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Revolutionen auf dem Rasen. Jonathan WilsonЧитать онлайн книгу.

Revolutionen auf dem Rasen - Jonathan Wilson


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„dass die Jungs an der Front über diese sehr froh gewesen seien“. Hogan war voller Zorn und konnte der FA nie verzeihen. Für den englischen Fußball waren seine Fähigkeiten damit verloren – wobei es fraglich bleibt, ob man seine Vorstellungen im konservativen England überhaupt jemals positiv aufgenommen hätte.

      In Wien folgte Hugo Meisl weiter Hogans Vorbild, wenngleich sein Vertrauen kurz nach dem Krieg durch eine 0:5-Niederlage Österreichs gegen eine süddeutsche Auswahl auf eine harte Probe gestellt wurde. Auf dem gefrorenen, ackerähnlichen Platz in Nürnberg erwies sich das Kurzpassspiel als untauglich. Der niedergeschlagene Meisl diskutierte die ganze Rückfahrt lang mit seinen Spielern, ob sie ihre Spielweise direkter und körperbetonter gestalten sollten. Auf gar keinen Fall, lautete die Antwort. Damit war der Grundstein für das österreichische „Wunderteam“ Anfang der 1930er Jahre gelegt, jener ersten großen Nationalauswahl, der ein Triumph verwehrt blieb. Unter Meisl, so schrieb Brian Glanville, „wurde Fußball beinahe zu einer Theatervorführung, einer Art Ballett unter Wettbewerbsbedingungen, bei dem die Torerzielung nichts anderes als einen Vorwand für das Weben von 100 komplizierten Mustern darstellte“.

      

      Grundsätzlich blieb die Schottische Furche aber weiterhin die Basis. Die Spielweise in Form einer radikalisierten Variante des schottischen Passspiels erwies sich allerdings als so verschieden von der in England praktizierten Weise, dass das „Scheiberln“ als eigenes System reüssierte. Technik war dabei zwar wichtiger als Robustheit, wurde aber in den Dienst der Mannschaft gestellt. In Südamerika wich der Fußball später sogar noch deutlicher vom ursprünglichen Vorbild ab. Auch hier stand die Technik hoch im Kurs, doch feierte man in Uruguay und besonders in Argentinien darüber hinaus vor allem Individualität und Selbstdarstellung.

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      Die Fußballregeln der Football Association erreichten Argentinien im Jahre 1867, als sie von der englischsprachigen Zeitung The Standard abgedruckt wurden. Noch im gleichen Jahr gründete sich als Ableger des Cricket Club der Buenos Aires Football Club. Fußball konnte sich aber zunächst nicht etablieren, und der Verein wechselte sechs Jahre darauf zum Rugby. Erst in den 1880er Jahren sollte der Fußball tatsächlich durchstarten, was in erster Linie Alexander Watson Hutton, einem Absolventen der Universität von Edinburgh, zu verdanken war.

      Hutton hatte sich als Lehrer an der St. Andrew’s Scotch School in Argentinien niedergelassen. Als die Schule sich weigerte, die Spielfelder zu erweitern, trat er zurück und gründete 1884 die English High School. Dort beschäftigte er einen Lehrer speziell für den Fußballunterricht. Bei der Reform der Fußballliga des argentinischen Verbandes im Jahr 1893 war Hutton eine der Schlüsselfiguren. Der Alumni Athletic Club aus Buenos Aires, der größtenteils aus Ehemaligen der English High School bestand, erhielt einen Startplatz in der ersten Liga und sollte sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts dominieren. Die Schulmannschaft selbst spielte in niedrigeren Klassen des Ligasystems. Man war jedoch keinesfalls die einzige Schule, die sich um Fußball kümmerte. Sechs der ersten sieben Meisterschaften entschieden Mannschaften für sich, die aus dem renommierten Internat Lomas de Zamora hervorgegangen waren.

      Einen ganz ähnlichen Verlauf nahm die Geschichte auch auf dem anderen Ufer des Río de la Plata. In Uruguay hatten junge Briten ebenfalls Kricket- und Ruderklubs gegründet, die Fußballabteilungen hervorbrachten, während auch hier britische Schulen den Fußball nach Kräften förderten. William Leslie Poole, Lehrer an der English High School zu Montevideo, war Huttons Pendant in Uruguay. Er gründete 1891 den Albion Cricket Club, dessen Fußballabteilung bald darauf Spiele gegen Mannschaften aus Buenos Aires austrug.

      Ein kurzer Blick auf die Mannschaftsaufstellungen verdeutlicht, dass die Spieler in jenen Anfangszeiten meist Briten oder Anglo-Argentinier waren, und dementsprechend war ihre Haltung. In seiner Geschichte des Amateurfußballs in Argentinien berichtet Jorge Iwanczuk, dass das Ziel darin bestand, „gut, aber leidenschaftslos zu spielen“, und zugleich erzählt er von der Bedeutung des „fairen Spiels“. In einem Spiel gegen die ebenfalls aus Buenos Aires stammenden Estu diantes weigerten sich die Männer von Alumni einmal sogar, einen Strafstoß auszuführen, weil sie ihn als zu Unrecht verhängt betrachteten. Alles drehte sich darum, die Sache auf die „richtige Art und Weise“ anzugehen. Das galt auch für die Taktik, und das 2-3-5 war folglich die Norm. Die umfangreiche Berichterstattung des Buenos Aires Herald über den 3:0-Sieg des FC Southampton über die Alumni im Jahr 1904 – das erste Spiel einer tourenden britischen Mannschaft in Argentinien – verdeutlicht, welch große Rolle die Werte der Privatschulen noch immer spielten. So wurde in einem Leitartikel argumentiert, dass die britische Vormachtstellung das Ergebnis „einer angeborenen Liebe für alles Männliche“ sei.

