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Weihnachts-Klassiker für alle Generationen: 280 Romane, Sagen, Märchen & Gedichte. Martin LutherЧитать онлайн книгу.

Weihnachts-Klassiker für alle Generationen: 280 Romane, Sagen, Märchen & Gedichte - Martin Luther


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schleichen, ist eine Qual.

      Und schwer genug ist es gewesen, ihrem Vater das Versprechen abzuringen, daß er mit Harro reden will; so wagt sie es nicht, ihn durch Erinnern daran zu betrüben.

      Miß Granger muß auch besorgt werden. In eine Heilanstalt, wo sie von ihrem schweren Leiden, das sie in ihrem durch lange Heimatlosigkeit und Dienstbarkeit zermürbten Leben überfallen hat, geheilt werden kann. Wohl zuerst nur ein wenig Vergessenheit, – bis die Last immer schwerer wird und keine morgendlichen Reu- und Bußtränen den abendlichen Taumel verhindern können. Und Rosmarie hat auch ein leises Schuldgefühl gegen Miß Granger in ihrem feinen Herzen. Sie hätte die Arme nicht so ohne Hilfe hinuntergleiten lassen sollen. Sie erreicht auch, daß für sie gesorgt wird und daß man ihr all die Dinge läßt, die sie in Angst vor dem immer näher heranschreitenden Unheil von Rosmarie erbeutet hat. –

      Wenn der Fürst unruhige und ängstliche Tage verbringt, so geht es Harro nicht besser. Er hat sich in Rosmaries Kunstwerk hineingesehen, bis ihm von all den Dornen das Herz geblutet hat. Und immer ferner steht die Hoffnung am Horizont, daß er irgend etwas wird bessern können. Als Rosmaries Brief zurückkam, hat ihn nur die Geschichte jener Gewitternacht überrascht. Das andere haben ihm die Rosen auf dem weißen Grunde alles erzählt. Und aus dem Brief schlägt ihm ein so felsenfestes Vertrauen entgegen und immer dies selbe Gefühl für seine Kunst, die sie in all ihrer Not nicht vergißt.

      Und sie hat ja fast Unmögliches von ihm gefordert. Harro wendet die Sache in hundert imaginären Gesprächen mit dem Fürsten hin und her, bis ihm der Kopf davon brennt und eine müde Trostlosigkeit sich seiner bemächtigt.

      An die Ereignisse jener Nacht nur zu rühren verbietet ihm sein Zartgefühl. Es wäre da ja auch manches zu sagen. Zum Beispiel, warum Rosmarie nicht Fräulein Bergmann holte. Aber damit befindet er sich zwischen zwei Ehegatten als Mitwisser ihrer tiefsten Geheimnisse. Wenn er jetzt doch so weit wäre, daß der Fürst ihn mit gewohnter Liebenswürdigkeit nach seiner Gemahlin fragen könnte.

      »Danke, Durchlaucht. Und er wog sieben Pfund und gedeiht ganz prächtig.« Warum hat er seine Zeit nicht besser angewendet, solange sein Herz noch ihm gehörte? Freilich, Rosmarie hätte er dann nicht wiedersehen dürfen. Aber doch ihr beistehen!

      Er richtet sich im Hotel Angst stets auf sofortige Abreise ein. Packt jeden Morgen seine Sachen sorgfältig zusammen, – dann erst wird ihm leichter. So kann er jeden Augenblick abfahren, es gehen ja immer Züge. Schon in San Remo ist er sicher. Bei all dem lernt er die Tapete und jedes Ornament seiner Zimmerdecke auswendig. Und wiegende Palmenkronen und fernes Meeresblinken verbindet sich unlöslich mit dem Gefühl ängstlichen Harrens und Grübelns in seiner Seele.

      Nur abends trägt er seine Unruhe zu dem Herrn Geheimrat und dem verdrossenen Doktor hin. Die wissen ja alles von der Villa Riposa. Der Doktor ist auch zumeist von dem anstrengenden Dienst, den er bei Serenissimus hat, ganz erschöpft. Dreimal am Tag bringt er den Doktor zur Verzweiflung mit seiner Angst und seinem Verlangen nach einem neuen Heilmittel. Sämtliche nur mögliche Heilmethoden muß der Doktor mit ihm durchsprechen. Längst hätte er alle italienischen und englischen Ärzte in Bordighera zu einer Beratung aufgeboten, wenn nicht Rosmarie flehentlich gebeten hätte, daß man sie mit ihrem Doktor allein lasse, der sie so gut verstehe.

      »Sie allein kann den Fürsten ein wenig beruhigen. Wenn sie nun auch aufgeregt würde! Ich brennte durch, Herr Geheimrat ...«

      Heute geht nun ein Landregen herunter mit deutscher Gründlichkeit und südlicher Lebhaftigkeit, über dem Meere liegt eine graue Nebelmasse. Nur die triefenden Palmen sehen munter aus und die Pfefferbäume, die ganz fein beperlt sind. Harro steht am Fenster mit dem Gefühl, daß heute etwas geschehen muß. Unmöglich, den ganzen Tag so hinzubringen. Er will in den englischen Store hinunter und sehen, ob nicht ein paar Schnitzmesser und etwas altes Holz zu haben ist. Er sehnt sich nach dem härtesten, zähen, knastigen, splitterigen Eichenholz.

