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Der Nachsommer. Adalbert StifterЧитать онлайн книгу.

Der Nachsommer - Adalbert Stifter


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antwortete mein Begleiter, „wozu wären denn so viele Zeichnungen angefertigt worden? Alle Gegenstände, die Ihr öfter gezeichnet sahet und deren letzte Zeichnung in Farben angegeben ist, sind in Wirklichkeit ausgearbeitet worden. Diese Zeichnungen sind die Pläne und Vorlagen zu den neuen Geräten, auf deren Verfertigung, wie ich früher sagte, wir geraten sind. Wenn Ihr einmal in den Ort, von dem ich Euch gesagt habe, daß er mehrere enthält, kommen solltet, so würdet Ihr dort nicht nur viele von denen, die hier gezeichnet sind, sehen, sondern auch solche, die zusammengehören und ein Ganzes bilden.“

      „Wenn man diese Zeichnungen betrachtet“, sagte ich, „und wenn man die anderen betrachtet, welche ich früher gesehen habe, so kömmt man auf den

      Gedanken, daß die Bauwerke einer Zeit und die Geräte, welche in diesen Bauwerken sein sollten, eine Einheit bilden, die nicht zerrissen werden kann.“

      „Allerdings bilden sie eine“, erwiderte er, „die Geräte sind ja die Verwandten der Baukunst, etwa ihre Enkel oder Urenkel, und sind aus ihr hervorgegangen. Dieses ist so wahr, daß ja auch unsere heutigen Geräte zu unserer heutigen Baukunst gehören. Unsere Zimmer sind fast wie hohle Würfel oder wie Kisten, und in solchen stehen die geradlinigen und geradflächigen Geräte gut. Es ist daher nicht ohne Begründung, wenn die viel schöneren altertümlichen Geräte in unseren Wohnungen manchen Leuten einen unheimlichen Eindruck machen, sie widersprechen der Wohnung; aber hierin haben die Leute unrecht, wenn sie die Geräte nicht schön finden, die Wohnung ist es, und diese sollte geändert werden. Darum stehen in Schlössern und altertümlichen Bauten derlei Geräte noch am schönsten, weil sie da eine ihnen ähnliche Umgebung finden. Wir haben aus diesem Verhältnisse Nutzen gezogen und aus unseren Zeichnungen der Bauwerke viel für die Zusammenstellung unserer Geräte gelernt, die wir eben nach ihnen eingerichtet haben.“

      „Wenn man so viele dieser Dinge in so vielen Abbildungen vor sich sieht, wie wir jetzt getan haben“, sagte ich, „so kann man nicht umhin, einen großen Eindruck zu empfinden, den sie machen.“

      „Es haben sehr tiefsinnige Menschen vor uns gelebt“, erwiderte er, „man hat es nicht immer erkannt und fängt erst jetzt an, es wieder ein wenig einzusehen. Ich weiß nicht, ob ich es Rührung oder Schwermut nennen soll, was ich empfinde, wenn ich daran denke, daß unsere Voreltern ihre größten und umfassendsten Werke nicht vollendet haben. Sie mußten auf eine solche Ewigkeit des Schönheitsgefühles gerechnet haben, daß sie überzeugt waren, die Nachwelt werde an dem weiterbauen, was sie angefangen haben. Ihre unfertigen Kirchen stehen wie Fremdlinge in unserer Zeit. Wir haben sie nicht mehr empfunden oder haben sie durch häßliche Aftergebilde verunstaltet. Ich möchte jung sein, wenn eine Zeit kömmt, in welcher in unserem Vaterlande das Gefühl für diese Anfänge so groß wird, daß es die Mittel zusammenbringt, diese Anfänge weiterzuführen. Die Mittel sind vorhanden, nur werden sie auf etwas anderes angewendet, so wie man diese Bauwerke nicht aus Mangel der Mittel unvollendet ließ, sondern aus anderen Gründen.“

      Ich sagte nach diesen Worten, daß ich in dem berührten Punkte weniger unterrichtet sei; aber in einem anderen Punkte könnte ich vielleicht etwas sagen, nämlich in Hinsicht der Zeichnungen. „Ich habe durch längere Zeit her Pflanzen, Steine, Tiere und andere Dinge gezeichnet, habe mich sehr geübt und dürfte daher etwa ein Urteil wagen können. Diese Zeichnungen erscheinen mir in Reinheit der Linien, in Richtigkeit des Perspektives, in kluger Hinstellung jedes Körperteiles und in passender Anwendung der Farben als ganz vortrefflich, und ich fühle mich gedrungen, dieses zu sagen.“

      Der Meister sagte zu diesem Lobe nichts, sondern er senkte den Blick zu Boden, meinen Gastfreund aber schien mein Urteil zu freuen.

      Er bedeutete den Meister, die Mappe zusammenzubinden und in die Lade zu legen, was auch geschah.

      Wir gingen von diesem Zimmer in die weiteren Räume des Schreinerhauses. Als wir über die Schwelle schritten, dachte ich, daß ich von altertümlichen Gegenständen trotz der Sammlungen meines Vaters, von denen ich doch lebenslänglich umgeben gewesen war, eigentlich bisher nicht viel verstanden habe und erst lernen müsse.

