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Sherlock Holmes und die Ohren. Sir Arthur Conan DoyleЧитать онлайн книгу.

Sherlock Holmes und die Ohren - Sir Arthur Conan Doyle


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jedoch nicht der Fall war. Uebrigens brauchen wir auch gar keine weiteren Beweise, denn als er dem Inspektor des Gefängnisses übergeben wurde, erklärte er, ein Geständnis ablegen zu wollen, das wie üblich von einem Stenographen aufgenommen wurde. Ich sende Ihnen anliegend eine Abschrift davon. Der ganze Fall hat sich, wie ich Ihnen ja von vornherein erklärte, als ausserordentlich einfach erwiesen, doch möchte ich nicht versäumen, Ihnen für Ihre Hilfe bei den Nachforschungen zu danken.

      Mit höflichem Gruss bin ich wie immer

      Ihr G. Lestrade.“

      „Hm! Die Sache war ja wirklich sehr einfach,“ bemerkte Holmes lächelnd, „aber ich glaube doch, dass sie ihn in etwas anderem Lichte erschienen ist, als er uns um Hilfe bat.“

      „Und nun wollen wir sehen,“ fuhr Holmes fort, „was Browner zu sagen hat. Da die Erklärung stenographiert wurde, so hat sie für uns den Vorteil, die eigenen Worte des Verhafteten zu enthalten.“ Damit griff er zu dem Schriftstück und las es vor. Es lautete folgendermassen:

      „Ob ich irgend etwas zu sagen habe? Ja, ich habe sogar sehr viel zu sagen. Ich will ein umfassendes Geständnis ablegen; hernach kann man mich aufknüpfen oder freilassen, das ist mir ganz einerlei. Ich sage Ihnen, dass ich seit der Tat kein Auge geschlossen habe, und ich glaube nicht, dass ich je wieder eines schliessen werde, bis ich ganz über Wachen und Schlafen hinaus bin. Manchmal ist es sein Gesicht, aber meistens ist’s das ihre. Die beiden verfolgen mich immer. Er sieht mich giftig und boshaft an, aber sie zeigt eine gewisse Ueberraschung in ihren Zügen. O, das unschuldige Lämmlein hatte allen Grund, überrascht zu sein, wenn sie den Tod aus einem Gesichte las, das selten anders als voll Liebe auf sie geblickt hatte. Aber Sara ist an allem schuld, und möge mein Fluch sie treffen, denn sie hat mein Leben zerstört! Ich will mich nicht von Schuld frei reden. Ich fing wieder zu trinken an, gerade, wie ich Scheusal es früher getan hatte. Aber sie würde mir verziehen haben, ich hätte einen Rückhalt an ihr gehabt, wenn dieses Frauenzimmer nur nie meine Schwelle überschritten hätte. Denn Sara Cushing liebte mich, und das ist der Anfang alles Uebels gewesen. Sie liebte mich so lange, bis auf einmal ihre ganze Liebe sich in giftigen Hass gegen mich verwandelte, als sie merkte, dass mir die kleinste Kleinigkeit meiner Frau wichtiger war als die ganze Sara Cushing. Sie waren drei Schwestern: Die ältere ist eine einfache gute Frau, die zweite der reine Teufel und die dritte war ein Engel. Sara war dreiunddreissig und Mary neunundzwanzig, als ich sie heiratete. Den ganzen Tag lebten wir in einem Glück zusammen, als wir unser Heim bezogen, und in ganz Liverpool gab es keine bessere Frau als meine Mary. Und dann baten wir uns Sara auf eine Woche zu Besuch, und aus der Woche wurde ein Monat, ein Ding führte ins andere, so dass sie schliesslich ganz zu unserem Haushalt gehörte.

      Ich war damals beim blauen Kreuz, und wir legten uns ein wenig Geld auf die Seite, so dass uns das Leben so glänzend erschien wie ein neuer Taler. Mein Gott, wer hätte je gedacht, dass es zu einem solchen Ende kommen würde? Wer hätte so etwas auch nur denken können? Den Samstag und Sonntag über war ich meist bei meiner Frau, und wenn mein Schiff mit der Ladung aufgehalten wurde, so war ich wohl gar eine halbe oder eine ganze Woche zu Haus und auf diese Weise sehr oft mit meiner Schwägerin Sara zusammen. Sie hatte eine schlanke, schöne Gestalt, war: schwarz, stolz und temperamentvoll und hatte so eine Art, den Kopf zu tragen, und ihre Augen konnten. Funken sprühen. Aber wenn meine liebe Mary da war, so hatte ich auch nicht den geringsten Gedanken für meine Schwägerin übrig; das beschwöre ich, so wahr ich daran glaube, dass mir meine Tat vergeben werden wird.

      Manchmal schien es mir, als lege sie es darauf an, mit mir allein zu sein oder mich zu einem Spaziergange mit ihr zu bewegen, aber ich dachte mir nichts bei alledem. Eines Abends aber wurden mir die Augen geöffnet. Ich kam von Bord; meine Frau war ausgegangen, aber Sara zu Haus. ,Wo ist Mary?‘ fragte ich. ,O, sie ist nur ausgegangen, um einige Rechnungen zu bezahlen.‘ Ich wurde ungeduldig und lief im Zimmer auf und ab. ,Kannst du nicht auch nur fünf Minuten ohne Mary zufrieden sein?‘ fragte sie. ,Es ist ein schlechtes Kompliment für mich, dass dir nicht einmal für so kurze Zeit meine Gesellschaft genügt.‘ ,Lass nur gut sein, meine Liebe,‘ sagte ich, indem ich ihr freundlich meine Hand entgegenstreckte, aber sie umfasste sie sogleich mit beiden Händen und die brannten wie im Fieber. Ich sah ihr in die Augen und las dort alles. Sie brauchte nicht zu sprechen, noch brauchte ich etwas zu hören. Ich riss mich von ihr los und ging weg. Dann eilte sie mir nach, erhob ihre Hand und schlug mich auf die Schulter, indem sie eigentümlich lachte. ,Immer sachte,‘ sagte sie und lief zur Tür hinaus.

