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Ekkehard. Joseph Victor von ScheffelЧитать онлайн книгу.

Ekkehard - Joseph Victor von Scheffel


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und schnitze die wunderfeinen Bildwerke in Elfenbein; noch gibt das Diptychon mit Marias Himmelfahrt und dem Bären des heiligen Gallus Zeugnis von seiner Kunst. Aber wenn ihm der Rücken sich krümmen wollte von der Arbeit Last, zog er singend hinab auf die Wolfsjagd oder suchte einen ehrlichen Faustkampf zur Erholung; er focht lieber mit bösen Menschen als mit nächtlichem Spuk und sagte oft im Vertrauen zu seinem Freunde Notker: Wer so manchem in Christenheit und Heidenschaft ein blaues Denkzeichen verabreicht, wie ich, kann der Dämonomachia entbehren.

      Auch Ratpert kam herzu, der lang erprobte Lehrer der Schule, der immer unwillig auffuhr, wenn ihn das Kapitelglöcklein von seinen Geschichtsbüchern abrief. In vornehmer Haltung trug er das Haupt; er und die beiden andern waren ein Herz und eine Seele, ein dreiblättriger Klosterklee, so verschieden auch ihr Wesen. Weil er unter den letzten in den Saal trat, kam Ratpert neben seinen Widersacher zu stehen, den bösen Sindolt, der tat, als sähe er ihn nicht, und flüsterte seinem Nachbar etwas zu; der war ein klein Männlein mit einem Gesicht wie eine Spitzmaus und kniff den Mund zusammen, denn Sindolt hatte ihm soeben zugeraunt, im grossen Wörterbuch des Bischofs Salomo.

Grimoald, fällt es dir bei, aus diesem Kruge zu schöpfen, Möge sein Inhalt sofort sich in Säure des Essigs verwandeln Und ein unendlicher Husten samt brennendem Durst dir beschert sein zu der Glosse:

      »Rabulista bedeutet einen, der über jeglich Ding der Welt disputieren will,« von unbekannter Hand zugeschrieben worden: »Wie Radolt, unser Denkmann.«

      Aus dem Dunkel im Saalesgrund ragte Sintram hervor, der unermüdliche Schönschreiber, dessen Schriftzüge die ganze cisalpinische Welt bewunderte; die grössten von Sankt Gallus Jüngern an Maß des Körpers waren die Schotten, die am Eingang ihren Stand nahmen, Fortegian und Failan, Dubslan und Brendan und wie sie alle hießen, eine untrennbare Landsmannschaft, aber missvergnügt über Zurücksetzung; auch der rotbärtige Dabduin stand dabei, der trotz der schweren eisernen Bußkette nicht zum Probst gewählt ward und zur Strafe für seine beißenden Schmähverse auf die deutschen Mitbrüder drei Jahre lang den dürren Pfirsichbaum im Klostergarten begießen musste.

      Und Notker, der Arzt, stund unter den Versammelten, der erst jüngst des Abts hinkendem Fuß die große Heilkur verordnet hatte mit Einreibung von Fischgehirn und Umschlag einer frisch abgezogenen Wolfshaut, auf dass die Wärme des Pelzes die gekrümmten Sehnen gerad biege: sie hießen ihn das Pfefferkorn ob seiner Strenge in Handhabung der Klosterzucht; – und Wolo, der keine Frau ansehen konnte und keine reifen Äpfel, und Engelbert, der Einrichter des Tiergartens, und Gerhard, der Prediger, und Folkard, der Maler: Wer kennt sie alle, die löblichen Meister, bei deren Aufzählung schon das nächstfolgende Klostergeschlecht wehmütig bekannte, dass solche Männer von Tag zu Tag seltener würden?

      Jetzt bestieg der Abt seinen ragenden Steinsitz, und sie beratschlagten, was zu tun sei. Der Fall war schwierig. Ratpert trat auf und wies aus den Aufzeichnungen vergangener Zeit nach, auf welche Art einst dem großen Kaiser Karl ermöglicht worden, in des Klosters Inneres zu kommen. Damals, sprach er, ward angenommen, er sei ein Ordensbruder, solang er in unsern Räumen weile, und alle taten, als ob sie ihn nicht kenneten; kein Wort ward gesprochen von kaiserlicher Würde und Kriegstaten oder demütiger Huldigung, er musste einherwandeln wie ein anderer auch, und dass er des nicht beleidigt war, ist der Schutzbrief, den er beim Abzug über die Mauern hineinwarf, Zeuge.

      Aber damit war das große Bedenken, dass jetzt eine Frau Einlass begehrte, nicht gelöst. Die strengeren Brüder murrten, und Notker, das Pfefferkorn, sprach: Sie ist die Witwe jenes Landverwüsters und Klosterschädigers, der den kostbaren Kelch bei uns als Kriegssteuer erhob und höhnend dazu sagte: Gott isst nicht und trinkt nicht, was nützen ihm die goldenen Gefäße? Lasst ihr das Tor geschlossen!

      Das war jedoch dem Abt nicht recht. Er suchte einen Ausweg. Die Beratung war stürmisch, sie sprachen hin und her. Der Bruder Wolo, da er hörte, dass von einer Frau die Rede, schlich leis von dannen und schloss sich in seine Zelle.

