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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1. Augustinus von HippoЧитать онлайн книгу.

Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1 - Augustinus von Hippo


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welch arge Verwüstung und Verödung Italiens haben sie herbeigeführt! Bevor jedoch das verbündete Latium sich wider Rom erhob, wurden plötzlich alle Haustiere wild, Hunde, Pferde, Esel, Rinder und alle Tiere, die der Mensch in seiner Gewalt hat; sie vergaßen der häuslichen Zahmheit, verließen ihre Ställe, schweiften frei umher und ließen nicht nur Fremde, sondern auch ihre Herren nicht an sich herankommen, und wer es dennoch wagte und ihnen beizukommen suchte, der setzte Leben oder Gesundheit aufs Spiel. Wahrlich, ein Anzeichen eines furchtbaren Übels, wenn das überhaupt noch ein Anzeichen war, was schon ein furchtbares Übel war, wenn es auch kein Anzeichen war! Hätte sich so etwas in unseren Zeiten zugetragen, rasender wären unsere Gegner auf uns, als damals die Tiere gegen die Menschen waren.

      

       24. Die Bürgerunruhen infolge der Aufstände der Gracchen.

      

      Den Anfang des Unheils unter der Bürgerschaft machten die durch die Agrargesetze hervorgerufenen Aufstände der Gracchen. Sie wollten nämlich die Ländereien, die der Adel zu Unrecht besaß, unter das Volk aufteilen. Aber schon war es äußerst gefährlich, ja, wie die Tatsachen zeigen, höchst verderbenbringend, sich an die Beseitigung eines alten Unrechtes zu wagen. Wieviel Leichen gab es, als der ältere Gracchus ermordet wurde! wieviele, als ihm sein Bruder nicht lange hernach folgte! Denn nicht auf Grund von Gesetzen noch auf Anordnung der Behörden, sondern in Verwirrung und blutigen Zusammenstößen wurden Adelige und Leute aus dem Volk erschlagen. Nach der Ermordung des jüngeren Gracchus ging der Konsul L. Opimius, der den bewaffneten Aufstand gegen ihn in der Stadt veranlaßt und nach Überwältigung und Beseitigung des Gracchus und seiner Genossen ein ungeheures Blutbad unter der Bürgerschaft angerichtet hatte, nunmehr mit Gerichtsprozessen — er führte nämlich die Untersuchung — gegen die übrigen vor und soll deren 3000 aus der Welt geschafft haben. Daraus läßt sich ermessen, welche Unzahl von Opfern der regellose Waffengang gefordert haben mag, wenn schon die scheinbar ordnungsgemäße gerichtliche Untersuchung so vielen das Leben kostete. Der Mörder des Gracchus verkaufte dessen Kopf nach dem Gewicht um Gold an den Konsul; dieser Lohn war vor dem Gemetzel festgesetzt worden, bei dem auch der frühere Konsul M. Fulvius mit seinen Söhnen fiel.

      

       25. Auf Grund eines Senatsbeschlusses wurde der Concordia an der Stätte des blutigen Aufstandes ein Tempel errichtet.

      

      Ein feiner Senatsbeschluß in der Tat war es, auf Grund dessen an derselben Stelle, wo dieser verlustreiche Zusammenstoß vor sich gegangen war, wo soviele Bürger jeglichen Standes den Tod gefunden hatten, der Concordia ein Tempel errichtet wurde, damit er als Denkmal der Bestrafung der Gracchen den Volksführern warnend vor Augen stehe und ihnen das Gedächtnis auffrische. Das war doch eigentlich eine Verspottung der Götter, dieser Göttin einen Tempel zu erbauen. Wäre Concordia im Staate gewesen, so hätte sich Rom nicht in solchen Zwistigkeiten zerfleischt und heruntergebracht. Aber vielleicht war gerade Concordia schuld an diesem Verbrechen, dadurch, daß sie aus den Herzen der Bürger gewichen war, und sollte sie nun in dem Tempel wie in einem Strafgefängnis eingesperrt werden. Warum hat man nicht lieber, wenn man der Lage gerecht werden wollte, der Discordia einen Tempel erbaut? Oder läßt sich irgend ein Grund angeben, weshalb Concordia eine Göttin sein soll und Discordia keine, daß nach der Unterscheidung, die Labeo macht[179] , die eine eben gut, die andere schlimm wäre. Und auch er scheint dabei gerade auf seine Bemerkung anzuspielen, daß man in Rom der Febris so gut wie der Salus einen Tempel errichtet habe. Darnach hätte man also nicht nur die Concordia, sondern auch der Discordia einen solchen entrichten sollen. Eine Gefahr bedeutete es demnach für die Römer, unter dem Zorne einer so schlimmen Göttin leben zu wollen, und sie erinnerten sich auch nicht, daß der Untergang Trojas in letzter Linie auf ihre Beleidigung zurückzuführen sei. Sie war es ja, die, weil sie nicht mit den übrigen Göttern[180] eingeladen worden war, den Plan ausheckte, zwischen den drei Göttinnen[181] durch die Hinterlegung des goldenen Apfels Hader zu stiften; daher Zank unter den Gottheiten, der Sieg der Venus, der Raub der Helena, die Zerstörung Trojas. War sie also etwa entrüstet, daß sie nicht wie die anderen Götter einen Tempel in der Stadt haben sollte, und hat sie deshalb allein schon die Bürgerschaft mit solchen Unruhen gegen einander gehetzt, wieviel schrecklicher hätte ihr Zorn werden können, als sie wahrnehmen mußte, wie man an der Stätte jenes Gemetzels, also am Schauplatz ihrer Tätigkeit, ihrer Gegnerin einen Tempel errichtete! Wenn wir diese Albernheiten lächerlich machen, so ärgern sich die Gelehrten und Weisen von drüben, und doch kommen die Verehrer guter und schlimmer Gottheiten über diese Frage mit Concordia und Discordia nicht hinweg, ob sie nun die Verehrung dieser Göttinnen unterließen und lieber Febris und Bellona verehrten, denen man schon in alter Zeit Tempel erbaut hat, oder ob sie auch ihnen ihre Verehrung zuwandten, da eben trotzdem Concordia sie im Stiche ließ und die wütende Discordia sie bis zu Bürgerkriegen trieb.