      Nun und von diesem Tage an hasste sie mich von ganzem Herzen und von ganzer Seele, und sie ist gerade eine Person, die gründlich hassen kann. Es war dumm von mir, zu erlauben, dass sie fernerhin noch bei uns wohnte — furchtbar dumm war es — aber ich sagte nie ein Wort über das Vorgefallene zu Mary, weil ich wusste, dass es sie betrüben würde. Das ging so eine Weile wie zuvor, und dann bemerkte ich auf einmal, dass sich in Mary etwas verändert hatte. Sie hatte mir bisher immer ihr Vertrauen geschenkt, aber nun plötzlich wurde sie so sonderbar und so misstrauisch und wollte immer wissen, wo ich gewesen wäre, und was ich getan hätte, und von wem meine Briefe kämen, und was ich in meinen Taschen hätte und tausend solche Dummheiten mehr. Tag für Tag wurde sie sonderbarer und reizbarer, so dass wir über Nichtigkeiten oft in grundlose Streitereien gerieten. All das war mir rätselhaft. Sara ging mir aus dem Weg, aber sie und meine Frau waren unzertrennlich. Jetzt ist es mir klar, dass sie Ränke geschmiedet hat und meine Frau gegen mich aufhetzte. Aber ich war damals solch ein Gimpel, dass ich nichts merkte. Dann brach ich mein Abstinenzgelöbnis und fing wieder an zu trinken, aber ich glaube nicht, dass ich es wieder angefangen hätte, wenn Mary so wie früher gewesen wäre. Nun freilich hatte sie einen Grund, mit mir unzufrieden zu sein, und die Kluft zwischen uns wurde weiter und weiter. Und dann kam dieser Alec Fairbairn daher, und alles wurde tausendmal schlimmer als zuvor. Zuerst besuchte er uns, um Sara zu sehen, aber bald kam er wegen uns, denn er war ein Mann mit sehr gewinnenden Manieren, und wohin er ging, überall freundete er sich rasch an. Er war ein schneidiger, flotter Bursche, der die halbe Welt gesehen hatte, und was er gesehen hatte, davon konnte er auch erzählen. Er war ein glänzender Gesellschafter, das will ich nicht leugnen, und für einen Seemann von einer wunderbaren weltmännischen Gewandtheit, so dass ich glaube, dass er früher einmal näher bei der Kapitänskajüte seine Koje hatte, als vorne im Mannschaftsraum. Einen ganzen Monat lang ging er in meinem Hause aus und ein, und nie kam mir der Gedanke, dass seine elegante, gerissene Art mir Schaden bringen könnte. Und dann schliesslich erweckte etwas meinen Verdacht, und von dem Tage an war meine Seelenruhe dahin.

      Es betraf im Grunde nur eine Kleinigkeit. Ich war unerwartet ins Wohnzimmer getreten, und als ich meiner Frau entgegenging, begrüsste sie mich mit einem freundlichen Lächeln, wie sie aber sah, dass ich es war, verschwand das Lächeln, und an seine Stelle trat unverkennbare Enttäuschung. Das genügte mir. Sie konnte meine Schritte nur für die Alec Fairbairns gehalten haben. Wäre er damals zur Stelle gewesen, so hätte ich ihn umgebracht, denn ich war immer wie ein Wahnsinniger, wenn mein hitziges Temperament mit mir durchging. Mary sah die gefährliche Wut in meinen Augen brennen, und sie kam auf mich zugelaufen und legte mir die Hand auf den Arm. ,Jim, bitte, tus nicht, lieber Jim‘, sagte sie. ,Wo ist Sara?‘, fragte ich. ,In der Küche‘, sagte sie. Ich ging in die Küche. ,Sara‘, sagte ich, ,dieser Fairbairn wird nie mehr die Schwelle meines Hauses betreten.‘ ,Warum nicht?‘ fragte sie. ,Weil ich es ihm verbiete.‘ ,O‘, erwiderte sie darauf, ,wenn meine Freunde für dieses Haus nicht gut genug sind, so passe ich wohl auch nicht mehr zu euch.‘ ,Du kannst tun was du willst‘, antwortete ich, aber wenn dieser Fairbairn sein Gesicht jemals wieder unter meinem Dache blicken lässt, so schneide ich ihm die Ohren ab und schicke sie Dir!‘ Meine Wut entsetzte sie offenbar, denn sie sagte kein Wort mehr zu mir und verliess uns am selben Abend.

      Ich weiss nun nicht, war es pure Bosheit auf seiten dieses Frauenzimmers oder glaubte sie, dass sie mich gegen meine Frau aufbringen könne, indem sie Mary zu Ungehörigkeiten veranlasste. Zwei Strassen entfernt mietete Sara ein Haus und errichtete eine Pension für Seeleute. Fairbairn wohnte dort, und Mary ging nachmittags oft zum Tee zu ihr hinüber. Wie oft sie hinging, weiss ich nicht, aber eines Tages, als ich ihr folgte und plötzlich im Zimmer erschien, machte sich Fairbairn durch das Fenster und über die Gartenmauer aus dem Staub. Da sah ich so recht, was für ein feiger Hund er war. Ich schwor meiner Frau, es würde sie das Leben kosten, wenn ich sie je wieder in seiner


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