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Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Thomas MeyerЧитать онлайн книгу.

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) - Thomas  Meyer


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eine Rumpfinstabilität, eine verstärkte Beugehaltung und damit verbundene Gangstörung bemerkbar, während die Extremitäten in ihrer Funktion weitgehend erhalten sind. Ein weiteres Merkmal – neben der Rumpfinstabilität – ist die Einschränkung der Atemfunktion. Die menschliche Atmung wird überwiegend durch Rumpfmuskulatur (Zwerchfell, Rippenmuskulatur, Bauchmuskulatur) realisiert. Patienten mit axialer ALS zeigen eine Atemfunktionsstörung, die sich durch eine erhöhte Atemanstrengung (Dyspnoe) oder durch einen ungenügenden Austausch der Atemgase (Anreicherung von Kohlendioxid mit der Folge von Müdigkeit und Abgeschlagenheit) darstellt. In einer sehr seltenen Konstellation (die weniger als 2 % aller Menschen mit ALS betrifft) ist die Atemmuskulatur zuerst betroffen, während der sonstige Rumpf und die Extremitäten keine Paresen aufweisen. Diese Form der axialen ALS wird typischerweise zuerst von Lungenärzten diagnostiziert. Die axialen ALS macht typischerweise bereits im früheren Krankheitsverlauf die Unterstützung durch Atemhilfen erforderlich, da eine Schwäche der Atemmuskulatur bereits bei Beginn der ALS auftreten kann. Die axiale ALS betrifft weniger als 10 % aller Menschen mit ALS.

      48 Was ist eine Progressive Bulbärparalyse?

      Die progressive Bulbärparalyse ist eine besondere Verlaufsform der ALS, bei der die motorischen Symptome in der Zungen- und Schlundregion (Bulbärregion) auftreten und über längere Zeiträume (bis zu mehreren Jahren) auf diese Region beschränkt bleiben. Der Übergang von Lähmungen auf die Hände, Arme und Beine findet mit großer Verzögerung statt. In den ersten Monaten und Jahren des Krankheitsverlaufes schreitet die Erkrankung in der Bulbärregion fort (Zunahme von Sprech- und Schluckstörung), während eine Muskelschwäche (Paresen) oder Muskelsteifigkeit (Spastik) in anderen Körperregionen nicht nachweisbar sind. Eine vollständige Beschränkung der ALS auf die Bulbärregion ist auch bei der progressiven Bulbärparalyse nicht vorhanden: Nach Jahren der isolierten Betroffenheit in der Bulbärregion kommt es im späteren Krankheitsverlauf zu einer langsam fortschreitenden Einbeziehung der Rumpfmuskulatur (Schwäche der Kopfhaltemuskulatur), der Arme und unteren Extremitäten. Aufgrund der starken Begrenztheit der Symptome auf die bulbäre Region, kann die Diagnosestellung dieser speziellen Verlaufsform der ALS schwierig sein und verzögert erfolgen. Weniger als 5 % aller Menschen mit ALS zeigen den Krankheitsverlauf einer progressiven Bulbärparalyse.

      V Fragen zur Demenz bei der ALS

      49 Gibt es eine ALS-Demenz?

      Die ALS kann mit einer Demenz verbunden sein. Bei 5–10 % aller ALS-Patienten tritt neben den motorischen Symptomen eine Verhaltensänderung, eine Einschränkung kognitiver Funktionen oder eine Sprachstörung auf. Die Symptome werden durch eine Frontotemporale Lobärdegeneration (FTLD) verursacht, die in Kombination mit einer ALS auftreten kann (image Frage 50).

      Die FTLD ist eine neurodegenerative Erkrankung, die allein oder in Verbindung mit der ALS auftreten kann. Bei der FTLD kommt es zu einer Degeneration des Frontal- und Temporallappens (Stirn- und Schläfenregion) des Gehirns, in denen insbesondere Verhaltens- und Sprachfunktionen des Menschen reguliert werden. 5–10 % aller ALS-Patienten sind – in Kombination mit der ALS – an einer FTLD erkrankt. Die Krankheitsmechanismen zwischen ALS und FTLD zeigen große Übereinstimmungen. Bei beiden Erkrankungen kann eine schädliche Anreicherung des Proteins TDP-43 nachgewiesen werden. Die FTLD kann sich sehr unterschiedlich darstellen: Bei einer Gruppe von Patienten kommt es zu einer Frontotemporalen Demenz (FTD), die durch eine Wesensänderung und Verhaltensauffälligkeiten charakterisiert ist. Die FTD kann vor den motorischen ALS Symptomen oder erst im späteren Krankheitsverlauf der ALS hinzutreten. Eine weitere Form der FTLD betrifft überwiegend die Sprachfunktion. Die Betroffenen erfahren langsam-fortschreitende Einschränkungen, flüssig zu sprechen oder die geeigneten Worte zu finden (primäre progressive Aphasie, PPA). Das Auftreten einer FTLD (in Form von FTD oder PPA) erfordert eine besondere Berücksichtigung in der ALS-Behandlung, da verschiedene therapeutische Maßnahmen durch die FTLD erschwert werden.

