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Revolutionen auf dem Rasen. Jonathan WilsonЧитать онлайн книгу.

Revolutionen auf dem Rasen - Jonathan Wilson


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respektablen Karriere als Spieler unterrichtete er Fechten an der Militärakademie „M.W. Frunse“. Später erklärte Arkadiew, dass ihn das Fechten mit seinem Hauptaugenmerk auf Parade und Riposte vom Wert des Konterspiels überzeugt habe. Nachdem er in der ersten Saison der obersten sowjetischen Liga mit Me tallurg Moskau einen der kleineren Hauptstadtvereine auf Platz drei geführt hatte, übernahm Arkadiew Dynamo Moskau, den ersten Titelträger. Wegen seines rastlosen Geists und seiner kreativen Fantasie galt er bald als ebenso brillant wie exzentrisch. So besuchte er beispielsweise mit seinen Spielern vor wichtigen Begegnungen gerne Kunstausstellungen. In seiner ersten Saison bei Dynamo Moskau gewann Arkadiew sogleich das Double aus Meisterschaft und Pokal. Doch auch er sah sich im Zuge des baskischen Gastspiels gezwungen, seine Taktik zu überdenken.

      „Nach dem Besuch der Basken begannen sämtliche führenden sowjetischen Mannschaften, ihr Spiel auf das neue System umzustellen“, schrieb Arkadiew. „Torpedo tat dies als erster Verein und spielte deshalb in der Saison 1938 eine großartige Hinrunde. Bis 1939 traten dann alle unsere Mannschaften mit dem neuen System an.“ Dynamo Moskau bekam die Umstellung nicht gut. 1938 rutschte die Mannschaft auf den fünften und im darauffolgenden Jahr auf einen schwachen neunten Platz ab. Da Lawrenti Beria, der berüchtigte Chef des KGB und Schirmherr des Klubs, nach Erfolgen lechzte, waren nun drastische Maßnahmen erforderlich.

      Andere hätten sich in dieser Situation womöglich auf ihr ursprüngliches System besonnen, nicht so Arkadiew. Er ging stattdessen noch weiter. Arkadiew war überzeugt, dass weniger die Spieler an sich, sondern vielmehr ihre Position auf dem Platz entscheidend waren. Also bläute er ihnen im Februar 1940 während eines Trainingslagers im Badeort Gagra am Schwarzen Meer zwei Stunden lang Taktik ein. Sein Ziel, so sagte er, war eine verbesserte Variante des W-M-Systems.

      „Mit dem dritten Verteidiger setzten viele unserer eigenen wie auch ausländische Klubs Spieler im Angriff ein, die nicht an eine feste Position gebunden waren“, erklärte Arkadiew. „Diese Entwicklung war nicht von langer Dauer, markierte aber den Anfang einer radikalen Umstellung unserer Fußballtaktik. Ganz ehrlich, einige Spieler bewegten sich auch ohne taktische Gründe gern losgelöst von ihrer eigentlichen Position, weil sie besonders stark, schnell oder ausdauernd waren. So verfügte man neben vier Spielern [in der Offensive], die ganz konventionell ihre Position hielten, plötzlich über einen weiteren Spieler, der deren Bahnen kreuzte. Dadurch konnte ihm das verteidigende Team nur schwer folgen. Die übrigen Stürmer wiederum profitierten von einem freien Mannschaftskameraden, den sie anspielen konnten.“

      Der Saisonstart war schlecht. Man spielte unentschieden gegen Krylja Sowjetow Moskau und Traktor Stalingrad und verlor gegen Dynamo Tiflis. Arkadiew ließ sich davon nicht beeindrucken. Am Tag nach der Niederlage gegen Tiflis trommelte er seine Spieler zusammen, setzte sie an einen Tisch und ließ sie einen Bericht über ihre eigene Leistung und die ihrer Kameraden schreiben. Auf einmal schienen die Spieler Arkadiews taktische Anweisungen zu verstehen. Am 4. Juni schlug Dynamo Moskau mit schnellem Kurzpassspiel Dynamo Kiew mit 8:5. Das Rückspiel in der Ukraine gewann man mit 7:0, und im August wurde Titelverteidiger Spartak mit 5:1 abgefertigt. Von den verbliebenen sieben Spielen gewann Dynamo fünf und traf bei nur drei Gegentoren 26-mal.

      „Unsere Spieler arbeiteten daran, von einem schematischen W-M wegzukommen und der englischen Erfindung den undogmatischen russischen Geist einzuhauchen“, sagte Arkadiew. „Wir brachten den Gegner mit unseren unvermittelten Positionswechseln durcheinander und ließen ihn wehrlos dastehen. Unser linker Stürmer Sergej Iljin erzielte die meisten seiner Tore aus der Mittelstürmerposition, unser rechter Stürmer Michail Semitschastny aus der des linken Halbstürmers und unser Mittelstürmer Sergej Solowjow von außen.“

