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Von den Pflichten der Kirchendiener. Ambrosius von MailandЧитать онлайн книгу.

Von den Pflichten der Kirchendiener - Ambrosius von Mailand


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schweigst du? Sprich, wenn du dich getraust! Doch du getraust dich nicht, du bist stumm, ich habe dich sprachlos gemacht. Schweigst du, zerschreit er sich noch mehr, hält sich für besiegt, genarrt, verachtet und verspottet. Erwiderst du, fühlt er sich als der Überlegene, weil er seinesgleichen gefunden hat. Schweigst du, so heißt es: er hat diesen beschimpft, dieser ihn mit Verachtung gestraft. Erwiderst du das Geschimpfe, heißt es: beide haben sich in Schmähungen ergangen; jeden straft das Urteil, keinen spricht es frei. Er geht also geflissentlich darauf aus, mich zu reizen, daß ich Ähnliches rede, Ähnliches tue wie er. Am Gerechten aber ist es, sich nichts merken zu lassen, nichts zu erwidern, die Frucht des guten Gewissens zu wahren, mehr dem Urteile der Guten, als der Unverschämtheit eines Lästermaules anheimzustellen und damit zufrieden zu sein, die Würde im Verhalten bewahrt zu haben. Das nämlich heißt „ob des Guten schweigen“32; denn wer ein gutes Gewissen hat, darf sich nicht über falsche Anschuldigungen aufregen und nicht glauben, fremder Schimpf wiege schwerer als das Selbstzeugnis.

      19. So kommt es, daß er auch die Demut wahrt. Will er hingegen nicht allzu demütig erscheinen, sinnt er also und spricht bei sich selbst: Wie, der will mich verachten und unter meinen Augen solche Reden wider mich führen, als könnte ich nicht den Mund gegen ihn auftun? Warum sollte nicht auch ich etwas sagen, womit ich ihn ärgern kann? Wie, der will mir Beleidigungen zufügen, als wäre ich kein Mann, als könnte ich mich nicht rächen? Der will mich verunglimpfen, als könnte ich nicht noch Schlimmeres wider ihn vorbringen?

      20. Wer so spricht, ist nicht sanft und demütig33, ist nicht frei von Versuchung. Der Versucher stachelt ihn auf, er speit ihm solche Gedanken ein. Meist bedient sich der böse Geist eines Menschen hierzu und zieht ihn bei, daß er so zu ihm spreche. Doch du wandle fest auf Felsenpfad! Mag selbst ein Sklave eine Beleidigung sprechen, der Gerechte schweigt; mag ein Schwächling Schimpfworte ausstoßen, der Gerechte schweigt; mag ein Armer in Schmähungen sich ergehen, der Gerechte erwidert nicht. Das sind die Waffen des Gerechten. Durch Nachgeben trägt er den Sieg davon. So pflegen auch geübte Speerwerfer durch Ausweichen zu siegen und im Fliehen dem Verfolger die schwersten Wunden zu schlagen.

      VI. Kapitel

      

       Vom Stillschweigen: David ein Vorbild der Schweigsamkeit und der Selbstverdemütigung (21). Gegenteiliges Verhalten ist zu meiden (22).

      21. Was braucht es denn der Aufregung, wenn wir Schmähungen hören? Warum wollten wir nicht jenen nachahmen, der bekennt: „Ich verstummte und demütigte mich und schwieg ob des Guten“34 Oder sprach David nur so, handelte er nicht auch so? Gewiß, er handelte auch so. Denn als Semeis Sohn ihn schmähte, schwieg David. Obschon von Bewaffneten umgeben, erwiderte er die Beschimpfung nicht, drang nicht auf Rache: so wenig, daß er dem Sohne Sarvias, der zu ihm sagte, er wolle Rache an jenem nehmen, es nicht erlaubte35. So ging er denn gleichsam stumm und demütig, ging schweigend des Weges. Er regte sich über den Namen ‚Blutmensch‘ nicht auf, indem er seiner Sanftmut eingedenk blieb; er regte sich über die Beschimpfungen nicht auf, indem er sich seiner guten Werke vollbewußt war.

      22. Wer sonach durch Beleidigung sich schnell aufregen läßt, erweckt, während er das Unverdiente seiner Beschimpfung beweisen will, den Anschein, als ob er sie verdienen würde. Besser der, welcher sich über die Beleidigung hinwegsetzt, als der, welcher sich darüber abhärmt. Denn wer sich darüber hinwegsetzt, verachtet sie, als fühlte er sie nicht; wer sich aber darob abhärmt, leidet darunter, als fühlte er sie.

      VII. Kapitel

      

       Die Betrachtung des 38. Psalmes [Hebr. Ps. 39] der Anlaß zur Schrift über die Pflichtenlehre (23). Mehr als Cicero drängte Ambrosius die Liebe zu seinen Söhnen zu deren Abfassung (24).

