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Mami Box 1 – Familienroman. Claudia TorweggeЧитать онлайн книгу.

Mami Box 1 – Familienroman - Claudia Torwegge


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von diesem Kind, nicht, wo es herkommt, wer seine Eltern sind. Wie, wenn eines Tages doch noch jemand auftaucht und einen Anspruch darauf erhebt? Es ist mir sowieso unbegreiflich, wie die Herkunft eines Menschenkindes so völlig unbekannt sein kann.«

      »Ja, das ist schon sehr seltsam«, stimmte Vera ihm zu. »Aber dafür kann Laura doch nichts. Und wenn wirklich noch ein Blutsverwandter auftauchte, die Mutter gar, oder der Vater, dann soll es auch gut sein. Dann hätten wir sie wenigstens für eine Zeit aus dem Haus genommen, in dem sie nicht froh sein kann.«

      Skeptisch sah ihr Mann sie an. Er überlegte.

      »Wie war das damals, was war das für ein Heim, in das sie als Kleinkind gebracht wurde?« fragte er nach einer Pause. »Da müßte sich doch eine Spur zurückverfolgen lassen.«

      »Darüber weiß ich auch nichts Näheres«, gab Vera zurück. »Frau Behrend könnte uns bestimmt den Namen dieses Kinderheimes nennen. Ich kann mich darum kümmern, wenn es dir wichtig ist, Edgar.«

      Er nickte ihr zu. »Ich hielte es schon für richtig, bevor wir eine Entscheidung treffen, Vera. Man hat die Dinge möglicherweise zu sehr schleifen lassen und keinerlei weitere Nachforschungen mehr angestellt. Es fühlte sich wahrscheinlich niemand zuständig dafür.«

      Doch darin sollte Edgar Gerstner sich irren.

      *

      Das Kinderheim Maria Barein, nach seiner Stifterin benannt, war ein gepflegtes Haus mit ausgebildeten Säuglings- und Kinderschwestern. Die Atmosphäre, die Vera hier umfing, war hell und freundlich. Eine junge Schwester führte die Besucherin zu ihrer Chefin, Frau Dr. Schwendt.

      »Selbstverständlich haben wir nach diesem Ehepaar Matthau geforscht, das Laura Pavel seinerzeit in unsere Obhut gab«, sagte diese, nachdem Vera ihr Anliegen vorgebracht und sie sich eine Akte, diesen Fall betreffend, hatte kommen lassen. »Dem Vernehmen nach wollten sie eine größere Reise antreten. Sie leisteten eine Vorauszahlung für drei Monate. Danach kam nichts mehr. Mahnungen blieben erfolglos. Wir hörten uns um, die Wohnung war verschlossen, niemand wußte etwas über den Verbleib der Inhaber. Anscheinend hat das Paar sehr zurückgezogen gelebt. In ihrem Umfeld gab es nur Achselzucken, die Matthaus seien für länger verreist, weiter war nichts in Erfahrung zu bringen.«

      Mit angespannter Miene hatte Vera zugehört. »Und von dieser Reise sind sie nicht zurückgekommen?« stellte sie beklommen fest.

      Frau Dr. Schwendt hob die Hände und ließ sie mit einer resignierten Bewegung wieder sinken. »Nein, offenbar nicht. Jedenfalls haben wir nichts mehr davon gehört. Vielleicht sind sie tödlich verunglückt, oder sie sind untergetaucht, vielleicht war ihnen das Pflegekind lästig geworden, es gab da viele Vermutungen. Die Wohnung ist schließlich geräumt und weitervermietet worden. Niemand erhob einen Anspruch auf irgend etwas. Was sich an Werten darin befand, hat der Vermieter für die ihm entgangene Miete für sich einbehalten.«

      »Da blieb für Laura nichts übrig«, warf Vera ein.

      Frau Dr. Schwendt schüttelte den Kopf. »Es bestand auch kein rechtlicher Anspruch darauf. Wieso und auf welche Weise das Kind zu ihnen kam, weiß man nicht. Für mich bestand keine Veranlassung, danach zu fragen oder mir irgendwelche Papiere vorlegen zu lassen. Es sollte ein vorübergehendes Arrangement sein, wie hier in fast allen Fällen, und die finanzielle Seite war geregelt.«

      Vera senkte die Lider. Wie sachlich das klang. Aber freilich, man mußte das auch verstehen. In diesem Kinderheim waren die Plätze sicher hochbezahlt, sonst wäre dieser Standard nicht zu halten. »Dann mußte Laura ins Waisenhaus«, sagte sie leise, wie zu sich selbst.

      »Es gab keine andere Möglichkeit, leider. Wir behielten sie noch zwei, drei Monate, solange wir immer noch auf ein Lebenszeichen der Matthaus hofften. Aber dann mußten wir sie abgeben.« Mit einer endgültigen Bewegung schloß Dr. Schwendt die Akte Pavel.

