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Der Kaperschiffer vor hundert Jahren. Фредерик МарриетЧитать онлайн книгу.

Der Kaperschiffer vor hundert Jahren - Фредерик Марриет


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Sie war augenscheinlich von einer glühenden Neugierde befangen, und hätte gerne erfahren mögen, wer wir wären und woher wir kämen; denn so oft wir allein bei einander waren, stellte sie mir hieher bezügliche Fragen, und ich gab mir Mühe, mir den Sinn derselben zu deuten und sie zu beantworten. Allerdings ging dies anfänglich sehr schwer, aber allmählig kam ich doch so ziemlich damit zu Stande. Sie war in ihrer missverstandenen Religion sehr eifrig, und als ich ihr eines Morgens nach dem Berge folgte, wo sie ihre Andacht zu begehen pflegte, fragte sie mich, wo mein Gott sei. Ich deutete aufwärts, und sie entgegnete mir dann mit grosser Freude und Unschuld, der ihrige sei auch da und müsse demnach entweder der nämliche Gott, oder ein guter Freund von dem meinigen sein. Da sie von der Wahrheit ihrer Religion überzeugt war, so nöthigte sie mich, in ihrer Weise anzubeten, indem sie mein Haupt nieder in den Sand beugte und mich dieselben Formen durchmachen liess; zwar verstand ich begreiflicherweise die Bedeutung derselben nicht, aber da ich dabei zu meinem Gott betete, so erhob ich keinen Einwurf, weil ihr durch meine Fügsamkeit ein Gefallen geschah. Die scheinbare Gleichförmigkeit der Religion empfahl mich bei ihr noch mehr, und wir wurden immer vertrauter, wie ich denn überhaupt durch jedes Band der Dankbarkeit an sie gefesselt war. Ich fühlte mich eigentlich glücklich in ihrer Freundschaft und in dem Wohlwollen, das sie mir bewies, obschon mir dabei der stolze alte König als ewiger Popanz vorschwebte und die Erinnerung an ihn mich oft bewog, an mich zu halten und plötzlich ein abgemesseneres respektvolleres Berhalten ihr gegenüber anzunehmen. Bald hatte ich die Entdeckung gemacht, dass sie den Wilden eben so sehr fürchtete, wie ich, und ihn sogar noch bitterer hasste. Sie behandelte mich daher in seiner Gegenwart sehr streng und spielte die nachsichtslose Gebieterin; wenn wir aber allein waren und uns nicht vor Beobachtung zu fürchten hatten, wurde sie sehr vertraulich und legte sogar bisweilen ihren Arm in den meinigen. Sie pflegte dann wohl lachend auf den Unterschied unserer Farben hinzudeuten und freute sich in der Heiterkeit ihres jungen Herzens, dass wir allein waren und ungestört mit einander plaudern konnten. Da sie sehr einsichtsvoll war, so bemerkte sie bald, dass ich viele Kenntnisse besass, die ihr abgingen, und dass sie gar Manches nicht verstand, was ich sie lehren wollte. Dies bewog sie, mir ausser ihrem Wohlwollen auch ihre Achtung zu schenken.

      Eines Tags liess ich absichtlich ihren Bogen in der Hütte zurück, welche meinen Kameraden angewiesen war, und als sie mich danach fragte, entgegnete ich ihr, wo er sei; indess wolle ich meine Gefährten veranlassen, ihn zu schicken, ohne dass ich zurückgehe. Sodann riss ich ein Stück Rinde von einem Baum, schrieb mit der Spitze eines Pfeils an einen der Weissen und forderte ihn auf, den Bogen durch den Ueberbringer zu senden. Zu letzterem erlas ich einen jungen Negerknaben, dem ich im Beisein meiner Beschützerin bedeutete, er solle dieses Stück Rinde dem weissen Mann übergeben, und dann wieder zu der Königin zurückkommen. Whyna, denn so hiess meine hohe Gönnerin, sah in gespannter Erwartung dem Ergebniss entgegen, und nach einigen Minuten kehrte der Knabe mit dem Bogen zurück. Hierüber erstaunt, liess sie mich der Reihe nach ihre Pfeile, ihre Lanze und viele andere Dinge schriftlich beschicken, und als sie aus dem stets entsprechenden Erfolge die Ueberzeugung gewann, dass wir ein Mittel besässen, auch auf Entfernungen mit einander zu verkehren, so drang sie angelegentlich in mich, sie diese wunderbare Kunst zu lehren. Zu diesem Ende entfernte sie sich von mir mit dem Befehle, ich solle sie anreden, wenn sie ausser Hörweite sei; als sie jedoch fand, dass ich dies nicht konnte oder, wie sie zu glauben schien, nicht wollte, wurde sie unzufrieden und misslaunisch. Die Art, wie der Verkehr mit meinen Gefährten vor sich ging, blieb ihr unbegreiflich; indess erklärte ich ihr, sobald ich ihre Sprache vollkommen erlernt habe, werde ich wohl im Stande sein, ihr den erforderlichen Unterricht zu ertheilen. Mit dieser Zusage gab sie sich zufrieden; aber ich musste ihr versprechen, die Kunst Niemand anders zu lehren.

