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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1. Augustinus von HippoЧитать онлайн книгу.

Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1 - Augustinus von Hippo


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sie Gott gedient haben, wenn sie mit unerschütterlichem Glauben von ihm annehmen, daß er die, die ihm so dienen und ihn anrufen, keineswegs verlassen kann, wenn sie daran nicht zweifeln können, daß ihm die Keuschheit gar sehr gefällt, so werden sie daraus von selbst den Schluß ziehen, Gott hätte gewiß nicht zugelassen, daß derlei seinen Heiligen widerfährt, wenn auf diese Weise die Heiligkeit vernichtet werden könnte, die er ihnen verliehen hat und die er an ihnen liebt.

      

       29. Was soll also die Gefolgschaft Christi den Ungläubigen entgegnen auf den Vorhalt, daß Christus die Seinen vor der Wut der Feinde nicht geschützt habe?

      

      Somit hat die ganze Gefolgschaft des höchsten und wahren Gottes ihren Trost, und zwar nicht einen trügerischen, auch nicht einen, der auf wankenden und schwankenden Grund seine Hoffnung baut; und das Leben auf Erden gilt ihr durchaus nicht als ein Gegenstand des Überdrusses, sondern als die Schule für das ewige Leben, indem sie die irdischen Güter nach Art eines Wanderers gebraucht, ohne sich an sie zu fesseln, an den Übeln hingegen ihre Prüfung oder ihre Läuterung durchmacht. Die Spötter über ihre Rechtlichkeit aber, die ihr zurufen, wenn sie in zeitliche Übel gerät: „Wo ist denn dein Gott?“[71] , mögen selbst Rede stehen, wo denn ihre Götter sind, wenn Leiden über sie kommen, zu deren Hintanhaltung sie doch ihre Götter verehren oder deren Verehrung zur Pflicht machen wollen. Denn die Christengemeinde erwidert: Unser Gott ist überall gegenwärtig, überall ganz, nirgends eingeschlossen, er kann unsichtbar anwesend, ohne sich zu bewegen abwesend sein; wenn er uns mit Unglück heimsucht, so geschieht es, um Verdienste zu erproben oder Sünden zu strafen, und er hat für uns einen ewigen Lohn für fromm erduldete zeitliche Übel in Bereitschaft; ihr aber, wer seid ihr, daß man mit euch auch nur über eure Götter reden sollte, geschweige denn über unsern Gott, der „furchtbar ist über alle Götter; denn alle Götter der Heiden sind Dämonen, der Herr aber hat die Himmel gemacht“[72] .

      

       30. Die Ankläger der christlichen Zeiten möchten in schändlichem Überfluß schwelgen können.

      

      Wenn Scipio Nasica, weiland euer Oberpriester, noch lebte, den einst der Senat einhellig bestimmte, als es sich unter den Schrecken des punischen Krieges um die Überführung der phrygischen Heiligtümer[73] handelte und man den besten Mann ausfindig machen wollte, er, dem ihr vielleicht nicht ins Angesicht zu sehen wagtet, er würde euch von solcher Unverschämtheit zurückhalten. Denn ihr beklagt euch in dieser Heimsuchung doch nur deshalb über die christlichen Zeiten, weil ihr eure Schwelgerei gesichert wissen und ohne jede Belästigung durch Mühseligkeiten euren ganz verwerflichen Sitten fröhnen möchtet[74] . Nicht deshalb etwa wünscht ihr Friede und Überfluß aller Art, um solche Güter in Ehren zu gebrauchen, d. h. bescheiden, vernünftig, mäßig und fromm, sondern um in unsinniger Verschwendung immer neue Vergnügungen damit zu erjagen und so durch das Glück moralische Übel heraufzubeschwören, die schlimmer sind als feindliches Wüten. Euer Oberpriester Scipio aber, der trefflichste Mann nach dem Urteil des ganzen Senates, fürchtete solches Unheil für euch und wollte nicht zugeben, daß Karthago, damals die Nebenbuhlerin Roms, zerstört werde[75] ; er widersprach Cato, der auf die Zerstörung drang, weil er befürchtete, die Sicherheit werde sich als Feindin der schwachen Gemüter erweisen, und sah ein, daß den gleichsam unmündigen Bürgern der Schrecken als der rechte Vormund nötig sei. Und er täuschte sich nicht; die Tatsachen haben erwiesen, wie sehr er recht hatte. Denn kaum war Karthago zerstört und so das große Schrecknis des römischen Staates verscheucht und beseitigt, als auch schon aus dem Wohlergehen Übel erwuchsen, so mächtig, daß die Eintracht dahinschwand und zunächst in heftigen und blutigen Aufständen und bald hernach durch das Zusammenwirken unseliger Ursachen selbst in Bürgerkriegen solche Metzeleien angerichtet wurden, soviel Blut floß und unmenschlicher Sinn in solcher Sucht nach Ächtungen und Räubereien entbrannte, daß die Römer, die in ihrer unbescholtneren Periode von ihren Feinden Schlimmes zu erfahren fürchteten, nun nach Verlust der Unbescholtenheit Grausameres von ihren Mitbürgern zu erdulden hatten. Gerade die Herrschsucht, die sich unter den Gebrechen der Menschennatur beim gesamten römischen Volke besonders ausgeprägt vorfand, hat, in einigen wenigen Machthabern zum Durchbruch gelangt, die Übrigen in den Staub getreten, abgehetzt und unter das Joch der Knechtschaft gezwungen.