      Da klopft es. »Herein!« Es ist der Leibjäger des Fürsten, der ihn überall begleitet, ein alter Braunecker, mit einem intelligenten Ledergesicht. »Durchlaucht läßt anfragen, zu welcher Zeit der Herr Graf zu sprechen sei?«

      Harro schießt eine dunkle Röte ins Gesicht.

      »Jederzeit,« will er sagen, besinnt sich aber – nein – noch einmal überlegen.

      »Wenn es Seiner Durchlaucht um elf Uhr passen würde.«

      Also der Fürst will zu ihm kommen. Freilich, in der Villa ist es sehr gehorsam. Rosmarie würde ihn kommen hören und, solange die Unterredung dauert, sich aufs peinlichste absorgen.

      Geschwind sammelt er noch seine Argumente zusammen. – Was er sagen könnte und was – noch viel wichtiger – er um Himmels willen nicht sagen darf!

      Alles umzäunt und umdrahtet. Überall Verbotstafeln. – Wege, die plötzlich aufhören! – Seelchen, du sollst deine Sache selbst führen!

      Der erste Blick auf den Fürsten, wie er nun kommt, genügt, um ihn aufs tiefste zu überzeugen, welch schwierige Aufgabe er vor sich hat. Der Fürst ist gemessen und niedergedrückt. Kaum eine Spur seiner früheren Liebenswürdigkeit. Er sieht aus, als mache er einen Besuch beim Zahnarzt. Notwendig, aber unangenehm. Er setzt sich auch ganz ergeben auf einen der bequemen Korbstühle.

      »Sie haben wenigstens Stühle, auf die man sitzen kann. In der Riposa sucht man vergeblich nach einem, der auf vier gleichen Beinen stünde.«

      Harro erklärt, daß ihm die Behaglichkeit seiner Stühle noch nicht aufgegangen sei, dagegen wolle er die Tapete und das Plafondornament blindlings nachzeichnen.

      Da lächelt der Fürst plötzlich: »Ein greulich unbequemes Nest, dies Bordighera, und das Haus in einem wahren Irr- und Zaubergarten.«

      Aber seine Stimmung ist eine merklich bessere geworden. Also der Thorsteiner hat sich auch abgequält, das gibt doch eine gewisse Gemeinsamkeit. Und auf Harros höfliche Frage:

      »Meiner Tochter geht es noch nicht viel besser. Ich werde nach München um einen Spezialisten telegraphieren, wenn bis morgen keine Besserung eintritt.«

      Harro klopft das Herz bis in die Schläfen. Nun muß er etwas sagen. Sie sind doch nicht zusammengekommen, um über Stühle und Doktoren zu sprechen.

      »Ihre Durchlaucht hat sehr viel durchgemacht und war recht einsam hier.«

      »Sie will sich an niemand anschließen. In Baden gab es Leute genug, meine Schwester hat sich die größte Mühe gegeben, alles umsonst.«

      »Unter einem schweren, tief empfundenen Drucke schließt man sich auch nicht leicht an fremde Jugend an.«

      Harro springt heftig auf, des Fürsten Gesicht ist wie eine Verbotstafel ... Achtung, Vorsicht, kein Weg!

      »Ich möchte Eurer Durchlaucht etwas zeigen, was mir die Prinzessin gegeben hat. Es ist ein Kunstwert und zugleich ein Dokument. Es hat sich ein Herz mit seinem Schicksal auseinander zu setzen versucht.«

      Und Harro holt die Rolle herbei und breitet das Bildwerk auf der Mahagoniplatte aus, die er vorher von ihrer bunten Decke befreit hat. Der Fürst sah ihn äußerst erstaunt an. War er denn hergekommen, Stickereien anzusehen?

      Aber sofort erkannte er an den leuchtenden Farben und den eigentümlichen Linien, daß er eine Arbeit seiner Tochter vor sich habe.

      Harro atmet tief: »Es ist eine große, große Arbeit, und ihre Schönheit spricht für sich selbst. Es sind gewiß Tausende und Tausende von Stichen dazu nötig gewesen.«

      »Sie ist sehr geschickt. Ja, es ist schön. Aber etwas Düsteres hat es doch. Sie nennen es ein Kunstwerk, – Sie müssen das ja wissen – ich finde das schwarze Band in der Mitte seltsam hart.«

      »Durchlaucht, zuerst die Einfassung.

      Die einzelnen Rosenblätter, dunkle samtne, zarte rosige, fröhliche gelbe, warme rote wie junges Blut, sie alle fallen, gleiten, tropfen von den goldenen Herzen und schneien herab auf den Rand. Die eine Rose dort, ein Blättchen scheint sie noch festzuhalten, – aber wenn man genau sieht, so ist sein grünlich weißes Ende auch schon gelöst,


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