Treacherous Love. Jana ReedsЧитать онлайн книгу.
Art Verbündeten gefunden. Jemanden, der mit Dylan ebenso seine Probleme hatte wie ich. Auch wenn ich ihm nicht erzählt hatte, was zwischen Dylan und mir vorgefallen war, spürte ich seinen Rückhalt und seine Anerkennung für meinen Job. Während der gestrigen Teambesprechung hatte er mir mehrmals aufmunternde Blicke zugeworfen, die ich dankbar lächelnd erwidert hatte. Meine Übelkeit war verschwunden – ob es an diesen geheimnisvollen Kräutertropfen oder an den verständnisvollen Worten lag, war mir herzlich egal. Beim Abendessen hatte sich Juan zu mir gesetzt und wir hatten uns entspannt unterhalten. Er war wirklich nett, auch wenn er manchmal ein wenig überdreht wirkte. Und er provozierte gern – am liebsten Dylan, so viel hatte ich in den letzten Tagen ja bereits mitbekommen.
Heute war ich das erste Mal im Computerraum und beobachtete die Taucher und den Roboter bei der Arbeit. Hoch konzentriert saß Fabio vor einem großen Bildschirm, tippte auf einer Tastatur herum und bediente eine Art Joystick. Steuerte er damit den Tauchroboter? Ich hatte keine Ahnung. Zufrieden erkannte ich, dass diese Saugvorrichtung nicht zum Einsatz kam. Immerhin … Meine Worte waren angekommen.
Fasziniert stand ich hinter Fabio und schaute ihm über die Schulter, während er mir erklärte, was auf dem Bildschirm zu erkennen war. Es dauerte eine Weile, bis meine Augen sich an das seltsame Bild gewöhnt hatten und ich Muscheln und Steine unterscheiden konnte. Doch trotz aller Bemühungen konnte ich bei einer Unebenheit auf dem Meeresgrund nicht erkennen, ob es eine naturgegebene Formation war oder ob unter dem Sand etwas verborgen zu sein schien. Für mich sah das alles ziemlich gleich aus. Aber gut, es war ja auch nicht mein Job, dort etwas zu entdecken.
Nach einer knappen halben Stunde streckte sich Fabio und rieb sich mit einer Hand über die Augen. „So, Pause. Ich brauche erst mal einen Kaffee. Wenn man zu lange draufstarrt, sieht man irgendwann gar nichts mehr. Kommst du mit mir hoch? Oder willst du Dylan und Juan zuschauen? Die dürften mittlerweile unten sein.“ Er deutete auf eine weitere Reihe von Bildschirmen. „Da drüben, an diesen Computern musst du dich einloggen, um die zwei zu sehen. Nach Lous Unfall hat Tyler aufgerüstet, jetzt kann man auch direkt mit den Tauchern unten sprechen.“
Bei der Vorstellung, den beiden Männern bei der Arbeit zuzuschauen, flatterte etwas in meinem Bauch. „Ich bleibe gern hier und sehe ein bisschen zu.“
„Alles klar. Bis später!“ Damit verschwand Fabio und ließ mich im PC-Raum allein. Ich schaltete einen der Computer ein und nahm die Verbindung zu den Unterwasserkameras auf. Anscheinend hatte ich mich in die Helmkamera von Juan geklickt, denn ich erkannte Dylan, der gerade vorsichtig ein wenig Sand am Grund des Meeres beiseiteschob. Beinahe zärtlich strich er über eine raue Oberfläche, als wollte er sie streicheln. Bei diesem Anblick wurde mir heiß und kalt zugleich. Erinnerungen an diese eine Nacht kamen in mir auf, und fast fühlte es sich an, als wäre es meine Haut, die er sanft berührte.
„Alter, wir sind hier nicht zum Muschelnsammeln.“ Juans Stimme, die so klar über die Lautsprecher des Computers zu hören war, holte mich in die Gegenwart zurück. Dylan zeigte Juan einen behandschuhten Mittelfinger, dann schwamm er ein paar Meter weiter. Irgendwie konnte ich über das Mikrofon mit den beiden sprechen, doch ich wusste noch nicht, wie es funktionierte, daher beließ ich es dabei, weiter nur still zu beobachten. Mehrmals verharrte einer der beiden an einer Stelle und untersuchte sie näher. Jedes Mal, wenn ich bemerkte, dass etwas ihre Aufmerksamkeit erregte, spürte ich, wie die Nervosität mich ergriff. Ich hielt den Atem an und wartete regelrecht darauf, dass einer der beiden etwas fand. Bitte, nur eine klitzekleine Kleinigkeit, die auf die gesunkene Galeone hinwies.
