Bekenntnisse. Augustinus von HippoЧитать онлайн книгу.
buhlenden Reiz unsere Ohren kitzelte und unseren Verstand betäubte. Diese Fabel starb für mich nicht, wenn auch einer meiner Freunde starb. Noch anderes gab es da, was an meinen Freunden mich mehr einnahm: wir sprachen und scherzten miteinander, erzeigten uns allerlei Gefälligkeiten, erfreuten uns gemeinsam an den Werken der schönen Literatur, trieben zusammen Scherze und sagten einander Komplimente. Mitunter widersprachen wir uns auch, doch ohne Gehässigkeit, wie der Mensch bisweilen mit sich selbst uneins ist; doch selbst der sehr seltene Zwiespalt war nur die Würze der meistens vorhandenen Übereinstimmung. Wir waren einer des anderen Lehrer und Schüler, verdrießlich vermißten wir die Abwesenden und empfingen freudig die Kommenden. Diese und ähnliche Zeichen von Liebe und Gegenliebe, wie sie das Herz durch Mienen, Sprache, Augen und tausend einnehmende Gebärden an den Tag legt, schweißen die Seelen zusammen, so daß aus vielen eine einzige wird.
9. Von menschlicher Freundschaft. Glücklich, wer in Gott liebt.
Das liebt man an den Freunden, und man liebt es so, daß des Menschen Gewissen sich Vorwürfe macht, wenn er Gegenliebe nicht mit Liebe und Liebe nicht mit Gegenliebe erwidert, sondern nur sichtbare äußere Zeichen eines Wohlwollens sucht. Daher jene Trauer, wenn jemand stirbt, daher die Finsternis der Schmerzen, die Ermattung des Herzens, dessen Freude sich in Bitterkeit verwandelt hat, daher der Tod der Lebenden infolge des verlorenen Lebens der Toten. Selig, wer dich liebt und den Freund in dir und den Feind um deinetwillen. Denn der allein verliert keinen Teuren, dem alle teuer sind in dem, den man nicht verlieren kann. Und wer ist das, wenn nicht unser Gott, der Gott, der „Himmel und Erde gemacht“89 und sie erfüllt, weil er sie gemacht hat, indem er sie erfüllte? Dich verliert nur, wer dich freiwillig aufgibt und weil er dich aufgibt; wohin kann er aber gehen oder wohin sich flüchten als von dir, dem Gnädigen, zu dir, dem Zürnenden? Denn wo fände er nicht in seiner Strafe dein Gesetz? Und „dein Gesetz ist die Wahrheit“90 und „die Wahrheit bist du!“91
10. Vergänglichkeit der Geschöpfe.
„Herr der Heerscharen, bekehre uns und zeige dein Angesicht, so werden wir gerettet sein“92. Denn, wohin sich die Seele des Menschen auch außer dir wendet, überall heftet sich der Schmerz an sie, auch wenn sie sich an das Schöne außer dir und außer ihr anheftet. Denn auch das Schöne hat seinen Ursprung nur von dir. Es entsteht und vergeht im Entstehen fängt es gleichsam an zu sein, dann wächst es und gelangt zur Vollendung; ist es aber vollendet, dann altert es und vergeht. Nicht alles altert, aber alles vergeht. Was also entsteht und nach dem Sein strebt, eilt umso schneller zum Nichtsein zurück, je schneller es zum Sein heranwächst: das ist seine Bestimmung. So hast du es ihm vorgezeichnet, weil auch es zu den Dingen gehört, die nicht zugleich bestehen, sondern im ewigen Kreislauf des Vergehens und Werdens das Universum bilden, dessen Teile sie sind. Siehe, so bildet sich auch unsere Rede aus Lauten und Worten. Sie würde kein Ganzes, wenn nicht das eine Wort, nachdem es geklungen, verschwände, um einem anderen Platz zu machen. Auch deshalb lobe dich meine Seele, Gott, du Schöpfer aller Dinge, aber ohne daß sie sich durch die Sinne des Leibes verführen lasse, sie in Liebe zu umarmen. Wie sie gingen, so gehen sie dahin ins Nichtsein und zerreißen die Seele durch verderbliche Begierden, weil sie in dem, was sie liebt, sein will und gern ruht. In ihnen ist aber keine Ruhe, weil sie nicht beständig sind; sie fliehen vorüber, und wer kann ihnen mit den Sinnen des Leibes folgen? Oder wer hält sie fest, auch wenn sie gegenwärtig sind? Langsam ist ja der Sinn des Fleisches weil er der Sinn des Fleisches und sich selbst Maß ist. Für das, wofür er gemacht ist, reicht er aus; aber Vorübereilendes von dem bestimmten Anfange bis zu dem bestimmten Ziel festzuhalten, dazu reicht er nicht aus. Denn nur in deinem Worte, das sie ins Dasein ruft, vernehmen sie die Worte: Von hier an und bis dahin!
