Memoiren eines Barons I. Gustav SchillingЧитать онлайн книгу.
und eine Näherin sorgten dafür, daß dieses Mädchen makellos elegant gekleidet wurde. Danach liebte der alte Baron dieses Mädchen so lange, bis er ein anderes fand, das ihm noch besser gefiel.
Aber wenn er einer seiner Geliebten überdrüssig geworden war, so verstieß er sie niemals, ohne sie ausreichend zu entschädigen. Jede bekam eine stattliche Mitgift, deren Höhe sich jeweils danach richtete, welches Ausmaß an Entzücken er bei ihr gefunden hatte. So mancher Arzt, Schullehrer oder Steuereinnehmer war recht wohlhabend geworden, nur weil er eins der kleinen Mündel des Barons geheiratet hatte. Als Mündel bezeichnete er seine entthronten Geliebten. Eines Tages besuchte der alte Baron eine gewisse Stadt und bekam dort die Tochter des Barbiers zu Gesicht. Er sah, daß sie sehr schön war. Sofort schickte er seinen Kammerdiener los. Dieser Bote kehrte niemals erfolglos zurück. Er versagte auch diesmal nicht.
Die scheue Tochter des Barbiers besuchte den alten Baron bei Anbruch der Abenddämmerung und kehrte erst mehrere Stunden später zurück, schwer mit allerlei Geschenken beladen.
Nach zehn Wochen erhielt der alte Baron einen Brief von diesem armen Mädchen. Darin schilderte es, so gut es konnte, die Angst vor dem gestrengen Vater, falls dieser etwas von der leichten Veränderung in ihrem Zustand bemerkte.
Der alte Baron schickte nach dem alten Mann und versüßte ihm die bittere Pille durch angemessene Vergoldung. Anfangs tobte und wütete der alte Mann zwar noch, aber er beruhigte sich sehr schnell wieder, als der Baron ihm eine Mitgift von zweitausend Talern für die Tochter versprach und sich außerdem bereiterklärte, für Unterhalt und Erziehung des Kindes aufzukommen.
Soviel also über meinen Vater und meine Mutter.
Der alte Baron hielt sein Wort. Ich erhielt eine Erziehung und Bildung in der Stadt, wie es für seinen einzigen Sohn gar nicht besser hätte sein können. Keiner meiner Lehrer und Erzieher, die ihm Gutes über mich berichteten, kehrte ohne Geschenke zurück. Meine Mutter starb, als ich zehn Jahre alt war.
Der alte Baron hatte großen Gefallen an mir gefunden, und so adoptierte er mich mit fürstlicher Erlaubnis als seinen eigenen Sohn.
Als dies geschah, war ich siebzehn Jahre alt.
Meine Leser haben also einen beachtlichen Sprung gemacht, was meinen Lebensweg betrifft, und ich glaube nicht, daß sich irgendjemand dabei in irgendeiner Weise wehgetan hat.
Man behauptet, daß die meisten Kinder, die einer zufälligen Umarmung ihre Existenz verdanken, heißeres Blut und zartere, empfindsamere Nerven hätten. Auch sollen sie für alle Eindrücke und was weiß ich sonst noch, viel empfänglicher sein.
Doch wie dem auch sei, ich muß zugeben, daß ich aus der Art, wie meine Mutter mich empfangen hat, eine gehörige Portion Leidenschaft mit auf den Weg bekommen habe. Schon in sehr jungen Jahren wurde ich mir des Feuers in meinen Adern bewußt. Ich empfand eine seltsame Unrast in der Brust. Dies alles bescherte mir so manche unbehagliche Stunde. Ich liebte es, in die Augen schöner Mädchen zu schauen. Noch lieber war es mir, wenn ich die Hände eines Mädchens halten durfte. Doch die größte Freude bereitete es mir, wenn ich, falls sich gerade eine günstige Gelegenheit bot, ein Mädchen auf die Wangen oder – noch besser! – auf den Mund küssen konnte. Eine solche Gelegenheit ließ ich niemals ungenutzt verstreichen. Die Beschleunigung meines Herzschlages, dieses Zusammenkrampfen meiner Brust, das Anschwellen all meiner Muskeln und die Vibrationen, die meinen Körper durchpulsten, waren viel zu angenehme Erlebnisse für mich, als daß ich eine Gelegenheit, auch nicht die geringste, auslassen konnte, wenn ich mir davon eins dieser Gefühle versprechen durfte.
Ich hatte weder strenge Aufseher noch schlecht gelaunte Lehrer und Erzieher. Bedenkt man dazu mein gutes Aussehen, mein heiteres, sorgloses Wesen, meinen unbestreitbaren Charme, wie hätte ich da nicht des öfteren solche Gelegenheiten finden sollen?