      

       31. Die Stufenfolge der Laster, in der sich die Herrschsucht der Römer entwickelte.

      

      Denn wann sollte die Herrschsucht in solch stolzen Gemütern zur Ruhe kommen, solang sie nicht durch stetige Verlängerung der Staatsämter zu königlicher Gewalt gelangte? Zur steten Verlängerung der Staatsämter böte sich aber die Möglichkeit nicht, wenn nicht Gunstbuhlerei übermächtig geworden wäre. Diese aber kann nur in einem durch Habsucht und Schwelgerei verdorbenen Volke übermächtig werden. Und hab- und genußsüchtig wurde das Volk durch das Wohlergehen, das jener Nasica mit Scharfblick vermieden wissen wollte, da er für den Fortbestand der größten, tapfersten und reichsten feindlichen Stadt eintrat, damit die Begier durch Furcht niedergehalten werde und, also niedergehalten, nicht in Schwelgerei ausarte und damit, wenn der Schwelgerei vorgebeugt wäre, auch die Habsucht nicht um sich greife und, wenn diesen Lastern ein Riegel vorgeschoben wäre, zum Wohle des Staates die Tugend blühe und wachse und eine Freiheit, wie sie solcher Tugend entspricht, Bestand habe. Aus der gleichen Erwägung und vorsorglichen Liebe zum Vaterland hat ferner eben dieser euer Oberpriester, der von dem damaligen Senate [ich kann das nicht oft genug sagen] ohne jede Meinungsverschiedenheit als der beste Mann bezeichnet wurde, den Senat von dem Vorhaben und der Absicht, einen Zuschauerraum für ein Theater zu bauen, abgebracht und ihn in einer sehr ernsten Rede dazu vermocht, nicht zu dulden, daß sich griechische Schwelgerei in die männlichen Sitten des Vaterlandes einschleiche, und nicht zuzustimmen ausländischer Schlechtigkeit zur Erschütterung und Entmannung römischer Tüchtigkeit; und soviel bewirkte sein Ansehen, daß der Senat auf seine Worte hin fürsorglich selbst die beweglichen Sitze in Zukunft bereit zu stellen verbot, die das Publikum für die Zeit des Schauspiels bereits in Benützung zu nehmen begonnen hatte. Mit welchem Eifer hätte er die Bühnenspiele selbst aus der Stadt Rom verbannt, wenn er dem Willen derer sich zu widersetzen gewagt hätte, die er für Götter hielt und nicht als feindselige Dämonen erkannte oder, wenn er sie richtig erkannte, doch auch seinerseits lieber günstig stimmen als verachten zu sollen glaubte. Denn noch war den Völkern nicht die Lehre von oben verkündet, die durch den Glauben das Herz reinigt und dem Streben des Menschen in demütiger Frömmigkeit die Richtung auf das Ergreifen der himmlischen oder überhimmlischen Güter gegeben und es von der Herrschaft hochfahrender Dämonen befreit hätte.

      

       32. Die Einführung der Bühnenspiele.

      

      Indes ihr, die ihr murret gegen den Befreier von solcher Herrschaft, wisset, wenn ihr es nicht wißt, und schauet den Tatsachen ins Gesicht, wenn ihr sie kennt und nicht gestehen wollt: die Bühnenspiele, diese Schaustellungen von Schändlichkeiten und diese Freistätten der Nichtswürdigkeit, sind nicht durch die Lasterhaftigkeit der Menschen, sondern auf Befehl eurer Götter in Rom eingeführt worden. Erträglicher wäre es, wenn ihr jenem Scipio göttliche Ehren erwieset, als daß ihr solche Götter verehrtet. Denn sie waren nicht besser als ihre Oberpriester. Sehet doch einmal zu, falls die durch lang eingeschlürfte Irrtümer herbeigeführte geistige Be-nebelung euch nicht hindert am vernünftigen Denken! Zur Bannung einer leiblichen Pest[76] befahlen die Götter die Aufführung von Bühnenspielen; der Oberpriester aber verbot zur Fernhaltung einer geistigen Pest die Erbauung einer Bühne. Seid ihr hell genug, um den Geist über den Leib zu stellen, so wählet, wen ihr verehren sollt. Übrigens erlosch die Pest dadurch nicht, daß sich bei einem kriegerischen und vorher nur an gymnastische Spiele gewohnten Volke der wollüstige Aberwitz der szenischen Spiele einschlich; vielmehr haben die verruchten Geister in ihrer Verschmitztheit,


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