      

       26. Krieg in allen Formen folgte auf die Errichtung des Concordiatempels.

      

      Als eine mächtige Wehr wider Aufruhr glaubte man also den Tempel der Concordia, dieses Erinnerungszeichen an die Ermordung und Bestrafung der Gracchen, den Volksführern vor Augen stellen zu sollen. Was es half, zeigt sich darin, daß es noch schlimmer kam. Denn spätere Volksführer haben sich angelegen sein lassen, die Wege der Gracchen nicht etwa zu meiden, sondern ihr Beispiel noch zu übertrumpfen, so ein L. Saturninus, Volkstribun, und der Prätor G. Servilius und lange nachher M. Drusus, durch deren Aufstände zunächst jedesmal Mordszenen, und zwar nunmehr der schwersten Art veranlaßt wurden, nachmals aber die Bundesgenossenkriege entbrannten, die Italien hart bedrängten und in einen Zustand unglaublicher Verwüstung und -Verödung versetzten. Darauf folgte der Sklavenkrieg, den wieder Bürgerkriege ablösten. Welcher Kämpfe bedurfte es, welche Ströme von Blut flossen, bis fast alle italischen Völkerschaften, unter denen das römische Reich nur eben als das mächtigste hervorragte, wie wildes Barbarenvolk gebändigt waren! Wie sich sodann aus dem Vorstoß ganz weniger Gladiatoren — es waren ihrer keine siebzig — der Sklavenkrieg entwickelte, welch große Zahl entschlossener und erbitterter Teilnehmer er fand, welche Feldherren des römischen Volkes das Sklavenheer besiegte, was für Städte und Gegenden es verwüstete und wie es dabei herging, haben selbst die Geschichtsschreiber zu schildern kaum Worte genug gefunden. Und das war nicht der einzige Sklavenkrieg; Sklavenscharen haben auch die Provinz Macedonien[182] und später Sicilien und die Meeresküste[183] verheert. Wer könnte ferner nach Gebühr darstellen, in welchem Umfang und wie entsetzlich sie Räubereien verübten und dann heftige Seeräuberkriege hervorriefen?

       27. Der Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla.

      

      Als jedoch Marius, die Hände schon befleckt mit Bürgerblut — viele seiner Gegnerpartei hatte er bereits aus dem Wege geschafft — besiegt aus der Stadt floh und die Bürgerschaft eben ein wenig aufatmete, da „gewann“, um mich der Worte Ciceros[184] zu bedienen, „nachmals Cinna neben Marius die Oberhand. Und nun wurden die bedeutendsten Männer ermordet und es erloschen mit ihnen die Leuchten des Staates. Für den grausamen Sieg nahm später Sulla Rache und es braucht nicht erst gesagt zu werden, mit welchem Verlust an Bürgern und mit welchem Unheil für den Staat.“ Über diese Rache, die schlimmeres Verbrechen anrichtete als wenn die Verbrechen, die bestraft wurden, ungestraft geblieben wären, äußert sich auch Lucanus[185] :

      „Es überschritt die Heilung das Maß, zu stark griff die Hand ein,

      Folgend des Übels Spur. Die Schuldigen gingen zugrunde,

      Aber erst als es schien, sie sollten allein überdauern.“

      In diesem Krieg zwischen Marius und Sulla füllten sich — abgesehen von denen, die außerhalb der Stadt in der Schlacht fielen — in der Stadt selbst die Straßen, die Gassen, die Plätze, die Theater, die Tempel


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