2
Ich war siebzehn Jahre alt, als mein Vater mich offiziell adoptierte. Dieses Ereignis wurde eine Woche lang gefeiert. Viele Freunde vom benachbarten Adel waren anwesend. Mochten sie sich auch noch so sehr darüber ärgern, daß die Geliebte meines Vaters einen Platz an seinem Tisch hatte, als wäre sie seine rechtmäßige Ehefrau . . . niemand dachte daran, die Einladung zu dieser Feier auszuschlagen, denn nirgendwo in dieser Gegend war der Tisch so reichhaltig gedeckt, waren die Weine so köstlich, die Musik so schön wie im Herrenhaus des alten Barons.
Ich hatte einen sehr angenehmen Tag verbracht, mit den jungen Damen gescherzt und mir mehr als ein Dutzend kleiner Küsse verdient. Ich hatte auch ein, zwei Glas Wein mehr getrunken als üblich. War es da sonderlich überraschend, daß mein Blut ungewöhnlich fieberte, als ich in mein Schlafzimmer ging? Daß ich mich stundenlang unruhig herumwarf und im Bett wälzte, ohne einschlafen zu können?
Meine Schlafunterkünfte befanden sich neben denen meines Vaters und waren nur durch eine dünne Wand davon getrennt.
Ich konnte meinen Vater reden hören.
„Du läßt dir aber sehr viel Zeit, Lilla!“
“Hier muß ich noch mitteilen, daß mein Vater die Angewohnheit hatte, seiner jeweiligen Geliebten einen Namen zu geben, den er für passend hielt. Die Frau, der er diesmal seine Gunst geschenkt hatte, hieß Lilla. Jedenfalls wurde sie so gerufen.
Als ich die Stimme meines Vaters so klar und deutlich hörte, stand ich von meinem Bett auf. Plötzlich fiel mir ein dünner Lichtstreifen auf dem Fußboden meines Schlafzimmers auf. Ich sah, daß die Verbindungstür einen Spalt offen war. Lautlos schlich ich mich näher an die Tür heran, bis ich durch die Öffnung gerade das Bett meines Vaters sehen konnte. Ein klein wenig nach links gab es einen großen Spiegel, an dessen beiden Längsseiten Wandleuchter angebracht waren, in denen Kerzen brannten. Auch diesen Spiegel konnte ich sehr gut sehen.
Ich war von Angst und böser Vorahnung erfüllt. Meine Beine drohten den Dienst zu versagen und unter mir zusammenzuknicken. Schließlich fiel ich auf die Knie und blieb vor der Türöffnung hocken, als wäre ich auf dem Fußboden festgenagelt.
Lilla kam herein und ging auf die Tür zu. Sie war mit einem schlichten, weißen Gewand bekleidet. Jetzt löste sie die Nadeln aus dem Haar, das in langen Wellen auf ihre Schultern herabfiel.
„Ich mußte mich doch erst ausziehen“, sagte sie.
Der Baron, der ein Nachthemd anhatte, ging zu ihr, legte einen Arm um ihren Nacken und küßte sie.
„Und dann hast du dich wieder so sorgfältig angezogen, als wolltest du zum Tanz und nicht ins Bett gehen“, scherzte der Baron.
„Erwartest du das denn nicht von deiner Lilla?“
„Doch nur, damit ich dich wieder ausziehen kann.“
Während er dies sagte, ließ er seiner Ankündigung sogleich die Tat folgen. Das Gewand glitt leise raschelnd zu Boden.
Jetzt stand Lilla fast nackt, und ihre Reize wurden kaum von einem sehr kleinen Hemdchen verborgen. Mir verschlug dieser Anblick den Atem.
Lilla kehrte der Tür und damit auch mir den Rücken zu, warf beide Arme um den Nacken meines Vaters und schmiegte sich ihm geschmeidig an. Die beiden küßten sich voller Leidenschaft. Ich hörte ihren keuchenden Atem. Dies alles beeindruckte mich sehr und ließ mich wie angewurzelt verharren.
Jetzt ließ Lilla die Arme sinken.
Als das spärliche Hemdchen nun auch zu Boden fiel, verlor ich vollkommen das Bewußtsein.
Meine Leser müssen mir glauben, daß ich tatsächlich bewußtlos geworden war. Allerdings vermag ich nicht zu sagen, wie lange dies angehalten hat.
Als ich wieder zu mir kam, sah ich, daß mein Vater auf seinem Bett ruhte. Seine rechte Hand war sehr beschäftigt.
Ich war neugierig. Deshalb drückte ich sachte gegen die Tür. Zu meiner größten Zufriedenheit öffnete sie sich lautlos.
Lilla lag auf dem Rücken und hatte beide Beine hoch in die Luft gestreckt. Die Hand meines Vaters spielte ihr an einem gewissen Körperteil.
Jetzt richtete er sich auf und legte