Von den Pflichten der Kirchendiener. Ambrosius von MailandЧитать онлайн книгу.
um fremde Gebietsteile sich zu kümmern und so Krieg unter sich heraufzubeschwören? Ähnlich, so behauptet er, kümmert sich auch Gott nicht um die Erde, wie er sich auch um das Meer oder die Unterwelt nicht kümmert. Wie wollen sie denn die Dichter ablehnen80, denen sie folgen?
XIV. Kapitel
Von der göttlichen Vorsehung: Gottes Allwissenheit leugnen die Weltweisen vergeblich (51). Schon das Alte Testament nimmt Stellung gegen letztere (52). Schriftbeweis (53). Hinter der Leugnung birgt sich sündhaftes Tun (54). Auch die Sonne bietet einen Kongruenzbeweis (55—56).
51. Nun der weitere Einwand, ob nicht Gott, wenn nicht die Sorge, so doch das Wissen um seine Schöpfung abgehe? Er also, „der das Ohr gepflanzt, soll nicht hören, und der das Auge gebildet, nicht sehen“81, nicht schauen!
52. Dieses Hirngespinst entging den heiligen Propheten nicht. So führt denn schon David solche Leute redend ein, wobei er sie der Aufgeblasenheit vor Hochmut bezichtet. Was wäre denn auch, nachdem sie selbst doch unter der Sünde schmachten, so dünkelhaft als ihr Unwille darüber, daß andere Sünder am Leben sind, indem sie in die Klage ausbrechen: „Wie lange, Herr, werden die Sünder sich noch brüsten?“82 Und im Folgenden: „Und sie sprachen: Nicht wird der Herr es sehen und nicht merken der Gott Jakobs“83. Darauf nun antwortet ihnen der Prophet: „Kommt jetzt zur Einsicht, ihr Unverständigen im Volke, und endlich zur Vernunft, ihr Toren! Der das Ohr gepflanzt, hört nicht, und der das Auge gebildet, sieht nicht? Der die Völker züchtigt, soll nicht strafen: er, der den Menschen das Wissen lehrt? Der Herr kennt die Gedanken der Menschen, daß sie eitel sind“84. Er, der alles Eitle gewahrt, soll über das Heilige in Unwissenheit sein und, was er selbst geschaffen hat, nicht kennen? Kann ein Künstler in Unwissenheit über sein Werk sein? Nur ein Mensch ist er und versteht die heimlichen Dinge an seinem Werke: und Gott soll sein Werk nicht kennen? Ist das Werk abgrundtiefer als der Meister? Und hat er etwas geschaffen, was an Erhabenheit ihn übertrifft? dessen Verdienst der Schöpfer nicht kennt? dessen Gesinnung der Richter nicht weiß? Soviel wider jene.
53. Im übrigen genügt uns das Zeugnis eben dessen, der beteuerte: „Ich bin es, der Herzen und Nieren durchforscht“85. Und im Evangelium spricht der Herr Jesus: „Was denkt ihr Böses in eurem Herzen?“86 Er wußte nämlich, daß sie Böses dachten. Das beteuert denn auch der Evangelist mit den Worten: „Es wußte nämlich Jesus ihre Gedanken“87.
54. Die Ansicht dieser Leute kann nicht viel Eindruck machen, wenn wir ihr Tun ins Auge fassen. Sie wollen über sich keinen Richter haben, dem nichts entgeht. Sie wollen ihm keine Kenntnis des Verborgenen einräumen, weil sie sich vor der Aufdeckung ihres verborgenen Treibens fürchten. Und doch, der Herr kennt ihre Werke und überantwortet sie der Finsternis: „In der Nacht“, heißt es, „wird der Dieb sich einfinden, und das Auge des Ehebrechers wird die Finsternis abwarten und sprechen: mich wird kein Auge sehen. Er sorgte vor, daß seine Person verborgen bleibe“88. Denn jeder, der das Licht flieht, liebt die Finsternis; er bestrebt sich, verborgen zu bleiben. Und doch kann er Gott nicht verborgen bleiben, der in der Tiefe des Abgrundes und im Geiste des Menschen nicht bloß das Gewordene, sondern auch das Werdende erkennt. So trifft es denn auch bei jenem (Ehebrecher) zu, der im Ekklesiastikus [= Sirach] spricht: „Wer sieht mich? Sowohl die Finsternis wie die Wände decken mich: wen brauche ich fürchten?“89 Wiewohl er in seinem Bette liegend solches denkt, wird er, wo er es nicht vermutete, beobachtet. „Und er wird zuschanden werden“, heißt es, „weil er nicht wußte, was Furcht Gottes ist“90.