      Von dem Zimmer der Zeichnungen gingen wir in das Wohnzimmer des Meisters, welches neben den gewöhnlichen Gerätstücken ebenfalls Zeichnungstische und Staffeleien enthielt. Es war ebenso freundlich eingerichtet wie das Zimmer der Zeichnungen.

      Auch die Zimmer der Gehilfen besuchten wir und betraten dann die Nebenräume. Es waren dies Räume, die zu verschiedenen Gegenständen, die eine solche Anstalt fordert, notwendig sind. Der vorzüglichste war das Trockenhaus, welches hinter der Schreinerei angebracht war, aus der man in die untere und obere Abteilung desselben gelangen konnte. Es hatte den Zweck, daß in ihm alle Gattungen von Holz, die man hier verarbeitete, jenen Zustand der Trockenheit erreichen konnten, der in Geräten notwendig ist, daß nicht später wieder Beschädigungen eintreten. In dem unteren Raume wurden die größeren Holzkörper aufbewahrt, in dem oberen die kleineren und feineren. Ich konnte sehen, wie sehr es Ernst mit der Anlegung dieses Werkhauses war, denn ich fand in dem Trockenhause nicht nur einen sehr großen Vorrat von Holz, sondern auch fast alle Gattungen der inländischen und ausländischen Hölzer. Ich hatte hierin von der Zeit meiner naturwissenschaftlichen Bestrebungen her einige Kenntnisse. Außerdem war das Holz beinahe durchgängig schon in die vorläufigen Gestalten geschnitten, in die es verarbeitet werden sollte, damit es auf diese Weise zu hinreichender Beruhigung austrocknen konnte. Mein Begleiter zeigte mir die verschiedenen Behältnisse und erklärte mir im allgemeinen ihren Inhalt.

      In dem unteren Raume sah ich Lärchenholz zu sehr großen seltsamen Gestalten verbunden, gleichsam zu schlanken Gerüsten, Rahmen und dergleichen, und fragte, da ich mir die Sache nicht erklären konnte, um ihre Bedeutung.

      „In unserem Lande“, antwortete mein Begleiter, „sind mehrere geschnitzte Altäre. Sie sind alle aus Lindenholz verfertigt und einige von bedeutender Schönheit. Sie stammen aus sehr früher Zeit, etwa zwischen dem dreizehnten und fünfzehnten Jahrhunderte, und sind Flügelaltäre, welche mit geöffneten Flügeln die Gestalt einer Monstranze haben. Sie sind zum Teile schon sehr beschädigt und drohen, in kürzerer oder längerer Zeit zugrunde zu gehen. Da haben wir nun einen auf meine Kosten wiederhergestellt und arbeiten jetzt an einem zweiten. Die Holzgerüste, um die Ihr fragtet, sind Grundlagen, auf denen Verzierungen befestigt werden müssen. Die Verzierungen sind noch ziemlich erhalten, ihre Grundlagen aber sind sehr morsch geworden, weshalb wir neue anfertigen müssen, wozu Ihr hier die Entwürfe sehet.“

      „Hat man Euch denn erlaubt, in einer Kirche einen Altar umzugestalten?“ fragte ich.

      „Man hat es uns erst nach vielen Schwierigkeiten erlaubt“, antwortete er, „wir haben aber die Schwierigkeiten besiegt. Besonders kam uns das Mißtrauen in unsere Kenntnisse und Fähigkeiten entgegen, und hierin hatte man recht. Wohin käme man denn, wenn man an vorhandenen Werken vorschnell Veränderungen anbringen ließe. Es könnten ja da Dinge von der größten Wichtigkeit verunstaltet oder zerstört werden. Wir mußten angeben, was wir verändern oder hinzufügen wollten und wie die Sache nach der Umarbeitung aussehen würde. Erst da wir dargelegt hatten, daß wir an den bestehenden Zusammenstellungen nichts ändern würden, daß keine Verzierung an einen andern Platz komme, daß kein Standbild an seinem Angesichte, seinen Händen oder den Faltungen seines Gewandes umgestaltet werde, sondern daß wir nur das Vorhandene in seiner jetzigen Gestalt erhalten wollen, damit es nicht weiter zerfallen könne, daß wir den Stoff, wo er gelitten hat, mit Stoff erfüllen wollen, damit die Ganzheit desselben vorhanden sei, daß wir an Zutaten nur die kleinsten Dinge anbringen würden, deren Gestalt vollkommen durch die gleichartigen Stücke bekannt wäre und in gleichmäßiger Vollkommenheit wie die alten verfertigt werden könnte, ferner als wir eine Zeichnung in Farben angefertigt hatten, die darstellte, wie der gereinigte und wiederhergestellte Altar aussehen würde, und endlich als wir Schnitzereien von geringem Umfange, einzelne Standbilder und dergleichen in unserem Sinne wiederhergestellt und zur Anschauung gebracht hatten: ließ man uns gewähren. Von Hindernissen, die nicht von der Obrigkeit ausgingen, von Verdächtigungen und ähnlichen Vorkommnissen rede ich nicht, sie sind auch wenig zu meiner Kenntnis gekommen.“

      „Da habt Ihr ein langwieriges und, wie ich glaube, wichtiges Werk unternommen“, sagte ich.

      „Die Arbeit hat mehrere Jahre gedauert“,


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