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und wettergrün blickten. Es war, als spräche er zu einer der grauen Säulen: »Hat es wohl hier schon einmal ein so schönes Herz gegeben, oder seid ihr darum immer noch eine liebe und geliebte Heimat, weil solche Herzen hier in Zeiten gewachsen sind?« – – –
Rosmarie begrüßt ihre Eltern errötend und glückselig unter dem Portal. Sogar Mama umarmt sie mit so viel Freude und Innigkeit, daß die Fürstin ganz erstaunt ist.
»Gott, wie zärtlich, Rosmarie, das bin ich ja gar nicht gewöhnt.« Und sie ist sehr gnädig und macht gar keine Einwendungen, als die Feier besprochen wird. Rosmarie darf jeder ihrer Mitkonfirmandinnen ein kleines goldenes Medaillon an goldener Kette schenken mit ihrem Namenszug. Zu dem Diner soll nur der Herr Stiftsprediger und der Thorsteiner eingeladen werden. Der Thorsteiner wird ja den ganzen Sommer abwesend sein, so ist das auch ein Abschied. Sie sind beim Essen, wie das beredet wird. Die Fürstin hatte eine Rose aus der vor ihr stehenden Kristallvase gezogen und hielt sie dann wie probend an den Ausschnitt ihres lachsfarbenen Kleides. Und nun schaut sie plötzlich auf Rosmaries blasses Gesicht und ihren zuckenden Mund, sie lächelt ein wenig und nestelt die Blume in ihren Spitzen fest.
»Der Ruinengraf in Paris! Ein unvollziehbarer Gedanke. Nun, ich mag es ihm gönnen nach seiner langen Waldmenschenzeit. Ich möchte ihn sehen, wie er sich in Paris amüsiert. Warum runzelst du die Stirne, Fried, oder wäre es wohl unpassend zu sehen, wie er sich amüsiert? Gott, es ist ihm zu gönnen. Er ist doch ein Künstler. Und hat so lange gelebt wie ein Säulenheiliger.«
Rosmaries Wangen werden wieder rot, irgend etwas in Mamas Worten macht sie zornig. Sie sagt:
»Harro geht nach Paris, weil er Modelle braucht und es so schöne Menschen bei uns nicht gibt.«
Die Fürstin lacht hell auf:
»Ach ja, daran wird es in Paris nicht fehlen.«
»Laß das,« ruft der Fürst, »du verwirrst das Kind. Erzähle mir doch von deiner Kirchenstube, Rosmarie! Hast du den Ofen nachlegen dürfen?«
»O nein, Papa, ich hätte es doch nur schlecht gemacht.«
Sie versucht zu erzählen, aber es klingt matt, und der Fürst hebt bald die Tafel auf, die schöne Stimmung ist doch irgendwie vergangen.
Wie schnell fliegen nun die Tage. Harro ist in letzter Zeit nicht dagewesen, er ist kein Freund vom Abschiednehmen. Die Einladung des Fürsten hat er angenommen, und Frau von Hardenstein hat einen Brief von ihm erhalten:
»Ich werde sogar in die Kirche kommen, was ich mir hoch anzurechnen bitte, denn die ganze Situation ist mir sehr fatal. Für andere Kinder mag ja dieses öffentliche Hersagen und Versprechen einer Sache, die sie nicht zu halten gedenken – gar nicht halten können, denn sie sind zu jung, um über sich zu entscheiden, – recht sein. Nun, die hohe Geistlichkeit mag es verantworten. – Aber das Seelchen. – Es denkt ja leider viel zu viel, und das Denken ist allemal ein Unglück. Und dann das Maschinenmäßige der ganzen Sache! So eins ums andere! Ich habe die schrecklichste Erinnerung an meine Konfirmation. Es gab ein Festmahl, und an jedem Bissen mußte ich würgen. Ich hatte zum ersten Male lange Hosen an und ein blaues, scheußliches Röckchen, und mein freigeborener Hals war in einen steifen Kragen eingezwängt. Ich schämte mich entsetzlich, aber schließlich mußte ich mich in das leere Kastenzimmer flüchten, wo allerhand Tortenreste und halbgeleerte Flaschen, die sich irgendein dienstbarer Geist daher geflüchtet haben mochte, ein anmutiges Stilleben bildeten. Dort saß ich auf einem von Vaters alten Helmkoffern und heulte wie ein junger Hund, trotz meiner langen Hosen. Also, liebste Frau Mutter, wenn es eine Quälerei gibt, so reiße ich aus, das kann ich bei dem Seelchen nicht mit ansehen. Und bitte noch eins. Bereiten Sie Rosmarie darauf vor, daß ich am Montag abreise und mich jedenfalls am Sonntag von ihr verabschiede. Wie Sie es machen wollen, Frau Mutter, ob Sie es das Seelchen am Ende gar nicht wissen lassen, und ich ohne letzte Szene in die Versenkung verschwinde, oder nicht, das überlasse ich Ihrer gütigen Weisheit. Was Sie aber beschließen, lassen Sie mich bitte wissen.«
»Nein, das geht nicht, Harro... So leicht machen wir es Ihnen nicht ...« flüstert Frau von Hardenstein vor sich hin. »Das würde das Kind nie verzeihen. Arme Rosmarie ... Er hat recht. Er muß gehen.« –
Vierzehntes Kapitel.