      Vermittelst der Canoes im Flusse konnte ich ihr leicht begreiflich machen, dass wir in einem grossen Boote aus einem fernen Lande her und über eine weite Wasserfläche gekommen seien — desgleichen, wie es zugegangen, dass wir in die Gewalt der Neger fielen. Sie theilte mir sodann mit, die Neger hätten ausgesagt, wir seien in ihr Land eingefallen, um Sklaven zu machen, und von ihnen in der Schlacht besiegt worden — daher auch ihre Triumphlieder, als sie uns dem König brachten. Abends machte ich sie auf die Himmelskörper aufmerksam und versuchte, ob ich ihr nicht Einiges von der Natur und der Bewegung derselben begreiflich machen könne; aber vergeblich, obschon ich dadurch so viel erzielte, dass sie mit um so grösserer Achtung zu mir aufblickte; denn sie hoffte, eines Tages, wenn ich mich deutlich auszudrücken verstehe, werde ich sie alle diese Wunder lehren können. Bei solchen Gefühlen gegen mich, wozu noch mein emsiges Bemühen kam, ihr zu gefallen und sogar ihre kleinsten Wünsche zu erfüllen, war es nicht zu verwundern, dass sie mich nicht wie einen Sklaven, sondern wie einen Freund behandelte, und mir jeden unschuldigen Beweis ihrer Zuneigung zu Theil werden liess. Mehr wünschte ich nicht und hatte sogar Furcht davor, dass unsere Vertraulichkeit zu weit führen könnte; denn wenn ich mich auch in ihrer alleinigen Gegenwart vollkommen glücklich fühlte, musste ich wieder Willen stets an den alten König denken, dessen Nähe und Anblick mir jederzeit ein Grausen einflösste.

      Die masslose Grausamkeit dieses Ungeheuers lag wie ein ewiger Bann auf meiner Seele. Von Kindheit auf an Blutvergiessen gewöhnt, schien er für alle menschlichen Gefühle unempfänglich zu sein; ja er verhöhnte sogar die Todesangst der Unglücklichen, welche täglich unter seinen Händen fielen. Eines Tages unterhielt er sich damit, dass er einen Menschen vor seinem Zelte an einen Pfosten binden liess, an welchem er seine Opfer zu züchtigen pflegte, und mit kleinen Vogelpfeilen auf ihn schoss. So trieb er es stundenlang; der Körper des Unglücklichen war von Pfeilen übersäet, und er verspottete nur das Schmerzgeschrei des Armen. Endlich wurde dieser gegen die Absicht seines Peinigers von einem Pfeil in die Kehle getroffen, so dass sein Kopf niedersank. Wie nun der alte Wilde bemerkte, dass es mit seinem Opfer an’s Sterben ging, zog er einen weitern Pfeil heraus und schoss das arme Geschöpf durch’s Herz, sehr ärgerlich darüber, dass er die Qualen desselben nicht noch mehr hatte verlängern können. Mit stummem Entsetzen war ich Zeuge dieser und noch vieler anderer ähnlicher Scenen. Ich brauche kaum zu sagen, dass ich mir recht wohl denken konnte, welche Züchtigung mir bevorstand, wenn durch irgend einen Vorfall die Eifersucht dieses Ungeheuers geweckt wurde; auch war mir vollkommen klar, dass selbst ohne wirklichen Anlass ein augenblicklicher Verdacht schon hinreichen konnte, sowohl mich als meine Gebieterin zu seinem Opfer zu machen.

      Siebentes Kapitel.

      Ich begleite den König bei einem Jagdausflug. — Jagd auf wilde Thiere. — Whyna und ich gerathen durch einen Tiger in grosse Gefahr. — Barbarei des Königs gegen meine junge Gebieterin. — Ich werde mit meinem Gefährten ausgelöst. — Wehmüthiger Abschied von Whyna. — Nach einem Zusammentreffen mit einem feindlichen Volke erreichen wir den Senegal. — Rückkehr nach England.

      Meine Gefangenschaft hatte ungefähr drei Monate gedauert, als der alte König mit seinen vier Weibern und einem grossen Negerhaufen die Stadt verliess, um in den Wäldern der Jagd obzuliegen. Meine Gefährten mussten zurückbleiben, ich aber erhielt die Weisung, meine Gebieterin zu begleiten — ein Befehl, dem ich um so bereitwilliger nachkam, weil ich hoffte, durch irgend ein Mittel meine Flucht zu bewerkstelligen, denn meine Furcht vor dem alten König war viel grösser, als meine Zuneigung zu Whyna. Da ich mit Bogen, Pfeilen und Wurfspiessen nicht sonderlich geschickt umzugehen wusste, so wurde ich mit einem starken Speer bewaffnet. Meine Gebieterin verstand sich auf die Führung der ersteren Waffen zum Bewundern gut, denn ich hatte sie nie ihr Ziel verfehlen sehen, und sie nahm sich bei diesem Jagdausflug ganz besonders vortheilhaft aus. Ihre Behendigkeit, das Ebenmass ihrer Glieder, ihr Muth und die geschickte Handhabung der Waffen — Alles dies gewann das Herz des alten Königs, und ich glaube, dass seine grosse Zuneigung zu ihr mehr in dieser, als in ihren übrigen Eigenschaften begründet war. So viel unterlag keinem Zweifel, dass die wilde Majestät ganz in sie vernarrt war, während sie ihrerseits solchen Einfluss auf ihn übte, dass sein sonst unbeugsamer Starrsinn sich ihr gegenüber brach. Da ihn sein Alter hinderte, die Jagd mitzumachen, so liess er sie nur ungern von sich und verwarnte sie stets, sich ja nicht in nutzlose Gefahr einzulassen; kamen wir dann Abends in’s Lager, so funkelten die Augen des alten Mannes entzückt, wenn er die Zurückkehrende willkommen hiess.

      Unsere Jagdmethode bestand darin, dass wir mit einer Anzahl Leute in einem weiten Kreise das Land durchstörten, bis wir alles Wild in ein einziges Dickicht getrieben hatten; dann brachen die stärksten


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