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Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte. Auerbach BertholdЧитать онлайн книгу.

Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte - Auerbach Berthold


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es mehr?“ . . . .

      ,,Ich kenne dein Waldheiligthum schon lange,“ sagte Reinhard auf dem Heimwege, „ich habe auch genug dort geträumt, aber mit dem Pinsel konnte ich ihm nicht beikommen; liessen sich deine Gedanken malen, ja dann wär’s anders. Ich habe mich von der Landschaft entfernt, und doch so oft ich hieher komme, ist mir’s als ob hier eine tiefere Offenbarung noch meiner harre, besonders jetzt; vielleicht ist’s dein Waldheiligthum, vielleicht auch nicht.“

      ,,Wo warst denn du während meines Waldganges?“

      ,,Ich war in der Kirche; du hättest eigentlich auch dort sein sollen; das einigt mit dem Bauernleben.“

      ,,Ja, ja, du hast Recht, ei, das thut mir leid; nun, ich gehe heut Mittag.“ —

      ,,In Wirthshause war eine grosse Veränderung.

      Als der Collaborator neu beschuht herunterkam, rief ihm Lorle freundlich zu: „Das ist schön, Herr Kohlebrater, dass Ihr nicht auf Euch warten lasset. Wo seid Ihr denn gewesen?“

      ,,Im Walde droben. Saget aber nicht Kohlebrater, ich heisse mit meinem ehrlichen Namen Adalbert Reihenmaier.“

      ,,Ist auch viel schöner. Nun erzählet mir auch ’was, Herr Reihenmaier.“

      ,,Ich kann nicht viel erzählen.“

      ,,Ja, wir wollen warten bis Mittag, Ihr gehet doch auch mit auf die Hohlmühle? und Ihr könnet ja so schön singen.“

      ,,Ich bin bei Allem, absonderlich wo Ihr seid; ich hab’ im Walde an Euch gedacht.“

      ,,Müsset mich nicht so zum Possen haben, ich bin zu gut dazu und Ihr auch; es schickt sich nicht für so einen Herrn wie Ihr seid. Hübsch ordelich sein, das ist recht. Ihr müsset aber auch Euren Sonntagsrock anziehen. Habt Ihr denn keinen?“

      ,,Mehr als einen, aber nicht hier.“

      ,,Ja, Ihr habt’s doch gewusst, dass Ihr am Sonntag bei uns seid? Nun — schad’t jetzt nichts. Ich will Euch den Martin schicken, er soll Euch ein bisle aufputzen.“

      ,Jubelnd sprang der Collaborator die Treppe hinauf und holte eine Sammlung Volkslieder — (die er zu etwaigen Ergänzungen und Varianten mitgenommen hatte) — aus seinem Ränzchen; er warf das Buch an die Zimmerdecke in die Höhe und fing es wieder auf. „Hier,“ rief er, das Buch hätschelnd, als wäre es etwas Lebendiges, „hier seid ihr zu Hause, nicht in der Bibliothek eingepfercht; heut’ sollt ihr wieder lebendig werden.“

      Beim Essen herrschte die alte Gewohnheit nicht mehr, für Reinhard und seinen Freund war in dem Verschlag besonders gedeckt. Reinhard sagte dem Wirth, dass er wie ehedem am Familientisch essen wolle. Der Alte aber schüttelte den Kopf ohne ein Wort zu erwidern, nahm die weisse Zipfelmütze ab und hielt sie zwischen den gefalteten Händen auf der Brust, damit das Gebet beginne.

      ,,Bärbel, traget nur die zwei Gedecke heraus, wir essen nicht allein,“ rief Reinhard. Der Wadeleswirth setzte schnell die Mütze wieder auf, schaute, ohne eine Miene zu verziehen, rechts und links und sagte:

      ,,Nur stet.“ 5 Er machte dann eine ziemliche Pause, wie jedesmal, wenn er dieses Wort sagte, das als Mahnung galt, dass Keiner mucksen dürfe bis er weiter redete; endlich und endlich setzte er hinzu:

      ,,Drin bleibt’s: Es ist kein Platz da für zwei.“ Er hob die Arme bedachtsam auf, strich die Hände wagrecht über die Luft, wie den Streichbengel über ein Kornmass, was so viel hiess als: abgemacht.

      Die Freunde setzten sich in den Verschlag, Lorle trug ihnen auf.