      »Haben Sie Dank für Ihre Ausführungen«, sagte Vera, sich erhebend.

      »Bitte sehr. Sie werden nicht ohne Grund danach gefragt haben.« Aber was für Gründe das waren, interessierte die Dame nicht weiter. Hier kamen und gingen so viele Kinder, und dieser Fall lag Jahre zurück. Es gab ihn nur noch in einem Ordner, der wieder zurückgestellt werden würde in eine lange Reihe von anderen.

      *

      »Nehmen wir die Kleine also zu uns«, entschied Edgar. »Du siehst dich ja eh schon überlegend in unserem Gästezimmer um…« Sein lächelnder Blick ruhte auf seiner errötenden Frau.

      »Ja, das könnte gut Lauras Zimmer werden. So oft bekommen wir ja nicht Logierbesuch, und wenn, dann kann sie unten auf der Couch schlafen. O Edgar!« Vera trat auf ihren Mann zu, und als er sie umfing, legte sie die Hände vor seiner Brust zusammen und sah ihm in die Augen. »Willst du es wirklich? Bist du auch aus vollem Herzen bereit?«

      Er nickte. »Ja, Vera. Ich tue doch nichts Unüberlegtes. Es wird schon gutgehen«, sagte er fest.

      Das sprengte Vera fast das Herz, dem Kind sagen zu dürfen, daß es fortan bei ihnen wohnen könnte. Es geschah im Karolinen-Haus, nach Rücksprache mit Frau Behrend.

      »Das träume ich doch wieder nur«, flüsterte Laura. Sie kniff die Augen fest zusammen, um aus diesem Traum nicht zu erwachen.

      »Du träumst nicht«, versicherte Vera. »Sieh mich an. Hier bin ich, und wir bleiben jetzt zusammen.«

      »In dem schönen Haus?«

      »Da wirst du dein Zimmer haben, ja!«

      »Und ich bin euer Kind? Ihr seid meine Eltern?«

      »Deine Pflegeeltern, ja.«

      Es machte für Laura keinen Unterschied. »Dann darf ich Mama und Papa zu euch sagen?« Wie atemlos kam eine Frage nach der anderen.

      Nur einen winzigen Augenblick zögerte Vera. »Wenn du das gern möchtest… Aber jetzt wollen wir deine Sachen zusammenpacken. Wo hast du sie denn?« Suchend sah sie sich in dem Saal um, wo die vielen schmalen Betten standen. Das Kind deutete auf eine Ecke, die durch einen Vorhang abgetrennt war.

      »Dahinter sind auch die von mir. Aber mein schöner bunter Rock – da hat jemand reingeschnitten.« Sie zeigte ihn Vera.

      »Da sind ja richtige Löcher drin, wer hat denn das getan?«

      »Niemand will das gewesen sein. Manche sind so gemein. Entschuldige bitte, Tante Vera. Der war sicher sehr teuer.«

      »Ach wo, das war er nicht, und du brauchst dich nicht für diese Untat zu entschuldigen.« Vera packte Lauras bescheidenen Bestand in die mitgebrachte Reisetasche. War das ein Segen, daß sie von diesem frechen Volk hier wegkam, die ihr jedes bißchen geneidet hatten.

      Aber dann kamen einige der Kinder herbei, sie schauten stumm. Verschlossene Gesichter, ausdruckslos, und doch mit so einem hungrigen Ausdruck in den Augen, daß es Vera erschütterte. Sie wußten: Da durfte eines von ihnen gehen. Ach, diese Verlassenen waren nicht schlecht oder gemein von Natur aus, da waren sie Kinder wie alle anderen, nur ihre armen, verkümmerten Seelen wehrten sich und taten die falschen Dinge, um ihre Aggressionen abzubauen. Es war ihnen, auf welche Weise auch immer, schon zuviel angetan worden in ihrem kleinen Leben.

      Vera war froh, als sie, an der einen Hand Laura, in der anderen die Reisetasche, das Karolinen-Haus hinter sich lassen konnte.

      »Na, du Spatz«, begrüßte Edgar, als er kam, die neue kleine Hausgenossin, »gefällt dir dein Zimmer?«

      Stumm und überwältigt nickte Laura. Sie mußte das erst begreifen, daß sie ein Zimmer für sich hatte und für immer hier sein durfte. Aber es dauerte lange, bis sie es wagte, Papa zu ihm zu sagen. Bei ihrer Tante Vera war das anders, da kam es ihr gedehnt und beinahe andächtig über die Lippen, dieses »Ma – ma«, als koste sie es aus. Galt es doch der Frau, der ihr kleines Herz schon zugeflogen war, als sie sie nur von fern sah.

      Vera merkte bald, daß die Anwesenheit des Kindes ihr Leben bereicherte. Laura ging nun in die Schule, und sie tat es gern. Vera hatte sie darauf vorbereitet, in den vergangenen Wochen schon mit ihr geübt, was manche andere in einer Vorschule


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