Immer mehr packte mich die Aufregung und fühlte sich an wie ein Rausch. Auch wenn ich jederzeit die archäologischen Blickpunkte im Kopf hatte und darauf achtete, wie sorgsam und bedacht sie vorgingen, konnte ich allmählich doch nachvollziehen, warum Tyler, Dylan und Lou dieser Schatzsuche verfallen waren. Auch ich stellte mir bereits vor, wie es wohl wäre, einen Goldschatz zu bergen. Das Geld interessierte mich nicht, ich würde es einem Museum übergeben und meine berufliche Zukunft wäre damit gesichert. Ich könnte weitere Schiffsbergungen leiten oder Ausgrabungen, ich wäre innerhalb kürzester Zeit eine der bekanntesten Archäologen weltweit, denn dieses Projekt würde überall für Schlagzeilen sorgen. Ich könnte Berichte schreiben, Abhandlungen über das Vorgehen. Selbst eine Professur an einer der renommiertesten Universitäten Amerikas wäre nicht auszuschließen. Während ich weiter vor mich hin träumte, ließ ich den Blick nicht von Dylan. Schaute zu, wie er immer und immer wieder sanft mit der Handfläche über den Meeresboden glitt.
„Es ist schon faszinierend, oder?“ Ich drehte mich herum und entdeckte Tylers Mom Ellen, die auf mich zukam und sich neben mich setzte.
„Wir haben uns noch gar nicht wirklich kennengelernt. Mal abgesehen von der kurzen Vorstellungsrunde.“
„Ja, das stimmt. Ellen, richtig?“
Die Frau strahlte mich an, als ich mich an ihren Namen erinnerte. „Du bist gut! Bei so vielen neuen Menschen und Eindrücken hier hätte ich nicht gedacht, dass du noch weißt, wie ich heiße.“ Sie zwinkerte mir amüsiert zu und ich erwiderte ihr Lächeln.
„Es gibt hier an Bord nur zwei Frauen – abgesehen von mir und den Zimmermädchen. Die eine davon ist meine beste Freundin, da war es zum Glück nicht so schwer, mir den anderen Namen zu merken.“
Ellen lachte auf. „Stimmt! Es hat tatsächlich so einige Vorteile, zwischen den vielen Männern in der Unterzahl zu sein. Und sich die Namen merken zu können, ist nur ein sehr kleiner davon …“ Vielsagend schaute sie mich an. Ich verstand nicht, was sie meinte, und erwiderte fragend ihren Blick.
„Ich muss gestehen, ich hab dich einen Moment beobachtet. Du sahst so hingerissen aus, wie du auf den Bildschirm gestarrt hast, dass ich dich nicht stören wollte.“ Sie schaute auf die Unterwasserwelt, die sich vor unseren Augen befand. „Juan? Oder Dylan?“, fragte sie dann, ohne den Blick vom Monitor zu nehmen.
„Ich … Ähm … Wie kommst du denn darauf?“, fragte ich und fühlte mich ertappt. Na großartig! Wenn eine Fremde allein durch ein paar Minuten Beobachten bemerkte, was in mir vorging, wie konnte es Dylan – oder geschweige denn Lou! – entgehen. Ganz sicher nicht. Meine beste Freundin kannte mich besser als jeder andere und hatte mich in den letzten Wochen mehrfach auf das miese Verhältnis zwischen ihrem Bruder und mir angesprochen. Bisher konnte ich immer abwiegeln und behaupten, da wäre nichts, doch wenn selbst Ellen es erkannte …
„Keine Sorge, Marli, dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben! Ich werde es niemandem erzählen oder mich gar einmischen. Egal, wer von ihnen es dir angetan hat, sie sind beide nicht zu verachten. Und abgesehen davon bin ich eine gute Beobachterin und habe reichlich Lebenserfahrung.“ Beruhigend strich sie mir über den Arm. „Ich wollte dich nicht in die Bredouille bringen, aber falls du mal das Bedürfnis hast, mit jemandem zu reden, bin ich da.“
Erstaunt schaute ich Ellen an.
Ich kannte die Frau gerade erst ein paar Minuten, und sie bot mir an, mit ihr über meine Männerprobleme zu reden? Wer war sie? Meine Therapeutin?
Mein Blick musste Bände sprechen, denn sie lachte auf. „Schau doch nicht wie ein Reh vor dem Scheinwerferlicht. Wir sind hier, wie du bereits festgestellt hast, deutlich in der Unterzahl. Wir Mädels müssen zusammenhalten. Und ich kann dir sagen, auch wenn die Jacht anfangs groß und geräumig wirkt – nach ein paar Wochen mit immer denselben Gesichtern kommt sie dir winzig vor. Da ist es gut, sich auf allen Ebenen auszutauschen, ansonsten droht dir der Lagerkoller. Außerdem kann ich gut verstehen, dass das etwas ist, worüber du mit Lou nicht reden magst – zumindest falls es um Dylan geht. Immerhin ist er ihr Bruder.“
Ich seufzte. „Ja, du hast recht. Ich will wirklich nicht, dass Lou sich zwischen die Stühle gedrängt fühlt.“
Ein wissendes Grinsen breitete sich über Ellens Gesicht aus, und in dem Moment wurde mir klar, dass ich mich selbst verraten hatte.
„Wir verstehen uns einfach nicht mehr. Dylan und ich. Und Lou macht sich so schon Gedanken. Früher war das anders, wir hatten ein tolles Verhältnis zueinander, aber … Na ja, es ist schwierig.“ Ich sah wieder auf den Bildschirm. Kurz zuckte ich zusammen, als Dylan mir direkt in die Augen