      Nach und nach allerdings schwand die Dominanz des Britischen. Der argentinische Fußballverband AFA (Argentinian Football Association) führte 1903 Spanisch als Geschäftssprache ein. Der Fußballverband Uruguays zog zwei Jahre später nach. 1911 wurde der Alumni Athletic Club abgewickelt. Im darauffolgenden Jahr wurde die AFA zur Asociatión del Football Argentina, auch wenn es noch bis 1934 dauern sollte, bis aus „Football“ „fútbol“ wurde.

      Im Gegensatz zu den Briten betrachteten Uruguayer und Argentinier Körperbetontheit nicht als eigenständige Tugend. Genauso wenig besaßen sie ein vergleichbares Misstrauen gegenüber Schläue. Und auch wenn sie das gleiche System spielten, hätte der Stil nicht unterschiedlicher sein können. Der Anthropologe Eduardo Archetti argumentierte, dass mit dem bald spürbar werdenden Einfluss spanischer und italienischer Einwanderer Kraft und Disziplin zugunsten von Geschick und Sinnlichkeit aufgegeben wurden – ein Trend, der sich in einer Reihe von Disziplinen bemerkbar machte. „Wie der Tango, so blühte auch der Fußball in den Armenvierteln auf“, schrieb der uruguayische Dichter und Journalist Eduardo Galeano.

      Unterschiedliche Voraussetzungen erfordern unterschiedliche Stile. Einst hatte sich in England das Spiel in den alten Klöstern von jenem auf den Rasenfeldern der Privatschulen unterschieden. Jetzt entwickelten sich auf den schmalen, unebenen und engen Plätzen der ärmeren Gegenden von Buenos Aires und Montevideo wieder andere Fertigkeiten und führten zur Geburt eines neuen Stils. Galeano nannte ihn „eine landestypische Art des Fußballspielens, ganz wie der landestypische Tanz, der in den Milonga-Clubs entstand. Tänzer vollführten filigrane Bewegungen auf einer einzigen Bodenfliese, und auch Fußballspieler ersannen ihre eigene Sprache auf ihrem kleinen Raum. Dabei führten sie den Ball lieber eng bei sich, anstatt ihn zu schießen. … Die ersten hispano-amerikanischen Virtuosen brachten el toque, die sanfte Berührung, hervor: Der Ball wurde wie eine Gitarre angeschlagen, wie ein Quell der Musik.“

      Beide Stile konnten nicht harmonisch nebeneinander bestehen, lebten sie doch von ganz unterschiedlichen Tugenden. Als der alte auf den neuen Stil traf, kam es deshalb unausweichlich zum Konflikt. Das wurde bereits 1905 deutlich, als der robuste Stil von Nottingham Forest im sechsten Spiel ihrer Tournee gegen eine größtenteils aus Anglo-Argentiniern bestehende Auswahlelf eine spürbare Missstimmung erzeugte. Der Herald, wie immer auf Seite der Briten, wies ausdrücklich all jene zurecht, die es gewagt hatten, die Spielweise von Nottingham zu kritisieren: „Ein Spiel, das vor allem zur Stärkung der Ausdauer und Erprobung der Kraft junger Männer erdacht wurde, ist nicht unbedingt ein Spiel für den Salon.“ Bei den darauffolgenden Tourneen wurde das Klima immer schärfer, vor allem wegen grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten über die Rolle des Rempelns mit den Schultern im Spiel.

      Eine der wenigen Tourneen, die als Erfolg bezeichnet werden konnten, war jene von Swindon Town im Jahre 1912. Sie führte zu der Erkenntnis, dass die Briten möglicherweise dazulernen mussten. Swindons Manager Samuel Allen äußerte sich im Großen und Ganzen anerkennend und sagte, dass er nie zuvor besseren Fußball zwischen zwei Amateurmannschaften gesehen habe. Doch selbst er brachte Bedenken darüber zum Ausdruck, dass die einheimischen Spieler „hauptsächlich auf den eigenen Vorteil bedacht sind und jede sich bietende Gelegenheit nutzten, um im Alleingang gescheite Dinge zu tun“. Sogar in Argentinien selbst standen die Konservativen dieser Entwicklung im Fußball skeptisch gegenüber. Jorge Brown, aus Großbritannien stammender, ehemaliger Spieler der Alumni, beklagte in den frühen 1920er Jahren, dass der neue Fußballstil „durch exzessives Passspiel in der Nähe des Tores geschwächt wird. Es ist ein schöneres,


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