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Ausweitung der Kampfzone. Мишель УэльбекЧитать онлайн книгу.

Ausweitung der Kampfzone - Мишель Уэльбек


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Zeiten des Jahres, die der unerbittliche Ablauf des genetischen Programms auf das Genaueste festlegt, vollzieht sich in ihrem Wesen eine erstaunliche Veränderung. Ihr Muhen wird kräftiger und anhaltender, und die harmonische Struktur dieses Muhens verändert sich so sehr, dass es manchmal auf verblüffende Weise an gewisse Klagelaute erinnert, wie sie den Menschenkindern entfahren. Die Bewegungen der Kuh werden schneller, nervöser; mitunter trippelt sie. Sogar ihr Maul, das doch in seiner glänzenden Regelmäßigkeit wie geschaffen schien, um die absolute Dauer einer mineralischen Weisheit widerzuspiegeln, verzieht und verzerrt sich unter der schmerzhaften Wirkung eines übermächtigen Begehrens.

      Des Rätsels Lösung ist sehr einfach, nämlich wie folgt: Der bretonischen Kuh steht der Sinn danach (und sie manifestiert auf diese Weise – der Gerechtigkeit halber sei es gesagt – das einzige Begehren ihres Lebens), ‹sich stopfen zu lassen›, wie es in der zynischen Sprache der Viehzüchter heißt. Die Züchter stopfen die Kuh, auf mehr oder minder direkte Weise; die Spritze der künstlichen Besamung kann, wenn auch um den Preis gewisser emotionaler Komplikationen, zu diesem Zweck den Stierpenis ersetzen. In beiden Fällen beruhigt sich die Kuh und kehrt zu ihrem bedächtig meditativen Urzustand zurück, mit dem einen Unterschied, dass sie ein paar Monate später einem entzückenden Kälbchen das Leben schenken wird. Was, nebenbei gesagt, für den Züchter ein gutes Geschäft ist.«

      Natürlich symbolisierte der Viehzüchter Gott. Von einer irrationalen Zuneigung zum Fohlen getrieben, versprach er diesem schon im nächsten Kapitel die ewige Lust zahlloser Hengste, während die Kuh, der Sünde des Hochmuts schuldig, nach und nach zu den traurigen Freuden der künstlichen Befruchtung verdammt wurde. Das pathetische Muhen des Horntiers erwies sich als ungeeignet, das Urteil des Großen Baumeisters ins Wanken zu bringen. Einer Abordnung von Schafen, die sich solidarisch erklärt hatten, erging es nicht besser. Der in dieser kurzen Erzählung auftretende Gott war, wie man sieht, kein barmherziger Gott.

      Drei

      Die Schwierigkeit ist, dass es nicht genügt, wenn Sie genau den Regeln entsprechend leben. Es gelingt Ihnen ja (wenn auch oft nur ganz knapp, aber alles in allem schaffen Sie es doch), den Regeln entsprechend zu leben. Ihre Steuererklärung ist in Ordnung. Die Rechnungen werden pünktlich bezahlt. Sie gehen nie ohne Personalausweis aus dem Haus (nicht zu vergessen: das kleine Etui für die Scheckkarte ...).

      Trotzdem haben Sie keine Freunde.

      Die Regeln sind komplex und vielfältig. Außerhalb der Arbeitsstunden sind da die Einkäufe, die Sie wohl oder übel erledigen müssen, die Bargeldautomaten, von denen Sie Geld abheben müssen (und vor denen Sie oft Schlange stehen). Vor allem sind da die verschiedenen Zahlungen, die Sie den Institutionen zukommen lassen müssen, die die verschiedenen Aspekte Ihres Lebens verwalten. Zu allem Überfluss können Sie auch noch krank werden, was zusätzliche Kosten und Formalitäten mit sich bringt.

      Dennoch bleibt ein Stück Freizeit übrig. Was tun? Wie sie nützen? Vielleicht sich den Mitmenschen widmen? Aber im Grunde interessieren die Mitmenschen Sie kaum. Platten hören? Das war einmal eine Lösung, aber im Lauf der Jahre mussten Sie einsehen, dass Musik Sie von Mal zu Mal weniger berührt.

      Basteln, im weitesten Sinne, könnte ein Weg sein. Aber in Wahrheit kann nichts die immer häufigere Wiederkehr jener Augenblicke verhindern, in denen Ihre absolute Einsamkeit, das Gefühl einer universellen Leere und die Ahnung, dass Ihre Existenz auf ein schmerzhaftes und endgültiges Desaster zuläuft, Sie in einen Zustand echten Leidens stürzen.

      Trotzdem haben Sie immer noch keine Lust zu sterben.

      Sie haben ein Leben gehabt. Es gab Augenblicke, in denen hatten Sie ein Leben. Natürlich erinnern Sie sich nicht mehr genau daran; aber es gibt Fotografien, die es beweisen. Wahrscheinlich war das in Ihrer Jugendzeit oder ein wenig später. Wie groß war damals Ihr Lebenshunger! Die Existenz schien Ihnen reich an ungeahnten Möglichkeiten. Sie hätten Schlagersänger werden oder nach Venezuela gehen können.