      „Kann denn das die Bärbel nicht?“ fragte Reinhard, und der Collaborator ergänzte: „Ihr solltet uns nicht bedienen.“

      ,,O du liebs Herrgöttle,“ beschwichtigte Lorle, „was machen die für ein Gescheuch von dem Auftragen. Ich thu’s ja gern, und wenn Ihr einmal eine liebe Frau habt, Herr Reihenmaier, und ich komm’ zu Euch und Ihr gunnet mir ein warm Süpple, da soll mich Euer Weible auch bedienen.“

      ,,Woher wisset Ihr denn, dass ich heirathen möcht’?“

      ,,Da kann man mit der Pelzkappe darnach werfen, so gross steht’s Euch auf der Stirn geschrieben: ich glaub’, dass eine Frau mit Euch rechtschaffen glücklich wird.“

      ,,Woher wisset Ihr denn das?“

      ,,Ihr seid so ordelich mit der Handzwehle 6 umgangen.“

      Alles lachte, und draussen am Tische sagte der Vater: ,,Es ist ein Blitzmädle, und es hat sonst in einem Jahr nicht so viel geschwätzt, wie jetzt seit gestern.“

      ,,Ja,“ sagte die Mutter, nachdem sie mit besonderer Zufriedenheit einen Löffel Suppe verschluckt, jetzt mit dem Löffel auf den ihres Mannes klopfend, „du wirst’s noch einsehen, was das für ein Mädle ist; das ist so gescheit wie der Tag.“

      „Das hat es von dir und von unserm Vorross, von der Bärbel da,“ schloss der Wadeleswirth, den Schlag zurückgebend.

      Die beiden Freunde unterhielten sich vortrefflich mit Lorle, das immer ein Auge auf jegliches Erforderniss hatte, seltsamerweise aber Alles mit der linken Hand anfasste; der Collaborator sah sie mehrmals scharf darob an und Lorle sagte:

      ,,Nicht wahr, es ist nicht in der Ordnung, dass ich so links bin? Ich hab’ mir’s schon abgewöhnen wollen, aber ich vergess’ es immer.“

      Schnell nahm Reinhard das Wort: „Das schadet nichts!“ Leiser, dass man es in der Stube draussen nicht hören konnte, setzte er hinzu: ,,Ihr machet Alles prächtig. Wer kann’s beweisen, dass die rechte Hand die geschicktere ist? Eure Linke ist flinker als manche Rechte, und mir gefällt’s so ganz wohl.“

      Bei diesen Worten richtete sich Lorle grad auf, eine eigenthümliche Majestät lag in ihrem Blicke.

      ,,Sind keine Musikanten im Dorf?“ fragte der Collaborator.

      „Freilich, sie sind alle bei einander.“

      ,,Die sollten uns heut’ Abend einige Tänze spielen, ich bezahle gern ein Billiges.“

      ,,Ja, das geht nicht, der Soultheiss ist heut verreist und es ist vom Amt streng verboten, ohne polizeiliche Erlaubniss Musik zu halten; in Eurer Stub’ droben hängt die Verordnung.“

      ,,O Romantik! Wo bist du?“ sagte der Collaborator und Lorle erwiderte: „Das haben wir hier nicht, aber ein Clavier steht droben, das darf man —“

      Die beiden Freunde brachen in schallendes Gelächter aus, so dass sie sich kaum auf ihren Sitzen halten konnten. Reinhard fasste sich zuerst wieder, denn er sah, wie es plötzlich durch das so friedliche Antlitz des Mädchens zuckte und zitterte, Pulse klopften sichtbar in den Augenlidern und ein tiefschmerzlich fragendes Lächeln lag auf den Lippen. Lorle stand da mit zitterndem Athem; sie wand das festangezogene Schürzenband um einen Finger, dass es tief einschnitt; dieser körperliche Schmerz that ihr wohl, er verdrängte einen Augenblick den seelischen. Reinhard gebot in barschem Tone seinem Freunde, mit dem „einfältigen Lachen“ endlich aufzuhören. So sehr sich nun auch der Collaborator entschuldigte und sich Mühe gab, Lorle zu erklären was er gemeint habe, das Mädchen räumte schnell ab und blieb verstimmt, so verstimmt wie das Clavier, das der Collaborator alsdann in seiner Stube probirte.

      Das war eine grausam zerstörte Harmonie, fast keine Saite hatte mehr den entsprechenden Klang, da mussten viele Menschen darauf losgetrommelt haben. „Ja,“ dachte der Collaborator, „wenn ein Wesen einmal zur Misstimmung gebracht ist, dann arbeitet Jedes zum Scherze oder muthwillig darauf los, es noch mehr und vollends zu verstimmen, und haben sie’s vollbracht, dann lassen sie es vergessen im Winkel stehen.“ Der Collaborator sah darin nur ein Bild seines Lebens, er dachte nur an sich. — Von den vielen Wanderungen und Empfindungen ermüdet, verschlief er dann richtig die Mittagskirche, zu seinem und vielleicht auch zu unserm Frommen. Wer weiss, ob das Waldheiligthum vom Morgen ungestört geblieben wäre.

      Als Lorle aus der Mittagskirche kam, ging sie mit ihrem Bruder rasch nach der Hohlmühle. Der Vater, das wusste sie, war nicht so bald loszueisen, er versprach mit der Mutter nachzukommen. Freilich hatte sich’s Lorle heute Morgen


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