      Die FTD ist eine Form der Demenz, die in Verbindung mit der ALS auftreten kann. Die Verbindung von ALS mit FTD betrifft 5–10 % aller Menschen mit ALS. Der Begriff der »Demenz« wird (außerhalb medizinischer Fachkreise) zumeist mit einem »Gedächtnisverlust« gleichgesetzt. Richtig ist, dass der Demenzbegriff breiter zu verstehen ist und die generelle Abnahme von Hirnleistungen (nicht nur des Gedächtnisses) bedeutet. Die FTD ist eine Form der Demenz, bei der die Gedächtnisfunktion gut erhalten sein kann, aber in jedem Fall eine Wesens- und Verhaltensänderung vorliegt. So kommt es zu einer Enthemmung (Disinhibition), die zu Verhaltensauffälligkeiten führen kann. Durch die Enthemmung können eine Distanz- und Maßlosigkeit und eine Störung des Sozialverhaltens entstehen. Der Antrieb kann gesteigert sein – bis zur Getriebenheit und Unruhe. Anderseits ist auch ein Antriebs- und Interessenverlust möglich. Auch die Planung und Durchführung von Handlungen (»exekutive« Leistungen) können reduziert sein. In der Folge kann eine Ratlosigkeit und Einschränkung des praktischen Handelns entstehen (»dysexekutives Syndrom«).

      52 Wie häufig ist die FTD bei der ALS?

      Die FTD ist bei 5–10 % aller Menschen mit ALS nachweisbar. Eine FTD, vor allem bei einer geringeren Ausprägung, können bei einer zusätzlichen ALS-bedingten Sprechstörung schwierig zu diagnostizieren sein. Möglicherweise ist der Anteil von ALS-Patienten mit Symptomen im Spektrum der FTD höher als in der Vergangenheit beschrieben wurde.

      53 Gibt es besondere Risiken für eine FTD?

      In seltenen Konstellationen liegt eine familiäre ALS vor, bei der einige Familienmitglieder mit einer FTD, aber nicht mit einer ALS erkrankt sind. Auch in dieser Konstellation liegt ein erhöhtes Risiko einer ALS vor (allein oder in Kombination mit einer FTD). Patienten mit einem bulbären Erkrankungsbeginn (Beginn der ALS mit einer Sprech- und Schluckstörung) und einer überwiegenden Betroffenheit der motorischen Nervenzellen des Gehirns (erstes motorische Neuron) zeigen ein erhöhtes Risiko einer begleitenden FTD.

      54 Wie ist eine FTD erkennbar?

      Die FTD (image Frage 51) kann sich durch sehr unterschiedliche Symptome darstellen. Im Vordergrund steht eine Wesens- und Verhaltensänderung, die sich zumeist mit einer gewissen Distanzlosigkeit und anderen Enthemmungsphänomen darstellt. So kann eine Person, die zuvor durch Zurückhaltung gekennzeichnet war, zu einer Dominanz und Unangemessenheit im sozialen Kontakt neigen. Regeln der sozialen Rücksichtnahme können gebrochen werden. Weitere Merkmale der FTD beinhalten eine Antriebssteigerung (Unruhe) oder gegenteilige Phänomene eines Antriebs- und Interessenverlustes. Weitere Symptome sind Gereiztheit, Übellaunigkeit und Aggressivität.

      55 Gibt es einen Test für die FTD?

      Die Diagnosestellung einer FTD (image Frage 51) beruht auf dem neurologischen Untersuchungsbefund, der Krankengeschichte (Anamnese) durch die Patienten selbst und Angehörige (Fremdanamnese) sowie auf den Ergebnissen einer neuropsychologischen Testung. In der Neuropsychologie wurden standardisierte Testverfahren etabliert, mit denen typische Symptome der FTD nachgewiesen werden. Der Biomarker NF-L (image Frage 33) kann bei Patienten mit ALS in Verbindung mit FTD besonders erhöht sein. In bestimmten Konstellationen kann auch die Magnetresonanztomografie (MRT) des Gehirns einen Substanzverlust des


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