      Die Zeitungen priesen das „organisierte Chaos“, während die Konkurrenz nach Gegenmaßnahmen suchte. Die meisten reagierten mit strikter Manndeckung, worauf Arkadiew seine Spieler noch häufiger die Positionen wechseln ließ. „Mit dem Wechsel von der Raum- zur Manndeckung war es nur eine taktisch logische Konsequenz, dass sämtliche Stürmer und sogar die Mittelfeldspieler zu rotieren begannen“, schrieb er. „Gleichzeitig mussten auch die Verteidiger räumlich flexibler spielen und ihren jeweiligen Gegenspielern überallhin folgen, wo diese auch hinliefen.“

      An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Arkadiew mit „Raumdeckung“ nicht jenes ganzheitliche System meinte, das Zezé Moreira in den frühen 1950er Jahren in Brasilien einführte und das Wiktor Maslow später erfolgreich bei Dynamo Kiew einsetzen sollte. Arkadiew sprach hier vielmehr von der einfachen Raumorientierung des 2-3-5, bei der ein Abwehrspieler die linke und einer die rechte Seite übernahm. Beim W-M-System hingegen war jeder Spieler einem bestimmten Gegenspieler zugeordnet: Der rechte Verteidiger hatte den gegnerischen Linksaußen zu decken, der linke Läufer den rechten Halbstürmer, der Vorstopper den Mittelstürmer usw. In England war diese Zuordnung bei der Entwicklung des W-M-Systems mehr oder weniger organisch gewachsen. Da das W-M-System aber schon voll ausgebildet war, als es die Sowjetunion erreichte, kam es dort unausweichlich zu einer Phase der Verwirrung, musste man die Auswirkungen auf die Defensive doch erst noch begreifen.

      Ganz allmählich übernahm einer der Außenläufer nun eine defensivere Rolle und bildete eine zusätzliche Absicherung vor den drei Verteidigern. Zugleich ließ sich einer der Halbstürmer weiter nach hinten fallen, um diesen Läufer abzusichern. Diese Entwicklung vollzog sich nur langsam und sollte auf der anderen Seite des Globus in kürzerer Zeit erheblich weiter gedeihen. Dennoch war das 3-2-2-3 bereits auf dem Weg zum späteren 4-2-4. Axel Vartanjan, ein angesehener Historiker des Sowjetfußballs, hält es sogar für wahrscheinlich, dass Arkadiew als Erster mit einer Viererkette in der Abwehr spielen ließ.

      Nachdem die Liga kriegsbedingt unterbrochen wurde, zog es Arkadiew 1943 von Dynamo zu ZDKA Moskau, dem Vorläufer von ZSKA. Dort gewann er fünf Meistertitel, bis der Klub aufgelöst wurde, weil Stalin ZDKA für die sowjetische Niederlage gegen Jugoslawien im Achtelfinale des olympischen Fußballturniers 1952 verantwortlich machte. Parallel dazu blieb Dynamo den Prinzipien Arkadiews treu und verzauberte auf einer Freundschaftstournee nach dem Waffenstillstand im Jahr 1945 auch Großbritannien mit seinem Kurzpassspiel, dem Passowotschka.

      Im Vorfeld des ersten Spiels an der Stamford Bridge gegen den FC Chelsea gab es neben politischen Bedenken auch Befürchtungen, dass das „Rempeln“ wieder für Zwistigkeiten sorgen könnte wie einst bei den ersten Tourneen britischer Mannschaften in Südamerika. Chelsea stand gerade einmal auf dem elften Platz in der Southern Division – der Ligabetrieb sollte sich erst in einigen Monaten wieder vollständig normalisieren – und mühte sich mit viel Dusel zu einem 3:3. Dennoch waren die Defizite, die man gegenüber Dynamo hatte, nicht zu übersehen. So wie Sindelar die Engländer seinerzeit gepeinigt hatte und Nándor Hidegkuti es noch tun sollte, so brachte auch Stürmer Konstantin Beskow den FC Chelsea durch sein variables Positionsspiel aus dem Takt.

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       Boris Arkadiew erklärt den Spielern von ZDKA Moskau sein System.

      Besonders beeindruckte, wie klug die Dynamo-Spieler ihre Kräfte einsetzten. „Die Russen waren ständig in Bewegung“, lamentierte Chelseas linker Verteidiger Albert Tennant. „Wir konnten kaum mit denen mithalten.“ Der ehemalige Kapitän der Glasgow Rangers, Davie Meikle john, schrieb im Daily Record: „Sie tauschten die Positionen und gingen sogar so weit, dass der Linksaußen zeitweise auf dem rechten Flügel spielte und andersherum. Ich habe nie zuvor einen vergleichbaren Fußball gesehen. Es war unmöglich, die in der Stadionzeitschrift angegebenen Positionen der Spieler nachzuvollziehen. Die liefen hierhin und dorthin, ganz wie sie wollten. Am beeindruckendsten aber war, dass sie sich dabei nie in die Quere kamen.“

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       FC Chelsea – Dynamo Moskau 3:3, Freundschaftsspiel, Stamford Bridge, London, 13. November 1945.

      

      Nachdem Dynamo dann noch Cardiff City mit 10:1 zerbröselt, Arsenal mit 4:3 geschlagen und gegen die Rangers 2:2 unentschieden gespielt hatte, wurde von ihren Methoden geradezu geschwärmt. In der Daily Mail merkte Geoffrey Simpson an, Dynamo spiele „einen ganz neuen Fußball,


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