Des Himmels Säulen fahren empor und erbeben vor seinem Dräuen. Durch seine Kraft besänftigt er das Meer, durch seine Zuchtrute streckt er hin des Meeres Ungeheuer, des Himmels Tore aber fürchten ihn“90. Durch Gottes Willen also beharrt sie unbeweglich und „steht in Ewigkeit“ nach des Predigers Spruch91, und kraft Gottes Willen bewegt sie sich und schwankt. Nicht weil auf ihre Grundfesten gestützt, besteht sie, und nicht weil auf ihren Säulen ruhend, beharrt sie sonder Wanken, sondern der Herr gibt ihr Bestand und Halt mit der Festigkeit seines Willens, „denn in seiner Hand sind alle Enden der Erde“92. Und dieser schlichte Glaube geht über alles Vernünfteln. Mögen andere beifällig der Ansicht beipflichten, die Erde senke sich deshalb an keinem Punkte, weil sie von Natur ihre Lage in der Mitte habe, sie beharre eben mit Notwendigkeit in dieser Lage, ohne nach einer anderen Seite sich zu neigen, solange sie sich nicht naturwidrig, sondern naturgemäß bewege; mögen sie des göttlichen Bildners, des ewigen Meisters Erhabenheit rühmen ― welcher Künstler verdankte denn nicht ihm seine Begabung, oder wer „gab den Frauen die Kenntnis der Webekunst oder das Verständnis für Stickerei?“93 ―: ich, der die Tiefe seiner Majestät und die Erhabenheit seiner Kunst nicht zu fassen vermag, verlasse mich nicht auf Gleichgewicht und Maß in der Wissenschaft, sondern halte dafür, daß alles in Gottes Willen beruht, insofern sein Wille die Grundfeste des Alls ist und seinetwegen diese Welt fortbesteht. Zum Beweise hierfür mag beispielsweise auch des Apostels Autorität angezogen werden; denn so steht geschrieben: „Der Vergänglichkeit ward die Schöpfung unterworfen, nicht freiwillig, sondern um dessen willen, welcher sie unterworfen hat, auf Hoffnung hin. Indes wird auch die Schöpfung befreit werden von der Knechtschaft des Verderbens“94, wenn das Gnadenlicht der göttlichen Vergeltung aufleuchten wird.
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Was soll ich aber der Reihe nach das anführen, was die Philosophen in ihren Erörterungen über die Natur und Beschaffenheit des Himmels ersonnen haben. „Die einen nämlich behaupten eine Zusammensetzung des Himmels aus den vier Elementen. . ., andere führen zu dessen Konstitution eine fünfte Wesenheit von neuer körperlicher Art ein“95 und stellen sich dieselbe als ätherische Körpersubstanz vor, frei von Vermischung mit Feuer, Luft, Wasser und Erde96. Diese Weltelemente hätten nämlich ihre bestimmte natürliche Richtung und Betätigung und Bewegung, so daß die schwereren niedersänken und zu Boden fielen, die leeren und leichten nach oben strebten ― jedes folgt eben seiner eigenen Bewegung ―, an der Peripherie der Weltkugel aber gingen sie ineinander über und verlören die Fähigkeit zur Einhaltung ihrer Richtung; denn die Kugel drehe sich im Kreise und das obere kehre sich zu unterst, das untere zu oberst. Dinge aber, deren naturmäßige Bewegung verändert werde, erlitten damit, sagen sie, in der Regel auch eine Veränderung ihrer Wesenseigenschaften. Was brauchen wir für das Vorhandensein einer ätherischen Körpersubstanz eintreten, damit sie nicht der Vergänglichkeit verfallen erscheine? Was nämlich aus vergänglichen Elementen sich zusammensetzt, verfällt notwendig der Auflösung. Schon dadurch, daß eben diese Elemente entgegengesetzter Natur sind, können sie nicht eine schlechthin unveränderliche Bewegung haben; muß sich doch ihre entgegengesetzte Bewegung gegenseitig hemmen. Es kann nämlich nicht eine Bewegung für alle passen und für so verschiedenartige Elemente sich eignen: ist sie den leichten Elementen angepaßt, ist sie das für die schwereren nicht. Soll eine Bewegung zu des Himmels Höhen statthaben, leidet sie unter dem Schwergewicht des Irdischen; will man die Richtung nach unten nehmen, zerrt man das Kraftelement des Feuers gewaltsam nieder, indem es wider seine gewohnte Natur nach abwärts gezwungen wird. Alles aber, was nicht der Natur, sondern dem Zwange unterworfen, gewaltsam in sein Gegenteil verkehrt wird, fällt rasch der Auflösung und Zersetzung in jene Elemente anheim, aus welchen es zusammengesetzt ist, und von denen jedes in sein Bereich zurückkehrt. Die Erwägung nun, daß diese (Elemente) nichts Beharrendes sein können, brachte jene anderen Autoren zur Annahme eines ätherischen Stoffes für den Himmel und die Gestirne, indem sie eine fünfte Wesenheit materieller Art einführten, kraft welcher ihrer Ansicht nach die Himmelssubstanz eine ewig dauernde sein wird.
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Doch diese Annahme vermochte dem Ausspruch des Propheten nicht zu derogieren, der noch dazu durch die göttliche Majestät des Herrn Jesus Christus, unseres Gottes, im Evangelium seine Bestätigung fand. Es sprach nämlich David: „Im Anfange hast Du, o Herr, die Erde gegründet, und Deiner Hände Werk sind die Himmel. Sie werden vergehen, Du aber bleibst. Und alles wird altern wie ein Kleid, und wie ein Gewand wechselst Du es, und es ist gewechselt. Du aber bist derselbe, und Deine Jahre werden kein Ende nehmen“97. Und das bestätigte nun der Herr im Evangelium so bestimmt, daß er erklärte: „Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen“98. Nichts denn bezwecken jene, welche, um die Ewigkeit des Himmels behaupten zu können, eine fünfte ätherische Körpersubstanz einführen zu sollen glaubten; müssen sie doch ebenso (wie wir) merken, daß ein Fremdkörper auch nur in einem Gliede dem Organismus gewöhnlich mehr nachteilig ist. Beachte zugleich, wie David auch dadurch, daß er die Erde an erster Stelle nannte und dann erst den Himmel, letzteren als Geschöpf Gottes erklären zu sollen glaubte; denn wenn „er sprach, und sie waren geschaffen“99, ist es (an sich) belanglos, was man zuerst nennt, da ja beide zugleich geschaffen wurden ― ‚zugleich‘, damit es nicht den Anschein gewänne, als sei dem Himmel wenigstens in der Form die Prärogative göttlicher Substanz zugesprochen, daß er wegen seines Vorrechtes als Erstlingsgeschöpf für vorzüglicher gehalten werden müsse. Überlassen wir denn jene (Weltweisen), die sich selbst gegenseitig in ihren Streitreden widerlegen, ihren Streitigkeiten. Uns aber genügen zum Heile nicht strittige