11. Alles Geschaffene ist unbeständig; Gott allein besteht in Ewigkeit.
Sei nicht eitel, meine Seele, und laß das Ohr deines Herzens nicht betäuben durch den Aufruhr deiner Eitelkeit! Höre auch du es: das Wort ruft dir selbst zu, zurückzukehren, und dort ist die Stätte ungetrübter Ruhe, wo Liebe nicht verlassen wird, es sei denn, sie verließe sich selbst. Siehe die Dinge vergehen, damit andere nachfolgen und das irdische Ganze aus allen seinen Teilen sich zusammensetze. “Verschwinde etwa auch ich irgendwohin?” fragt das Wort Gottes. In ihm also schlage deine bleibende Wohnstätte auf, vertraue alles dem Worte, was du von ihm hast, meine Seele, die du endlich der Täuschungen müde geworden bist. Der Wahrheit übergib, was du von der Wahrheit hast, und du wirst nichts verlieren; deine verwesten Glieder werden wieder aufblühen, all deine Krankheiten geheilt werden; was hinfällig ist an dir, wird umgestaltet, erneuert und aufs innigste mit dir verbunden werden. Es wird dich dann nicht mehr hinabziehen, wohin es selbst drängt, sondern mit dir bestehen und bleiben bei dem immer bestehenden und bleibenden Gott. Warum willst du in Verkehrtheit deinem Fleische folgen? Es soll vielmehr dir in deiner Bekehrung folgen. Alles was du durch jenes wahrnimmst, ist nur ein Teil; das Ganze kennst du nicht, von dem jenes die Teile sind, und dennoch hast du deine Freude an ihnen. Aber wenn der Sinn deines Fleisches fähig wäre, das Ganze zu erfassen, und wenn er nicht dir zur Strafe in einem Teile des Universums auf ein bestimmtes Maß beschränkt wäre, so würdest du wünschen, daß alles, was in der Gegenwart besteht, vorübergehe, damit deine Freude an der Gesamtheit größer werde. Denn mit eben demselben Sinn des Leibes hörst du die Worte, und doch willst du nicht, daß die einzelnen Silben Bestand haben, sondern vorübereilen, auf daß andere kommen und du das Ganze hörst. So gewähren immer alle Teile, aus denen eine Einheit besteht, obwohl durchaus nicht alles, woraus es besteht, zugleich besteht, in ihrer Ganzheit größere Freude als die einzelnen Bestandteile, wenn sie nebeneinander empfunden werden könnten. Weit vorzüglicher aber als all dies ist der, der alles geschaffen hat, und der ist unser Gott selbst, der nicht vergeht, weil auch nichts Ihm folgt.
12. Von der richtigen Liebe.
Wenn die Körper dir gefallen, so preise Gott in ihnen und lenke deine Liebe von ihnen zu ihrem Schöpfer, damit du selbst in dem, was dir gefällt, ihm nicht mißfallest. Wenn dir aber die Seelen gefallen, so liebe sie in Gott, weil auch sie selbst vergänglich sind und nur in ihm Halt und Bestand finden; sonst würden sie gehen und vergehen. In Gott also liebe sie, reiße zu ihm hin, soviel du kannst, und sprich zu ihnen „Ihn lasset uns lieben; er hat dies alles geschaffen und ist nicht ferne". Er hat es nicht etwa geschaffen, um sich zu entfernen, sondern es besteht durch ihn in ihm. Siehe, wo ist er, wo kostet man die Wahrheit? In der Tiefe des Herzens ist er, aber das Herz ist von ihm abgeirrt. Kehret ein, ihr Sünder, in euer Herz“93 und hanget dem an, der euch erschaffen hat. Stehet fest zu ihm, und ihr werdet Bestand haben, ruhet aus in ihm, und ihr werdet Ruhe finden! Wo gehet ihr hin in die Wildnis? Wohin geht ihr? Das Gute, das ihr liebet, kommt von ihm; aber nur soweit es zu ihm in Bezug steht, ist es gut und süß; bitter dagegen wird es mit Recht, weil, wenn man ihn verläßt, alles, was von ihm stammt, mit Unrecht geliebt wird. Warum müßt ihr immer und immer wieder beschwerliche und mühsame Pfade wandeln? Wo ihr die Ruhe sucht, dort ist sie nicht. Suchet immerhin, was ihr suchet; allein dort, wo ihr es suchet, ist es nicht. Seliges Leben sucht ihr im Lande des Todes; dort ist es aber nicht. Denn wo könnte ein seliges Leben sein, wo überhaupt kein Leben ist?
Zu uns herabgestiegen ist unser Leben, hat unsern Tod auf sich genommen und ihn durch die Fülle seines Lebens getötet. Und mit Donnerstimme hat er uns zugerufen, von hier zu ihm in jenes geheimnisvolle Heiligtum zurückzukehren, von dem er zu uns zuerst in den Schoß der Jungfrau herabstieg, wo sich ihm die menschliche Natur vermählte, das sterbliche Fleisch, auf daß es nicht immer sterblich bleibe; „und von dort heraustretend wie ein Bräutigam aus seinem Gemache frohlockte er wie ein Held, zu durchlaufen seine Bahn“94. Ja, er zögerte nicht, sondern lief, rufend durch Worte und Taten, durch seinen Tod und sein Leben, durch seine Herabkunft und Himmelfahrt, rufend, daß wir zu ihm zurückkehren sollen. Und er entschwand unsern Augen, auf daß wir wieder in unsere Herzen einkehren und dort ihn finden möchten. Ja, er ist hingegangen und siehe, hier ist er. Nicht lange wollte er bei uns bleiben, aber er hat uns nicht verlassen. Denn er ist dorthin gegangen, von wo er nie weggegangen war, weil „die Welt durch ihn geworden ist“95 und „er in dieser Welt war und in sie kam, die Sünder selig zu machen“96,. Ihn preist meine Seele, und”er