      23. Nicht ohne Vorbedacht habe ich mich in meiner Schrift an euch, meine Söhne, dieses Psalmes als Einleitung bedient. Der Prophet David gab diesen Psalm dem heiligen Idithum zu singen36; ich rate euch, von seinem tiefen Sinn und seinen gewaltigen Gedanken entzückt: haltet ihn fest! Denn wir merkten schon aus dem Wenigen, was wir kurz gestreift haben, wie sowohl das Sichgedulden im Schweigen, als auch das Reden zur rechten Zeit, sowie in den folgenden Versen die Verachtung des Reichtums in diesem Psalme gelehrt werden: Dinge, welche die wichtigsten Grundlagen des Tugendlebens bilden. Bei der Betrachtung dieses Psalmes nun kam ich auf den Gedanken, eine Pflichtenlehre zu schreiben.

      24. Wenn auch hierüber einige Philosophen geschrieben haben, wie bei den Griechen Panätius37 und sein Sohn, bei den Römern Tullius, so hielt ich es doch nicht für unangemessen für mein Amt, auch meinerseits darüber zu schreiben, und zwar, wie Tullius zur Belehrung seines Sohnes38, so auch ich zu eurer Unterweisung, meine Söhne. Denn nicht weniger bin ich euch, die ich im Evangelium erzeugt habe39, in Liebe zugetan, als wenn ich euch aus der Ehe bekommen hätte. Nicht heftiger drängt die Natur als die Gnade zum Lieben. Mehr Liebe schulden wir gewiß denen, die nach unserer Überzeugung ewig mit uns sein werden, als jenen, die es nur in dieser Welt sind. Diese sind häufig entartete Sprößlinge, die dem Vater Schande bereiten, euch habe ich erst zu meinen Lieblingen erkoren. Ihre Liebe beruht auf Verwandtschaft, die kein hinlänglich geeigneter und beständiger Lehrer dauernder Liebe ist; die Liebe zu euch auf getroffener Entscheidung, die zum natürlichen Hang ein schwerwiegendes Moment der Liebe fügte: die Prüfung der Lieblinge und die Liebe zu den Erkorenen.

      VIII. Kapitel

      

       Der Name Pflichtenlehre nicht bloß den Philosophen, sondern auch den Hagiographen geläufig (25). Erklärung desselben (26).

      25. Rechtfertigen nun die Personenumstände die Abfassung der Pflichtenlehre, so laßt uns sehen, ob dieselbe auch sachlich sich rechtfertigen läßt, und ob diese Bezeichnung nur ein philosophischer Schulausdruck ist oder auch in den göttlichen Schriften sich findet. Gut fügte es sich nun, daß uns bei der heutigen Evangeliumverlesung der Heilige Geist, als wollte er zum Schreiben mahnen, eine Stelle zu lesen gab, die uns nur bestärken mußte, daß auch wir von officium (Pflicht) sprechen können. Denn als der Priester Zacharias im Tempel stumm ward und nicht sprechen konnte, „da geschah es“, so heißt es, „sobald die Tage seines Pflichtdienstes (officium) abgelaufen waren, ging er hinweg in sein Haus“40. Auch wir können also nach dem verlesenen Texte von officium (Pflicht) sprechen.

      26. Auch die wissenschaftliche Erwägung widerspricht dem nicht. Das Wort officium (Pflicht) kommt nämlich unseres Erachtens von efficere (verrichten), besagt also gleichsam ein efficium (Pflichtverrichtung) — des besseren Wortklanges wegen sagte man aber mit Veränderung eines Buchstabens officium — oder besagt doch ein Handeln, das niemand schadet (officiat), allen frommt41.

      IX. Kapitel

      

       Der Philosophie gilt das Sittlichgute und das Nützliche als Einteilungsgrund der drei, bezw. fünf Arten von Pflichten (27), für uns nur das Sittlichgute, gemessen am Maßstabe des Ewigen (28); daher die Darstellung der christlichen Pflichtenlehre nicht überflüssig (29).

      27. Die Pflichten, meinte man42, leiten sich her vom Sittlichguten und Nützlichen und von der Wahl des Besseren zwischen diesen beiden; es könne ferner der Fall eintreten, daß es sich um ein zweifaches Gute und ein zweifaches Nützliche zugleich handle und die Frage entstehe, was das Bessere und was das Nützlichere davon sei. So ergibt sich denn zunächst eine dreifache Einteilung des Pflichtmäßigen: in das Sittlichgute, das Nützliche und das, was das Bessere ist. Sodann teilte man diese drei Arten in fünf weitere ein: in ein zweifaches Sittlichgute, in ein zweifaches Nützliche und in die Wahl und Entscheidung darüber. Die ersteren betreffen, wie man sagt, das Schickliche und das Ehrbare im Leben, die beiden folgenden die Glücksgüter des Lebens: Besitz, Reichtum und Vermögen; die Wahl hierüber stehe dem Urteil zu. So jene Autoren.

      28.


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