55. Was aber wäre so einfältig als glauben, Gott könne etwas entgehen, da selbst die Sonne, die Spenderin des Lichtes, ihren Strahl ins Verborgene senkt und die Kraft ihrer Wärme auf den Grund, oder in die geheimen Gemächer eines Hauses dringt? Wer möchte leugnen, daß die milde Frühlingsluft das Innere der Erde erwärmt, die des Winters Eis in Fessel geschlagen hat? Man kennt die verborgene Gewalt, welche Wärme und Kälte in den Bäumen äußern, so groß, daß deren Wurzeln entweder vor Kälte ersterben oder unter dem belebenden Hauch der Sonne zu treiben anfangen. Wo milder Himmel lacht, da ergießt sich denn auch die Erde in mannigfaltigen Fruchtsegen.
56. Wenn nun der Sonnenstrahl sein Licht über die ganze Erde ausgießt und in verschlossene Räume dringt und selbst durch eiserne Riegel oder schwere Türbalken sich nicht am Eindringen hindern läßt, wie sollte Gottes unsichtbarer Lichtglanz nicht den Weg in des Menschen Sinn und Herz sich bahnen können, die er erschaffen hat? Wie sollte er vielmehr sein eigenes Werk nicht schauen und bewirkt haben, daß die Geschöpfe besser sind und mehr vermögen als er selbst, ihr Schöpfer, so daß sie sich nach Belieben der Kenntnis ihres Schöpfers entziehen können? Eine so fabelhafte Kraft und Macht soll er unserem Geiste eingesenkt haben, daß er, selbst wenn er wollte, sie nicht mehr zu beherrschen vermag?
XV. Kapitel
Von der göttlichen Vorsehung: Die Leugner einer ausgleichenden Gerechtigkeit im Jenseits straft die Parabel vom armen Lazarus (57) und die Lehre des hl. Paulus Lügen. Gott straft und lohnt einstens nach Verdienst (58).
57. Zwei Punkte haben wir erledigt, und nicht ungelegen kam uns, wie wir glauben, diese Erörterung. Noch erübrigt eine dritte Frage dieser Art: Warum haben Sünder Überfluß an Schätzen und Reichtümern, zechen in einemfort sonder Kummer, sonder Trauer, während dagegen Gerechte Not leiden und den Verlust von Gatten und Kindern zu beklagen haben? Solchen sollte jene Parabel im Evangelium den Mund schließen. Der Reiche kleidete sich in Byssus und Purpur und hielt täglich üppige Gelage, der Arme aber sammelte, mit Geschwüren vollbedeckt, die Überbleibsel von dessen Tisch. Nach dem Tode beider aber befand sich der Arme, der Ruhe genießend, im Schoße Abrahams, der Reiche hingegen in Qualen91. Geht daraus nicht klar hervor, daß einen nach dem Tode je nach Verdienst entweder Lohn oder Strafe erwartet?
58. Und mit Recht harrt, weil Kampf Mühe erheischt, nach dem Kampfe des einen Sieg, des anderen Beschämung. Oder wird denn einem vor der Vollendung des Laufes die Palme gereicht, die Krone verliehen? Mit Recht versichert Paulus: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt. Im übrigen ist mir die Krone der Gerechtigkeit hinterlegt, die mir der Herr an jenem Tag geben wird, der gerechte Richter, nicht allein aber mir, sondern auch denen, die seine Ankunft lieben“92. „An jenem Tage“, heißt es, wird er sie geben, nicht schon hier. Hier aber kämpfte er als ein guter Streiter in Mühen, in Gefahren, in Schiffbrüchen; denn er wußte, daß wir durch viele Trübsale ins Reich Gottes eingehen müssen93. Keiner kann sonach den Preis empfangen, der nicht rechtmäßig gekämpft hat. Und es gibt keinen ruhmvollen Sieg ohne mühevollen Kampf.
XVI. Kapitel
Von der göttlichen Vorsehung: Die Siegeskrone winkt nur dem Tugendstreiter (59), der Gottlose begnügt sich mit der Rolle des müßigen Zuschauers (60). Seiner harrt die Strafe (61). Mit zeitlichen Gütern gesegnet, soll er dereinst keine Entschuldigung haben (62—64).
59. Ist der nicht ungerecht, der den Preis gibt, bevor der Kampf beendet ist? Daher der Ausspruch des Herrn im Evangelium: „Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich!“94 Er sprach nicht: selig die Reichen, sondern: die Armen. So fängt also nach göttlichem Urteil die Seligkeit da an, wo menschliche Meinung nur Elend erblickt. „Selig die Hungernden; denn sie werden gesättigt werden! Selig die Trauernden; denn sie werden Trost finden! Selig die Barmherzigen; denn ihrer wird auch Gott sich erbarmen! Selig, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen! Selig, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden; denn ihrer ist das Himmelreich! Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse wider euch reden werden um der Gerechtigkeit willen! Freut euch und frohlocket; denn euer Lohn ist groß im Himmel!“95 Einen zukünftigen, nicht gegenwärtigen Lohn versprach er; im Himmel, nicht auf der Erde ist er auszuzahlen. Was forderst du hier, was dir an einem anderen Ort gebührt? Was verlangst du vorzeitig die Krone, bevor