      Was noch überraschender ist, Sie hatten eine Kindheit. Sehen Sie sich ein siebenjähriges Kind an, das mit seinen Spielzeugsoldaten auf dem Wohnzimmerteppich spielt. Bitte sehen Sie aufmerksam hin. Seit der Scheidung hat es keinen Vater mehr. Seine Mutter, die einen wichtigen Posten in einer Kosmetikfirma bekleidet, sieht es eher selten. Trotzdem spielt das Kind mit seinen Miniatursoldaten und bekundet für diese Figuren aus der Welt des Krieges ein lebhaftes Interesse. Sicher, es fehlt ihm bereits ein wenig an Zuneigung; aber wie es sich mit ganzer Seele für die Welt interessiert!

      Auch Sie haben sich für die Welt interessiert. Das ist lange her; versuchen Sie bitte, sich daran zu erinnern. Das Gebiet der Vorschriften hat Ihnen nicht mehr genügt; Sie konnten nicht länger im Gebiet der Vorschriften leben; also mussten Sie in die Kampfzone eindringen. Versetzen Sie sich bitte genau an diesen Zeitpunkt zurück. Es ist lange her, nicht wahr? Erinnern Sie sich: Das Wasser war kalt.

      Jetzt sind Sie weit weg vom Ufer. O ja, wie weit weg Sie vom Ufer sind! Lange Zeit haben Sie an die Existenz eines anderen Ufers geglaubt; jetzt nicht mehr. Trotzdem schwimmen Sie weiter, und jede Ihrer Bewegungen bringt Sie dem Ertrinken näher. Sie bekommen keine Luft mehr, Ihre Lungen brennen. Das Wasser kommt Ihnen immer kälter vor, immer bitterer kommt es Ihnen vor. Sie sind nicht mehr ganz jung. Sie werden sterben, jetzt gleich. Es ist nichts. Ich bin da. Ich lasse Sie nicht fallen. Lesen Sie weiter.

      Erinnern Sie sich noch einmal an Ihr Eindringen in die Kampfzone.

      Die folgenden Seiten bilden einen Roman. Ich verstehe darunter eine Abfolge von kleinen Geschichten, deren Held ich bin. Es ist wirklich nicht eine Entscheidung für einen autobiographischen Stil; so oder so bleibt mir keine andere Wahl. Wenn ich nicht aufschreibe, was ich gesehen habe, werde ich ebenso leiden – vielleicht sogar ein wenig mehr. Nur ein wenig, das will ich betonen. Das Schreiben bringt kaum Erleichterung. Es zieht Linien nach und grenzt ab. Es führt die Spur eines Zusammenhangs ein, eine Ahnung von Realismus. Man watet zwar immer noch in einem blutigen Nebel, doch gibt es wenigstens ein paar Anhaltspunkte. Das Chaos ist nur noch ein paar Meter entfernt. Ein schwaches Ergebnis, schon wahr.

      Welch ein Kontrast zur absoluten, wunderbaren Macht des Lesens! Ein Leben lang nichts als Lesen, das hätte meine Wünsche erfüllt; ich wusste es schon mit sieben Jahren. Die Beschaffenheit der Welt ist schmerzhaft und ungeeignet; ich glaube nicht, dass sich daran etwas ändern lässt. Wirklich, ein mit Lesen ausgefülltes Leben hätte mir besser gepasst.

      Ein solches Leben war mir nicht vergönnt.

      Vor kurzem bin ich dreißig geworden. Nach chaotischem Beginn verlief mein Studium ziemlich erfolgreich; heute bin ich eine mittlere Führungskraft. Als Programmierer in einem EDV-Dienstleistungsbetrieb verdiene ich netto das Zweieinhalbfache vom Mindestlohn; das ist eine ganze Menge Kaufkraft. Im Schoße meiner Firma wird sie mit der Zeit deutlich ansteigen; es sei denn, ich entschließe mich wie viele andere, bei einem unserer Kunden einzusteigen. Im Großen und Ganzen kann ich mit meiner gesellschaftlichen Stellung zufrieden sein. In sexueller Hinsicht dagegen sieht es weniger berauschend aus. Ich habe mehrere Freundinnen gehabt, aber immer nur für kurze Zeit. Da ich nicht besonders schön oder charmant bin und zudem häufig unter Depressionen leide, entspreche ich dem, was die Frauen in erster Linie suchen, nicht im Geringsten. Auch habe ich bei den Frauen, die mir ihre Organe geöffnet haben, immer einen leichten Widerwillen gespürt; im Grunde war ich für sie nicht viel mehr als ein Notbehelf. Nicht gerade ein idealer Ausgangspunkt für eine dauerhafte Beziehung.

      Seit meiner Trennung von Véronique vor zwei Jahren habe ich nicht eine einzige Frau kennengelernt. Die schwachen und inkonsequenten Versuche in dieser Richtung haben bloß zu vorhersehbaren Misserfolgen geführt. Zwei Jahre, das erscheint als eine lange Zeit. Aber in Wirklichkeit vergehen sie, vor allem wenn man arbeitet, sehr schnell. Das wird Ihnen jeder bestätigen: zwei Jahre vergehen sehr schnell.

      Vielleicht sind Sie, geneigter Freund und Leser, ja selbst eine Frau. Das kann schon vorkommen; machen Sie sich nichts daraus. Außerdem ändert es wenig an dem, was ich Ihnen zu sagen habe. Bei mir gibt es für jeden Geschmack etwas.

      Nun will ich Sie nicht mit feinsinnigen psychologischen Darstellungen bezaubern. Es geht mir nicht darum, Ihnen durch Raffinesse und Humor Beifall zu entlocken. Es gibt Autoren, die ihr Talent zur subtilen Beschreibung


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