Von der Asphodeloswiese
Der große Tag ist gekommen. Harro steht auf der Empore der Stiftskirche, eines Hauptes höher als alles Volk. Er ist sehr ernst und sieht mit seinen grauen Falkenaugen nach der reinen, zarten, weißen Gestalt unter den anderen schwarzgekleideten Kindern. Der Fürst steht auf seiner in den gotischen Chor eingebauten Empore, der ehemaligen Herrschaftslaube an dem schmalen Fenster, und sieht hinunter auf seine junge Tochter. Wie eine zarte schwanke Lilie steht sie da, und nun senkt sie ihren goldenen Kopf unter der Hand ihres Lehrers. Ein Zittern läuft durch die feine Gestalt. Harros Augen haben es auch gesehen und ein zorniger Blitz schlägt aus ihnen, er ballt seine Hände.
»Quälerei – warum können sie das Kind nicht lassen, es ist wahrhaftig fromm genug.«
Gottlob, sie kann wieder aufstehen und schneeweiß an ihren Platz gehen.
Harro bereut in fliegender Eile verschiedenes. Daß er da ist, daß er nicht vorher abgereist ist, daß er den heutigen Tag zum Abschied gewählt hat. Vor dem Kirchenportal drängt sich groß und klein, Kinder und Eltern, Rosmaries Mitschülerinnen, sie wollen die Herrschaften einsteigen sehen. Ach wie fern ist sie ihnen geworden ... Es legt ihr ein Diener den weißen Mantel um, sie sitzt neben der Fürstin, der Fürst sitzt auf dem Rücksitz. Sie grüßt noch sehr freundlich, es ist aber doch anders als sonst. Die Pferde ziehen an. Ja, da wird sie rot, sie beugt sich vor.
»Vater, Harro ist da, nimmst du ihn nicht mit in den Wagen?«
»Nein, Rosmarie, wir sehen ihn nachher.« Mama lächelt ein wenig und sagt: »Gewiß, es hätte sich sehr hübsch gemacht,« und der Wagen rollt weiter ...
In das Empfangszimmer kommen alle Schloßherren und der Herr Hofrat. Und Rosmarie muß sich daran gewöhnen, daß wirklich sie gemeint ist, wenn sie »Durchlaucht« angeredet wird. Schön ist es nicht. O nein. Zum Glück sagt der Herr Stiftsprediger, der später neben ihr an der Tafel sitzt, noch Rosmarie. Harros Platz ist neben der Fürstin. Die Tafel ist breit, nur hier und da hört Rosmarie das Wort: Paris ... Sie ist müde, sie hat heute zu viel erlebt, und der Tag ist lange noch nicht zu Ende. Und Harro, der durch das große mittlere Tafelstück hindurch hier und da das blasse Goldhaar sieht, denkt: Es ist doch gut, daß es heut zu Ende geht. Das Abschiednehmen ist etwas Entsetzliches und muß besser schnell und vor allen Leuten gemacht werden. Der Teufel hol die Sentimentalität! Wäre ich allein mit der guten Frau Mutter und dem Kinde, es wäre nicht durchzumachen. Schon die Fragen allein ...
»Gewiß, Durchlaucht, Versailles ist eine richtige Prachtwüste, außerordentlich melancholisch, besonders an Regentagen ... die große Oper, man verwechselt sie immer mit der Madeleinekirche: oder war's die Börse ...«
»Sie verwechseln schon zum zweiten Male die Madeleinekirche mit etwas anderem ... ich glaube, daß Sie sehr zerstreut sind, Graf Thorstein.« schmollt die Fürstin. »Ihre Gedanken sind schon ganz in Paris.«
Auch dieses Diner hat glücklicherweise ein Ende. Nachher ist ein klein wenig Herumstehens mit den Kaffeetassen – dann verabschiedet sich alles, und Harro denkt: Nun habe ich richtig kein Wort mehr als meine gemurmelten Wünsche ... Aber da faßt ihn der Fürst am Arm.
»Die Sonne ist so herrlich, ein wahrer Frühlingstag, wir wollen noch einmal ums Schloß gehen, oder lieber auf der Sonnenseite auf und ab. Machen Sie uns noch einmal die Freude, wir werden Sie jetzt lange nicht sehen.« Harro verneigt sich stumm. Die Fürstin, obgleich sie sehr müde zu sein behauptet, wird wieder munter und hat auch ein großes Verlangen nach Sonnenschein. Sie geht neben Harro, der Fürst führt seine junge Tochter am Arm.
»Ich muß mein großes Kind heute noch einen Augenblick neben mir haben.«
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