      Da hob sich unter den Jüngeren einer und erbat das Wort.

      Sprechet, Bruder Ekkehard, rief der Abt.

      Und das wogende Gemurmel verstummte; alle hörten den Ekkehard gern. Er war jung an Jahren, von schöner Gestalt und fesselte jeden, der ihn schaute, durch sittige Anmut, dabei weise und beredt, von klugverständigem Rat und ein scharfer Gelehrter. An der Klosterschule lehrte er den Virgilius, und wiewohl in der Ordensregel geschrieben stand: zum Pörtner soll ein weiser Greis erwählt werden, dem gesetztes Alter das Irrlichtelieren unmöglich macht, damit die Ankommenden mit gutem Bescheid empfangen seien, so waren die Brüder eins, dass er die erforderlichen Eigenschaften besitze, und hatten ihm auch das Pörtneramt übertragen.

      Ein kaum sichtbares Lächeln war über seinen Lippen gelegen, dieweil die Alten sich stritten. Jetzt erhob er seine Stimme und sprach:

      Die Herzogin in Schwaben ist des Klosters Schirmvogt und gilt in solcher Eigenschaft als wie ein Mann. Und wenn in unserer Satzung streng geboten ist, dass kein Weib den Fuß über des Klosters Schwelle setze: man kann sie ja darüber tragen.

      Da heiterten sich die Stirnen der Alten, als wäre jedem ein Stein vom Herzen gefallen, beifällig nickten die Kapuzen, auch der Abt war des verständigen Wortes nicht unbewegt und sprach:

      Fürwahr, oftmals offenbart der Herr einem Jüngeren das Dienstlichste, Bruder Ekkehard, Ihr seid sanft wie die Taube, aber klug wie die Schlange, so sollt Ihr des eigenen Rats Vollstrecker sein. Wir geben Euch Dispens.

      Dem Pörtner schoss das Blut in die Wangen, er verbeugte sich, seinen Gehorsam anzudeuten.

      Und der Herzogin weibliche Begleitung? frug der Abt weiter. Da wurde der Konvent eins, dass für diese auch die freimütigste Gesetzesauslegung keine Möglichkeit des Eintritts eröffne. Der böse Sindolt aber sprach: Die mögen indessen zu den Klausnerinnen auf den Irenhügel gehen; wenn des heiligen Gallus Herde von einer Landplage heimgesucht wird, soll die fromme Wiborad auch ein Teil daran leiden.

      Der Abt pflog noch eine lange flüsternde Verhandlung mit Gerold, dem Schaffner, wegen des Vesperimbisses; dann stieg er von seinem Steinsitz und zog mit der Brüder Schar den Gästen entgegen. Die waren draußen schon dreimal um des Klosters Umfriedung herumgeritten und hatten sich mit Glimpf und Scherz des Wartens Ungeduld vertrieben.

      In der Tonweise: justus germinavit kamen jetzt die eintönigen schweren Klänge des Lobliedes auf den heiligen Benedictus aus dem Klosterhof zu den Wartenden gezogen, das schwere Tor knarrte auf, heraus schritt der Abt, paarweise langsamen Ganges der Zug der Brüder, die beiden Reihen erwiderten sich die Strophen des Hymnus.

      Dann gab der Abt ein Zeichen, dass der Gesang verstumme. Wie geht's Euch, Vetter Cralo, rief die Herzogin leichtfertig vom Ross, hab' Euch lange nicht gesehen. Hinket Ihr noch?

      Cralo aber sprach ernst: Es ist besser, der Hirt hinke, als die Herde. Vernehmet des Klosters Beschluss.

      Und er eröffnete die Bedingung, die auf den Eintritt gesetzt. Da sprach Frau Hadwig lächelnd: Solang ich den Zepter führe in Schwabenland, ist mir ein solcher Vorschlag nicht gemacht worden. Aber Eures Ordens Vorschrift soll von uns kein Leides geschehen; welchem der Brüder habt Ihr's zugewiesen, die Landesherrin über die Schwelle zu tragen?

      Sie ließ ihr funkelnd Auge über die geistliche Heerschar streifen. Wie sie auf Notker, des Stammlers, unheimlich Schwärmerantlitz traf, flüsterte sie leise der Griechin zu: Möglich, dass wir gleich wieder umkehren!

      Da sprach der Abt: Das ist des Pörtners Amt, dort steht er.

      Frau Hadwig wandte den Blick in der Richtung, die des Abts Zeigefinger wies; gesenkten Auges stund Ekkehard; sie erschaute die sinnige Gestalt im rotwangigen Schimmer der Jugend, es war ein langer Blick, mit dem sie über die gedankenbewegten Züge und das wallende gelbliche Haupthaar und die breite Tonsur streifte.

      Wir kehren nicht um! nickte sie zu ihrer Begleiterin, und bevor der kurzhalsige Kämmerer, der meistenteils den guten Willen und das Zuspätkommen hatte, vom Gaul herab und ihrem Schimmel genaht war, sprang sie anmutig aus dem Bügel, trat auf den Pörtner zu und sprach: – So tut, was Eures Amtes!


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